Der weisse Hai 3 / Jaws 3 People 0 / Der weisse Hai 3-D (USA 1983) Regie: Joe Alves Drehbuch: Richard Matheson, Carl Gottlieb Darsteller: Dennis Quaid, Bess Armstrong, Louis Gossett Jr., Lea Thompson
„Wir wollen Fisch!“ - Ups, das war mal wieder der falsche Film…
Aber ein Aquarium ist eine feine Sache! Sofern man nicht gerade auf die Idee kommt, seine Haare darin zu waschen kann sich in seinem Inneren das bissigste Getier befinden und trotzdem ist man als Betrachter auf der sicheren Seite – getrennt durch eine Glaswand kann man den Fischlein beim possierlichen herumplanschen zuschauen und wird nicht einmal nass. Eine Situation, die gewisse Parallelen zum Konsum eines Films aufweist, denn auch hier sitzt man im Kino- oder Fernsehsessel, mampft Chips und schaut den Vorgängen auf dem Bildschirm zu. Diesen unhaltbaren Zustand zu beenden war (schon allein aus kommerziellen Erwägungen) schon lange vor den interaktiven Möglichkeiten von Heimcomputer und Internet ein Anliegen gewiefter Produzenten und schlauer Filmemacher, weshalb die Experimente mit der 3D-Technik fast so alt sind wie das Medium Film und es immer wieder zu Phasen kam, in denen 3D einen mehr oder minder erfolgreichen Hype auslöste. Die „Goldene Ära“ fällt dabei in die 50er Jahre, doch auch zu Anfang der 80er war es ziemlich schick, insbesondere die dritten Teile diverser Reihen ein wenig mit Dreidimensionalität aufzupolieren. Was uns letztlich wieder zurück zum Aquarium führt, denn die Schlüsselszene von „Jaws III-D“ dürfte eindeutig diejenige sein, in der der große Weiße Hai durch eine Glasscheibe bricht und dabei für einen überfluteten Kommandoraum sorgt. Dadurch wird der Einsatz von 3D gewissermaßen zu einem Versuch, den Film zu entgrenzen und die Distanz zum Zuschauer zu überwinden. Noch effektiver, aber leider bei „Friday, the 13th Part 3-D“ ausgeborgt, ist der Harpunenschuss direkt auf die Kamera und damit auf den Rezipienten. Eine als direkten Angriff auf das Auge gestaltete Hommage an den Schluss von „The Great Train Robbery“, die allerdings im Kontext eines Slashermovies bzw. innerhalb der dort geführten Diskurse über die Gefährlichkeit von Voyeurismus und spitzen Gegenständen deutlich besser aufgehoben ist und im dritten Aufguss von Spielbergs Haifischflossensuppe lediglich eine nette Dreingabe bleibt, die die ziemlich vordergründige Inszenierung des Films entlarvt. Wobei man zur Ehrenrettung von Joe Alves, der das Produktionsdesign der ersten beiden Teile zu verantworten hatte und nun erstmals (und auch letztmals) selbst auf dem Regiestuhl Platz nahm, anführen muss, dass „Jaws III-D“ durch diese Effekthascherei und ihre ansatzweise Reflexion auf der Handlungsebene wenigstens nicht zur reinen Fisch-Tautologie verkommt. Denn immerhin hatte bereits „Jaws 2“ – von den zahlreichen mehr oder minder gelungenen Epigonen ganz zu schweigen - gezeigt, dass die Geschichte vom Meeresungeheuer (das ja eigentlich nur ein wildes Tier war) bereits im ersten Teil zu Ende erzählt war und die meisten Versuche, irgendwelche Leute irgendwelchen Viechern zum Fraß vorzuwerfen als wäre man in einer Arena im antiken Rom lediglich die Bedeutung des Originals unterstrichen. Statt des beschaulichen Inselchens Amity wählte man darum einen Unterwasser-Freizeitpark als Schauplatz, einen Ort, an dem wie auch in Zoos kommerzielle Interessen und das Bedürfnis des Menschen nach doppelt und dreifach abgesicherter Naturerfahrung zusammenkommen, sei es aus wissenschaftlichem Interesse oder auch nur zum Amüsement. Und in diese von Lou Gossett, Jr. gemanagte „Sea World“ mit ihren dressierten Delphinen und Wasserski-Revue-Nummern dringt nun das undomestizierte Meeresungetüm ein um für reichlich Panik sowie das eine oder andere abgeknabberten Körperteil zu