boysquer

luzquer handschuhquer ghostquer

Les garçons sauvages

(F 2017)

Regie/Buch: Bertrand Mandico

Darsteller:  Pauline Lorillard, Vimala Pons, Diane Rouxel, Anaël Snoek, Sam Louwyck

wildboys 008

We are on an enormous oyster, and I am its pearl.

Um jetzt mal direkt die Spreu vom Weizen zu trennen – „The Wild Boys“ wird von Bildstörung vertrieben und Ende Mai in ausgewählten Kinos präsentiert, ehe er kurz darauf seine Veröffentlichung auf DVD/BluRay in der Reihe Drop-Out-Cinema bekommen wird. Bildstörung ist unter anderem in meinen Filmregal mit Filmen wie „In a glass cage“, „Laurin“, „Es ist schwer ein Gott zu sein“ und „Bad Boy Bubby“ vertreten. Hier bei Evil Ed haben wir unter anderem „Marketa Lazarová“ und „LUZ“ besprochen. Auf gut deutsch – wer sich nur Mainstream angucken will, braucht jetzt nicht unbedingt weiter zu lesen und kann bis Mittwoch morgen warten, wenn ich „Avengers: Endgame“ bespreche.

„The Wild Boys“ passt auf alle Fälle fugenlos in das Programm des fleissigen kleinen Labels und bietet eine filmische Erfahrung, die uns sicherlich ohne deren Hilfe komplett entgangen wäre. Die Geschichte lässt sich grob in wenigen Sätzen zusammenfassen.

wildboys 005Fünf männliche Internatsschüler, die einen Hang zum Okkultismus haben, bringen zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter Alkoholeinfluß bei einem sexuell-magischen Ritual ihre Literaturlehrerin um. Obwohl sie bereits mehrfach wegen ähnlicher Vorfälle auffällig geworden sind, kommen sie bei der Gerichtsverhandlung – dank gegenseitiger Alibis – straflos davon, was bei ihren Eltern das Fass zum Überlaufen bringt. Sie beschließen eine drakonische Maßnahme und heuern einen seltsamen Kapitän an, der verspricht aus dem Quintett innerhalb weniger Wochen brauchbare und gefügige Mitglieder der Gesellschaft zu machen. Auf dem Boot des seltsamen Skippers angekommen werden die Jungs zuerst einmal mit Halsfesseln in ihre Schranken verwiesen und zu Sklavendiensten verdonnert. Eventuelle Aufmüpfigkeit wird mit Gewalt beantwortet. Das Ziel der Schiffsreise ist eine seltsame Insel auf der sich bei den fünfen eine komplett unerwartete Wandlung vollzieht.

wildboys 004So weit so nachvollziehbar, aber selbst David Lynchs Eraserhead kann man mit „Ein Mann verliebt sich in seine Nachbarin und sie bekommen ein behindertes Baby“ umschreiben, ohne dem Film auch nur im Entferntesten gerecht zu werden. Damit hören die Ähnlichkeiten zu Lynchs auf Zelluloid gebannten Alptraum auch nicht auf.

Beide Filme nutzen eine nahezu stummfilmmäßige Ästhetik um eine Alptraumatmosphäre zu erzeugen, beide Filme verweigern sich einer einfachen Interpretation und sind eher gefühlsmässig erfass- bzw. erfahrbar. „Wild boys“ arbeitet zusätzlich noch mit – scheinbar wahllos eingesetzten – farbigen Szenen, die den Zuschauer noch mehr verwirren und spezielle Momente schockmäßig betonen.

Regisseur Bertrand Mandico liebt es offensichtlich mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen und lässt gleich zu Beginn, sozusagen in einer Klammerszene, einen der Überlebenden des Filmes am Strand von Matrosen finden, die dann anstatt ihm zu helfen beginnen ihn offensichtlich unsittlich zu berühren. wildboys 007Ein angedeuteter Fellatio mehrere bärtige grobschlächtige Männer, die sich über einen blonden Jungen hermachen – hier gibt es nicht die nach der Inhaltsangabe erhoffte „Herr der Fliegen“-Variante. Generell ziehen sich sexuelle Anspielungen durch den Film, seien es die seltsamen „haarigen Früchte“ von denen sich die Jungen ernähren müssen oder die penisähnlichen Pflanzen aus denen sie weiße Flüssigkeit trinken. Faszination und Ekel liegen bei „The Wild Boys“ sehr nahe beieinander.

Erst im letzten Akt des Filmes wird dann schließlich deutlich dass es sich beim gesamten Film zum großen Teil auch um Geschlechterklischees und den Umgang mit denselben geht. Der Verlust des Penis führt nicht unbedingt zu einer charaktermässigen Wandlung, eine Brust nicht zur Sanftmütigkeit.

wildboys 009„The Wild Boys“ ist ein echter Sogfilm, nachdem man sich anfangs noch ein wenig an die Stummfilmoptik (inklusive der runden Bildecken) und den Hang zur Ekelszene gewöhnen muss, überrascht der Film mit vielen fast schon meditativen Sequenzen und Momenten in denen man ihn und seine eigenen Reaktionen auf das Geschehen in Frage stellt. Das Ganze ist tatsächlich schwer zu beschreiben, aber auch hier bietet sich wieder der Vergleich mit „Eraserhead“ an, der ja auch nicht wirklich Kopf- sondern eher Körperkino ist und durch seine Unvorhersehbarkeit und seinen Surrealismus eine ganz eigenen Erfahrung bietet.

Wem kann man den Film nun also wirklich empfehlen? Ich wüsste in meinem näheren Bekanntenkreis genau zwei Leute, die ihn ohne Schwierigkeiten zu würdigen wüssten und vielleicht drei weitere, bei denen ich sicher sein kann nach dem Kinobesuch nicht geköpft zu werden.

wildboys 012Selbst hartnäckige EVIL ED Leser, die von uns schon so einiges gewohnt sind, sollten hier Vorsicht walten lassen. Für mich persönlich ist „The Wild Boys“ eine der interessantesten Filmerfahrungen der letzten Jahre und ich kann es kaum erwarten ihn ab 21. Mai im Kino zu sehen um die Reaktionen des Publikums  um mich herum zu erfahren/fühlen.

Dia


P.a.: Ich habe bewusst auf den grössten Spoiler des Filmes verzichtet, der in vielen der von mir bisher gelesenen Kritiken immer wieder erwähnt wird – es ist definitiv besser DAS vorher nicht zu wissen, also seid vorsichtig, wenn ihr nach diesem Artikel noch weitere Infos sucht.


luzquer handschuhquer ghostquer

     ofdb logo      IMDb logo