We are the night / Bloody Party / Geceler Bizim (Deutschland 2010)
Drehbuch: Jan Berger, Dennis Gansel Kamera: Torsten Breuer Darsteller: Karoline Herfurth, Nina Hoss, Jennifer Ulrich, Anna Fischer, Max Riemelt
“Ihr tötet jede Nacht Menschen! Glaubst Du, dass das niemanden auffällt?“
Zurückhaltung ist die Sache der drei weiblichen Vampire Nora, Charlotte und ihrer Herrin Louise nicht. Da kapert man nach einem Ausflug nach Paris zu einem luxuriösen Mahl schon einmal ein kleines Linienflugzeug, dass man nach Bespaßung und Labung am Blut der Passagiere abstürzen lässt, während man selbst lässig am Berliner Nachthimmel davongleitet. Die junge Taschendiebin Lena dagegen führt ein Leben am Rande der Gesellschaft. In ihren dreckigen Klamotten, im dunklen Kapu bewegt sie sich fast anonym durch die Straßen der Hauptstadt. Als sie dabei einen russischen Mädchenhändler um den Inhalt seiner Taschen erleichtert, gerät das burschikose Mädchen in einen Zugriff der Polizei und darf auf der Flucht vor selbiger gleich einmal unter Beweis stellten, genauso geschickt wie smart zu sein. Doch der junge Polizist Tom lässt sich auch von einer schnellen Umkleideaktion nicht täuschen und setzt sich zur inzwischen Sommerkleid tragenden Lena an den Rand einer Brücke. Da sie ihm sympathisch ist, spielt er erst einmal ihr Spiel mit, was die gewitzte Lena ausnutzt, um doch noch zu entkommen. Am Abend erweckt die verletzlich wirkende Kleine in der Schlange vor einem Nachtclub, der den drei Vampirinnen gehört, die Aufmerksamkeit der am Überwachungsmonitor sitzenden Louise, die Anweisung gibt, sie reinzulassen. Auf der Tanzfläche startet sie dann auch erste Annäherungsversuche, die in einem Hinterzimmer enden, wo Louise Lena beißt. Die flüchtet darauf in Panik. Nun setzt sich in ihrem Körper eine unangenehme Transformation in Gang, an dessen Ende die vom Blutdurst geplagte Lena wieder in dem Hotel der drei Vampirinnen aufschlägt. Die beschließen, sie ins kalte Wasser zu werfen und verschachern sie an ein paar zwielichtige russische Mädchenhändler, an denen sie sich laben soll. Am Ende des Blutbads brennen die Mädels alles nieder, doch einer der Gangster konnte sich unbemerkt in einem Hinterzimmer verkriechen. Nach diesem Eintrittsritual durchläuft Lena ein Makeover durch die modebewussten Vampir-Damen und wird in die Welt der dekadenten Runde eingeführt, die aus ausschweifenden Parties mit Drogen und Sex besteht. Doch auf die Avancen der Anführerin Louise, die sie eigentlich als neue Gespielin auserkoren hat, geht Lena nicht ein. Auch ihre Gefühle für Polizist Tom, der der jungen Kriminellen nachstellt, sind Louise ein Dorn im Auge. Als die Polizei dann auch noch des Überlebenden des Massakers unter den Russen habhaft wird, nimmt die Katastrophe ihren Lauf... Es ist ja nun nicht immer so, dass einem deutschen Genre-Beitrag zum phantastischen Kino erwachsener Ausrichtung, speziell im Horror-Bereich, ein adäquater finanzieller Etat zur Verfügung steht, um nicht gleich in dem Meer aus amateurhaften bis semi-professionellen Wald-und-Wiesen-Geschmodder zu versinken. Ausgestattet mit 6,5 Mio € aus verschiedenen Fördertöpfen und mit der Constantin Film als Vertrieb im Rücken, ist es schon mehr als ärgerlich, dass der Film gerade schon am Ursprung, nämlich dem Drehbuch, das auf einem alten Treatment von Regisseur Dennis Gansel (der sich 2016 in Osteuropa und Asien mit dem Sequel MECHANIC: RESSURECTION eher schlecht als recht für Lionsgate an einem Jason Statham