Regie: John Carpenter Drehbuch: Drew McWeeny Musik: Cody Carpenter Darsteller: Caitlin Wachs, Derek Mears, Ron Perlman
Ein Schwangerschaftsabbruch ist aus moralischer und religiöser Sicht eines der sprichwörtlichen heißen Eisen, das von Befürwortern und Gegnern allzu gerne überaus emotional bis hitzig diskutiert wird. In Extremfällen fühlt sich dann zuweilen die vermeintlich moralisch erhabenere Seite sogar zur Gewaltanwendung legitimiert, was zahlreiche Angriffe auf Abtreibungskliniken und –ärzte mit Sach- und Personenschäden dokumentieren. Von solch einem Extremfall handelt John Carpenters zweiter Beitrag zur „Masters of Horror“-Serie – womit ich mich hoffentlich erfolgreich um ein abschließendes Statement zu diesem kontroversen Thema herumgedrückt habe, dessen Bewertung in den Händen der persönlich Betroffenen wesentlich besser aufgehoben ist.
Darum bleiben wir zunächst einmal rational und schauen uns die in „Pro-Life“ präsentierten Vaterfiguren etwas näher an. Als Kontrast zum schießwütigen Abtreibungsgegner sitzt nämlich ein ebenfalls nicht gerade sympathisch wirkender älterer Herr samt Frau und schwangerer Tochter im Wartezimmer der Klinik herum. Zwar wird an keiner Stelle erwähnt, weshalb genau man sich im Krankenhaus eingefunden hat, aber sein unbeherrscht-dominantes Auftreten (einmal erhebt er gar die Hand gegen seine Tochter) legt den Verdacht nahe, dass er schlicht und einfach keine Lust auf die Großvaterrolle hat und seiner Tochter einzig aus niederen Beweggründen (Bequemlichkeit, Geiz, oder auch nur weil er kurz und bündig ein Arsch ist?) einen Abbruch der Schwangerschaft aufgenötigt hat. Definitiv nicht der Mann, dem man nachweint wenn ihm schließlich der Kopf weggeschossen wird.
Blenden wir den ganzen Teufelsspuk, den Carpenter am Ende auffährt, einmal aus, könnte man nämlich tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass der gar so sittsame Vater zwischendurch einmal einen schwachen Moment hatte, und „Pro-Life“ verschenkt viel moralphilosophisches (und auch skandalträchtiges) Potential, indem er sich um die spannende Frage herumdrückt, ob eine Abtreibung beispielsweise nach einer Vergewaltigung (schlimmstenfalls auch noch durch Familienangehörige) oder wenn davon auszugehen ist, dass das Kind mit schwersten Missbildungen zur Welt kommt, nicht doch eine akzeptable Option darstellt.
Zwar kann man diesem Widderkopf aus der bodenlosen Grube tricktechnisch nichts vorwerfen, und auch das spinnenartige Monsterkind ist ganz ordentlich geraten, in Kombination mit der ansonsten eher trocken bis knüppelhart vorgebrachten satirischen Ausrichtung von „Pro-Life“ wirkt der Auftritt des Leibhaftigen aber dann doch eher wie eine platte Übertreibung. Und spätestens wenn dieser dämonische Höllenvater auch noch sichtlich bedrückt sein totes Kind mitnimmt, kann man sich nur noch darüber verwundern, was Carpenter nach dem hervorragenden „Cigarette Burns“ wohl geritten hat, dem Publikum eine solche Episode vorzusetzen. Von Subtilität keine Spur, der durchaus interessante Ansatz wonach der angebliche Wille Gottes sich als sinistre Teufelei herausstellt wird um seine Relevanz gebracht, indem man den zuvor aufgebauten Konflikt dem zynischen Humor einer Szene, in der sich der Gehörnte als die emotionalste Figur des Films erweist, opfert. Da kann das Mädchen meinetwegen dreimal feststellen „God’s will is done“, mit dem Gesamteindruck, den „Pro-Life“ nach diesem Ende hinterlässt, hatte der Allmächtige wenig bis gar nichts zu schaffen, das Resultat ist eine Totgeburt.
Die dämonischen Umtriebe ihrerseits fallen aber im Vergleich zum Wüten von Ron Perlman ebenfalls nahezu handzahm aus. Baby krabbelt herum, Paps schlägt eine Tür zu Bruch und das war’s dann auch schon mit Apokalypsenstimmung, obwohl „Pro-Life“ durch seine Pervertierung der Marienlegende (geschwängert vom unheiligen Geist…) und die Umkehrung der Konzeption von „Prince of Darkness“ – dort wollte der weibliche „Sohn“ den hinterm Spiegel gefangenen bösen Vater entfesseln – durchaus das Zeug zum Weltuntergangsszenario mitbringt. Die trotz einiger drastischer Szenen nicht über Fernsehspielniveau hinauskommende, nüchtern bis einfallslos wirkende Inszenierung erweist sich in diesem Sinne als doppelt kontraproduktiv – für einen Paranoia-Trip, in dessen Verlauf eine junge Frau in einer Welt voll aggressiver Männlichkeit zu ihrer Souveränität finden muss ist die Optik zu klar und der Erzählstil zu objektiv; Einen Witz, der in Deutschland übrigens (mal wieder) bierernst genommen wurde, obwohl die in ihrer Gesamtwirkung überaus heftig ausfallende Sauger-Sequenz praktisch im Off stattfindet und das meiste der Fantasie des Zuschauers überlässt. Im ersten Anlauf wurde die Episode darum in einer großzügig um sämtliche Gewaltszenen bereinigten und trotzdem noch ab 18 Jahren freigegebenen Fassung veröffentlicht – als jämmerlicher Torso, den man unter dem Motto „Mein Player gehört mir“ unverzüglich ausschaben, absaugen und auf den Müll werfen sollte.
Alexander
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