Am Anfang war der Roman, die Originalversion. Stephen King hat mit „The Shining“ wirklich einen Meilenstein des Horrorgenres kreiert. Das Buch habe ich damals, gerade mal Teenager, verschlungen und es hat mir eine Heidenangst eingejagt und war unglaublich spannend zu lesen. Stanley Kubrick verfilmte schließlich das Buch und verfaßte mit Diane Johnson zusammen selbst das Drehbuch zu seinem Film „Shining“. Stephen King machte nie einen Hehl daraus, daß er den Film von Kubrick haßt. King war angepisst, daß er nicht in den Entstehungsprozeß des Films einbezogen wurde, und daß Kubrick meinte er könne einfach das Grundkonzept so ändern wie es ihm paßt. King sagte einmal, Kubrick sei ein Mann der ‚zuviel denkt und zu wenig fühlt’ und warf Kubrick vor, daß er überhaupt nicht verstanden habe, daß es im Buch um das Hotel und seinen Einfluß auf die Figur des Jack Torrance geht. Ich verstehe beide Standpunkte sehr gut, denn fast nie ist eine Verfilmung so wie es sich der Autor ursprünglich mal gedacht hat, außer bei 50 Shades of Grey, da sind die Filme genauso Scheiße wie die Bücher, da hat’s geklappt. Spaß beiseite, sobald ein Buch in den Strudel eines Produzenten gerät versucht jeder Beteiligte, dem Projekt seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Da fliegen während der Vorproduktion oft Sachen raus, die den Geldgebern nicht passen oder die der Regisseur nicht so toll fand. Das ist halt Showbusiness. Die meisten Autoren haben das mittlerweile auch begriffen und wissen was passiert, wenn sie ihre Ideen anderen zu filmischen Zwecken übereignen. Andererseits verstehe ich King nur zu gut, denn Kubrick hat komplett die Grundidee zerstört und meinte einmal ‚Jack Torrance verabscheut seine Familie’. Wenn ein Regisseur eine Story alleine schon von der Ausgangssituation so verdreht, dann sollte er vielleicht eine andere Geschichte verfilmen – oder eventuell lieber selbst mal kreativ werden, wobei es daran meistens hakt. Egal was man von Shining hält, der Film an sich ist ein guter und spannender Thriller mit einem großartigen Jack Nicholson, wobei die ‚Hauptfigur’ des Films natürlich der hypnotische und ausgeklügelte visuelle Stil des Mr. Kubrick ist. Die US-Version von Shining läuft gute 23 Minuten länger als die knackigere internationale Version. Wenn man die beiden Cuts vergleicht (unter anderem auch bei Schnittberichte.com) stellt man fest, daß bei der internationalen Fassung viel Füllsel rausgeflogen ist, was nicht besonders ins Gewicht fällt. Warum eine fünfminütige Szene, die mehr Aufschluß bietet warum Danny Angst vor seinem Vater hat und daß Jack Danny den Arm gebrochen hatte als er mal wieder besoffen war, und bei der auch Dannys Freund Tony zur Sprache kommt, komplett der Schere zum Opfer fiel, bleibt allerdings unverständlich. Allerdings sind wir da schon bei einem der größten Probleme des Filmes, nämlich Nicholson als Torrance. Nicholson ist ein super Schauspieler, er kann Thriller, Drama und Komödie. Meiner Meinung nach war er als Jack Torrance die größte Fehlbesetzung. Nicht als diabolischer, Axt schwingender Torrance gegen Ende des Films, nein, da war er überragend. Aber er war von Anfang an einfach eine Bedrohung für die kleine Familie, kein liebevoller Vater und Ehemann, dem die Ehefrau die Treue hält und dem man zutraut, daß er sich geändert hat und einen Neuanfang sucht. Von der ersten Szene an ist Nicholson Full Metal Psycho und man weiß schon genau – ohne das Buch zu kennen – wie sich die