Feature versuchen durfte) fußt und als Konglomerat vieler guter wie schlechter, aber in fast jedem Fall nicht zu Ende gedachter Ideen scheitert. Denn von rein technischer Seite gibt es kaum was zu mäkeln; die Kamera-Arbeit von Gansels Kameramann Torsten Breuer fängt einige schöne Shots des nächtlichen Berlins ein und kennt Wörter wie „statisch“ oder „langweilig“ nur vom Hörensagen. Dazu dröhnt ein dem Ambiente angemessener House-Soundtrack aus den Boxen, der den Fluss der bewegten Bilder mit einer ordentlichen Portion Wumms unterfüttert. Wenn man nur nach Optik und Sound geht, befinden wir uns komplett auf der Höhe der Zeit. Einen Großteil der Besetzung brachte Dennis Gansel aus seinen vorangegangenen Filmen mit. Karoline Herfurth spielte bereits in seinem Überraschungserfolg MÄDCHEN, MÄDCHEN (2000) und hieß dort auch schon Lena. Sie hinterlässt hier von allen den besten Eindruck, verleiht der Rolle der hin- und hergerissenen Außenseiterin die notwendige Bodenständigkeit. Allerdings eignet ihr Charakter sich leider trotzdem nicht wirklich als Identifikationsfigur, da ihr dafür die Ankerpunkte fehlen. Wir wissen nichts über die junge Frau und ihr Leben vor diesem schicksalshaften Tag, haben keine Ahnung, wie sie geworden ist wie sie ist, was es schwer macht, mit ihr mitzufühlen. Ihren Love Interest, den Polizisten Tom, spielt Max Riemelt, auch ihn lässt das Drehbuch hier ziemlich in der Luft hängen, doch er füllt seine kaum ausformulierte Rolle wenigstens mit Charisma. Er spielte genauso in MÄDCHEN, MÄDCHEN, bekleidete in Gansels NAPOLA – ELITE FÜR DEN FÜHRER (2004) die Hauptrolle und war auch in DIE WELLE (2008) dabei . In letzteren war auch Jennifer Ulrich zu sehen, die als Vampirin Charlotte davon profitiert, dass gerade ihre Figur den meisten Background zugesprochen bekommen hat. Sie gibt sich dabei großteils eher zurückgenommen, was dann ihren kurzen Ausbrüchen aber umso mehr Intensität verleiht. Und das ist etwas, wovon Anna Fischer hier nur träumen darf, denn ihre Nora definiert sich fast gänzlich durch ihre frivole Art und ihren Appetit auf Sex, da sie fürchtet, demjenigen, der ihr nahe steht zu verletzen, wenn sie Gefühle zulassen sollte. Damit habe ich jetzt ihre Figur nicht nur umrissen, sondern tatsächlich schon zusammengefasst. Sie ist auch (SPOILER!) das erste der Mädels, das stirbt, und ihre Rolle so uninteressant, dass sie es noch nicht einmal aufs Kinoplakat schaffte. Trotz der schlechten Voraussetzungen ist es auch ein ungewöhnlich blutleerer Auftritt der Schauspielerin, die im selben Jahr noch für ihre weibliche Hauptrolle in GROUPIES BLEIBEN NICHT ZUM FRÜHSTÜCK so hoch gelobt wurde. Der Star des Films ist natürlich Nina Hoss, die ihre Karriere als DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (1996) startete und auch durch Hauptrollen in Filmen wie DIE WEISSE MASSAI (2005) und YELLA (2007) bekannt ist und zwischenzeitlich auch mal zum Cast der US-Serie HOMELAND (2014-17) gehörte. Sie besitzt normalerweise auch die Gravitas, die die Rolle der vielleicht schon Jahrhunderte alten Blutsaugerin benötigt, vermag sie aber, vermutlich auch wegen des fehlenden Hintergrunds, nicht immer mit Leben zu füllen. Oftmals wirkt ihr Schauspiel bemüht, bisweilen sogar hölzern, und ihre Monologe klingen wenig pointiert. Auch gibt es keine nennenswerte Chemie zwischen ihr und Karoline Herfurth, weswegen ihr sexuelles Verlangen nach ihr, es gibt hier auch keine erotischen Szenen, die das bestärken, eher behauptet bleibt.
„Je böser der Mann, desto süßer das Blut.“
Im Grunde ist der Film eine Coming of Age-Geschichte einer jungen Delinquentin, die in schlechte Gesellschaft gerät, erkennt, dass das, was sie macht, falsch ist, und sich dann erwachsen davon emanzipiert und in ihr eigenes Leben startet. Schon tausendmal gehört, aber hier dermaßen an der Sache vorbei geschrieben, dass es schon weh tut. Denn anstatt das Gerüst durchzuexerzieren und zwischendurch seine Akzente zu setzen, versteht Gansel seinen Film ernsthaft als ein eher feministisches Werk. Männliche Vampire gibt es nicht mehr. Sie waren zu laut und auffällig, wurden von den Menschen gejagt und dann schließlich von ihren weiblichen Artgenossen aus ihrem Selbsterhaltungstrieb heraus ausgerottet. Diese feministische Vampir-Community (100 weltweit, davon 40 in Europa) hat sich geschworen, nie wieder einen männlichen Vampir zu erschaffen, was auch als einziger Punkt auf deren Agenda zu stehen scheint. Doch die Frauen der Schöpfung, die als Vampire natürlich nicht auf Männer angewiesen sind, da sie sich ja auch nicht fortpflanzen können, benehmen sich genauso ungehemmt, wie sie es den Männern einst vorwarfen, und was denen dann zum Verhängnis wurde. Dennis Gansel und Scriptautor Jan Berger haben hier einfach nur die Vorzeichen umgedreht. Und natürlich ist die Clique durch ihre ungezügelte, hedonistische Lebensweise dem Untergang geweiht, they're doomed, aber man fragt sich als Zuschauer ständig, warum das nicht schon viel früher passiert ist. Die Geschichte gibt einem auch nicht den Funken eines Anlasses, dass dies irgendwann anders war; der Film beginnt halt schon damit, dass die vier Emanzen mit Fanggebiss nur der dekadenten Nahrungsaufnahme willen ein fucking Flugzeug kapern und es nach Beendigung der Mahlzeit fucking abstürzen lassen (wovon man im Film im nachhinein auch gar nichts mehr hört; ich nehme doch mal an, dass es jemanden auffallen sollte, wenn ein Flugzeug in einer Großstadt in ein Gebäude oder auch nur neben ein Flugfeld kracht). Ihre Aversion gegen das männliche Geschlecht äußert sich dabei nicht nur in Louises lesbischer Veranlagung, sondern auch ihren Hass gegen die Mädchenhändler; sie erzählen Lena anfangs, dass das Blut eines Mannes je süßer schmeckt, desto böser er war. Und das ist nicht nur eine Floskel, um sie zum Trinken zu bewegen, sondern wird noch einmal später von Nora unterstrichen, wenn sie fragt, ob man nicht mal wieder ein paar Zuhälter aussaugen könnte. Es sind dann eigentlich auch diese Mädchenhändler, die die Gruppe letztendlich zu Fall bringen, denn Lena lernt Tom durch den Taschendiebstahl an einem dieser niederträchtigen Subjekte kennen, und auch die Polizei kommt ihnen durch einen Überlebenden des ersten Blutbades mit Lena auf die Schliche (lustig auch, dass die dem verängstigten Zuhälter zuerst kein Wort seiner Schauermär glauben, aber als er einen silbernen Lamborghini erwähnt, den die Mädels ihn gestohlen haben und den die Polizei schon einmal gesehen hat, reicht das aus, um sie auf der Stelle mit einem SEK das Hotel stürmen zu lassen). Dabei sind aber die Bande