Story bzw. Jack Torrance entwickeln wird. Shelley Duvall als Wendy ist komplett unerträglich, eine weinerliche Fußmatte, doof wie Brot, die vollkommen unter der Knute ihres Ehemannes steht und zu mehr als putzen und kochen nicht taugt. Kubrick galt als einer der sexistischsten Regisseure Hollywoods und wenn man sich seine - verschwindend wenigen – weiblichen Charaktere ansieht, dann merkt man auch, daß seine Meinung über Frauen nicht sehr hoch war. Sogar der große David Cronenberg meinte einmal, daß Kubrick doch recht überschätzt werde (kann ich nur vollkommen zustimmen!), und daß er das Genre Horror nicht verstanden habe, was ja auch stimmt. Man stelle sich nur mal die Ausgangssituation vor, daß man als Frau (und dann noch als Fußmatte) mit seinem Kind und solch einem unberechenbaren Charakter in eine vollkommen isolierte Umgebung ziehen soll. Das funktioniert einfach nicht. Isolation angesichts einer Bedrohung für das eigene Leben (Carpenter’s „The Thing“, „Alien“, „Cube“, etc.) ist immer wieder ein sehr guter Ausgangspunkt für Thriller und King hat sich das auch perfekt zu eigen gemacht. Bei King war Torrance am Anfang noch normal, und man konnte nachvollziehen, warum Wendy mit Danny und ihm in das abgelegene Hotel zieht. Jack Torrance entwickelt sich erst durch den Einfluß des Overlook und dessen Geister der Vergangenheit zu einem echten Vollzeit Psychopathen. Jeder, der das Buch gelesen hat, hatte zu Anfang damit nicht gerechnet. Eine schöne und ruhige Umgebung, ideal um dort einen Winter zu verbringen und für Jack endlich Ruhe und Muße, um ein Buch zu schreiben, was sollte daran bedrohlich sein? Auch das hat Kubrick nicht verstanden. Shining ist ein guter Thriller geworden, aber wenn man die visuellen Aspekte mal wegläßt, ist der Film vorhersehbarer Durchschnitt mit Charakteren, die einem –außer Halloran und Danny – am Arsch vorbeigehen. Die Miniserie „The Shining“ versuchte vom Ansatz her der großartigen Vorlage besser gerecht zu werden. Für King, der das Drehbuch zur Miniserie schrieb, war das endlich die Gelegenheit den seiner Meinung nach Fehlschlag von Kubrick auszubügeln. Für Mick Garris, der die Regie übernahm und der selbst ein großer King Fan ist, war das Projekt auch eine absolute Herzensangelegenheit. Rebecca de Mornay und Steven Weber waren für mich einfach die bessere und glaubhaftere Besetzung. Weber als der geläuterte aber harmlose Alkoholiker, der mit seiner geliebten Familie einen Neuanfang wagt und de Mornay als seine Frau, die ihren Mann noch liebt aber auch durchaus tough ist und keinen Bullshit duldet, meilenweit entfernt von der naiven Doofheit der Darstellung Shelley Duvalls. Und bei der Miniserie ist das Overlook Hotel endlich einer der Hauptdarsteller, ganz so wie es auch sein sollte! Als Drehort diente dieses Mal das Stanley Hotel, wo King vor Urzeiten selbst einmal in Zimmer 217 nächtigte, und wo ihn die Inspiration zu „The Shining“ bei den Eiern packte. Das Stanley Hotel diente drei Jahre lang ebenfalls als Kulisse für das Stanley Film Festival, das sich als neues Genre Festival etablieren sollte, aber wie ich gelesen habe gab es wohl Querelen zwischen dem Hotelbesitzer und den Veranstaltern und das Festival wurde für 2017 abgesagt bzw. wird wohl auch nicht mehr dort stattfinden. (Mehr Infos dazu findet man im Internet) Es gibt in der Miniserie viele Gastauftritte, Mick Garris ist ebenso kurz mit von der Partie wie Frank Darabont und Sam Raimi. Mick Garris’ Ehefrau Cynthia