zwischen den unsterblichen Damen schon vor Einbindung der jungen Diebin brüchig. Hingegen zu Louise, die sehnsüchtig eine Gefährtin sucht, was von ihrem Gefolge meist sarkastisch kommentiert wird (auch die später eher zaghaften Annäherungsversuche an Lena passen irgendwie nicht zu ihrer ansonst betont dominanten Person), ist Nora hetero und vögelt gerne durch die Gegend, darunter leidend, keine echte Beziehung zu einem Mann eingehen zu können, während Charlotte innerlich ihrem Mann und ihrer kleine Tochter, die inszwischen über 80-jährig in einem Berliner Altenheim vor sich hin altert, nachtrauert; sie wurden ihnen durch Louise entrissen, was sie ihr nie verziehen hat. Allerdings stellt es das Drehbuch in keinerlei Relation, man weiß nicht, an welcher Stelle der Bruch einsetzte, wie lange die Vampir-Damen schon ihre Bedenken haben, wie lange sie ihres Lebens als Vampire, frei von der natürlichen Sterblichkeit, müde sind. Wie lange schon geben sie sich der Maßlosigkeit hin, um die Leere in ihren Innern zu füllen? Man bekommt einfach kein Gefühl für die Beweggründe der Charaktere und kann so den Zerfall der Gruppe nicht emotional einordnen. Es ist einem schlicht egal, was mit ihnen passiert. Wie schon gesagt, sieht der Film sehr gut aus, hat in Bild und Ton einen guten Flow, doch humpelt der Inhalt dieser Form andauernd hinterher. Am besten lassen sich noch die Szenen an, in denen sich die Damen ungezügelt dem Amüsement hingeben, in den Clubs (und Flugzeugen) maßlose Parties feiern, sich in der Nacht, passenderweise gegen den Verkehr als Geisterfahrer, Hochgeschwindigkeitsrennen in Luxuskarossen liefern, um sich später dann in ihrem alt-ehrwürdigen, herrschaftlichen Hotel dem Blutrausch aus eigenen Vorräten (ob das wohl alles von männlichen Gewalttätern gezapft wurde? Wir werden es nie erfahren...) hingeben, wobei dann lediglich verdeutlicht werden soll, dass auch Weiber koksen und rumhuren, es ihren vom Antlitz der Erde getilgten männlichen Konterparts gleichtun können. Ab und an betritt der Film dann das Terrain brutaler Horror-Action, und diese Szenen hätten gerne weiter ausgespielt werden können, denn zumeist sieht man nur die blutigen Resultate. Die Charakter-Momente wirken aufgrund des fehlenden Unterbaus fast aller Charaktere (wie erwähnt, bis auf Charlotte, die aber auch nur eine eher unwichtige Nebenrolle spielt) etwas reingequetscht, die zum Antrieb der Story wichtigen Plotpoints scheinen vom Drehbuch als notwendiges Übel eher stiefmütterlich behandelt. Und so ist es schlichtweg enttäuschend, dass ein deutscher Genrefilme, bei dem ein eingespieltes Team, vor wie hinter der Kamera, rein finanziell die Möglichkeiten gehabt hätte, einen deutschen Genre-Beitrag von internationalem Format zu erschaffen, es aber an so etwas elementarem wie einer interessanten Grundidee, einem durchdachten Konzept und einem runden Drehbuch scheitert, und sich lieber bei besseren Filmen wie etwa NEAR DARK oder INTERVIEW MIT EINEM VAMPIR bedient, um hübsches, aber belangloses Stückwerk abzuliefern.
Horny
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