ist die Frau aus Zimmer 217, und King höchstselbst hat seinen Auftritt als Bandleader des Orchesters des Overlook Hotels. Die TV-Serie hätte also bzgl. des Originaldrehortes und den ganzen Beteiligten eigentlich die ideale Verfilmung werden können. King selbst hat durch seinen Brass auf die Erstverfilmung und seine Überambitioniertheit bezüglich dieses Projektes den Kardinalsfehler begangen, den sicherlich viele Autoren machen würden. Selbst wenn eine Geschichte fertig erzählt und gedruckt in den Verkauf gegangen ist, möchten viele am liebsten ständig noch was abändern in ihren Büchern. Das ist Kappes und die endgültige Version sollte auch diese bleiben. Sonst hätten ja Bowie oder auch Hitchcock ständig neue Versionen ihrer Musik bzw. Filme machen müssen. Was bei Kubrick’s „Shining“ zu kurz kommt, ist daher bei der „The Shining“ Miniserie mit über vier Stunden Laufzeit zu lang, und daher zu großen Teilen auch langatmig und langweilig geworden. Während Kubrick den Anfang des Buches quasi streicht wurde er hier von King beim Teleplay auf extremste Weise ausgeschmückt. King hatte 1997 seinen Alkoholismus erfolgreich besiegt und dachte wohl, daß er Torrances Vorgeschichte diesbezüglich in der Serie auch mehr Bedeutung beimessen sollte, als das im Buch der Fall gewesen war. Man sollte es unterlassen ein bereits existierendes Buch nochmals zu schreiben. Daher ist die erste Episode der Miniserie auch unglaublich zäh, und das Overlook Hotel wird erst im Laufe der zweiten Folge eingeschneit, womit sich erst langsam die Wandlung des Jack Torrance zeigt. Diese Wandlung funktioniert in der Miniserie hervorragend, weil man Jack Torrance dieses Mal dabei zusehen kann, wie die bösartige Seele des Overlook den netten und fürsorglicher Familienvater nach und nach vergiftet, bis dieser durchdreht und zu einem echten Monster wird, was die Handlung spannender und auch passender macht. Steven Weber bringt diese Metamorphose auch sehr glaubhaft rüber. Die TV-Verflmung hinkt bezüglich der Effekte natürlich hinterher, was aber einigen sehr gruseligen Szenen keinen Abbruch tut. Das Set war durch die direkten Aufnahmen im Stanley Hotel selbst natürlich sehr begrenzt. Während Kubrick auf extra gebaute Kulissen zurückgreifen konnte, und mit der Kamera extrem lange einen Korridor entlang fahren konnte, ist ein echter Korridor eben begrenzt und da bleibt nicht viel Raum für visuelle Sperenzchen. Schließlich hat King in seinem Neuschaffungsrausch den Schluß einer Geschichte verändert, welche unglaublich viele Fans verschlungen und geliebt haben – gerade auch wegen des kompromißlosen Endes. Den schlimmen Anfall von Kitsch am Ende der Miniserie hat auch zu recht vielen Zuschauern, die das Buch kannten, sauer aufgestoßen bzw. gleich die Kotze die Kehle hoch getrieben. Und das große Fazit? Es gibt keins! Shining von Kubrick wird immer ein guter und visuell überragender Thriller bleiben. Die Miniserie ist definitiv näher an der Originalstory, und wenn man sich durch die erste Folge gequält hat wird sie auch immer besser. King hätte mal seinen Stolz über Bord werfen und seinen Roman, das unerreichte Original, detailgetreu verfilmen sollen als sich in unnötigen Schwafeleien und einem verkorksten Ende an seinem Buch zu vergehen. Die beste Version ist immer noch das als Erstes entstandene Original – das Buch. Never change a winning story!Nic
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- Nic Parker
- Königliche Wochen - September 2017