sorgen (das dann natürlich dekorativ vor der Kamera herumschwimmen darf). Gewissermaßen spiegelt Alves durch diese Ausgangssituation sogar den inneren Zwiespalt seines Films: inmitten von Aufnahmen, die auch aus einem Werbeclip stammen könnten – was sich dadurch erklärt, dass in einem realen „Sea World“-Park gedreht wurde – sowie dem kommerziellen Kalkül einer weiteren Fortsetzung versucht er, die Dämonisierung des Weißen Hais, der bei Spielberg noch als das absolut Böse funktionierte, wieder zurückzunehmen. Das eingedrungene Tier wird eingefangen, mühsam aufgepäppelt und soll schließlich als eine weitere Touristenattraktion verwendet werden. Und selbstverständlich geht der Hai bei dem Versuch, sein Image wieder reinzuwaschen (was auch Peter Benchley, der Autor der Romanvorlage zu „Jaws“ in späteren Publikationen versuchte) bzw. das „Fremde“ in die Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft zu integrieren, zuletzt genauso ein wie die Spannungskurve des Films. Denn für einen Kommentar über den der Fauna aufgezwungenen Warencharakter in der Kulturindustrie fehlt einfach der richtige marxistische Biss, hier wäre die ursprünglich geplante Satire, in deren Verlauf sich der Hai auf dem Set eines Tierhorrorfilms hätte austoben dürfen, vermutlich die bessere Wahl gewesen. Der Hauptgrund für das Versagen von „Jaws III-D“ dürfte allerdings seine menschliche Dimension sein: nachdem sich Chief Brody zweimal seiner Wasserphobie stellen musste (Teil zwei hat ja nachdrücklich bewiesen, wie schwer so eine Traumabewältigung sein kann, denn dort war er ein noch größerer Waschlappen) dürfen nun ebenfalls schon zum zweiten Mal seine Söhne ran. Und natürlich hat die Sache mit dem Hai, der von ganz tief unten kommt, auch wieder etwas mit sexuellen Problemchen zu tun, der Witz daran ist jedoch, dass die Beziehungskisten der Söhne Michael (Dennis Quaid) und Sean (irgendein Stichwortgeber) so dermaßen seicht sind, dass man sich nur darüber verwundern kann, woher diese panische Angst vor der entfesselten destruktiven Weiblichkeit überhaupt stammt. Außerdem verabschiedet sich Sean irgendwann einfach aus dem Film ohne mehr geleistet zu haben als belanglose Füllszenen zu absolvieren, und auch Michael fungiert in erster Linie lediglich als aufgesetzt wirkender Bezug zu den Vorgängern. Seine überwiegende Passivität ist dabei jedoch auch nicht gerade fehl am Platze. Lässt man sich einmal zur vulgärfreudianischen Überinterpretation verleiten (ich liebe so was!) ergibt sich nämlich folgendes Gesamtbild: Michael leidet unter seiner aktiven, gebildeten und selbstbewussten Partnerin (Bess Armstrong), die nichteinmal in Trennungsschmerz ausbricht als er ihr von einer neuen Stelle irgendwo weit weg in Hinterpfeuteufel erzählt. Der Weißhai wird in dieser Situation nicht nur zur Bedrohung von Außen, die das Paar wieder zusammenschweißt, sondern nahezu durchgängig zu einer zahnbewehrten schwimmenden Vagina, deren Attacken sich nahezu ausschließlich gegen Männer richten.[1] Außerdem ist der eigentliche Weiße Hai des Films nicht das eingefangene und kurz darauf eingegangene Tier in Normalgröße, sondern die zehn Meter messende Mama mit ganz mieser Laune. Sehr sinnfällig ist in diesem Zusammenhang bereits die matriarchale Architektur des Vergnügungsparks mit seinen röhrenartigen Gangsystemen und dem uteralen, halb mit Wasser gefüllten Raum, in dem schließlich einige Besucher eingeschlossen werden, am stärksten kommt der Aspekt einer verschlingenden Mütterlichkeit jedoch bei der aus dem Inneren des Haifischmauls gefilmten Todesszene des im Vergleich zu Quaid betont männlich und unerschrocken auftretenden Fotografen zur Geltung – eine reverse-birth, die obendrein auch noch in der Röhre eines Pumpenssystems stattfindet. Buchstäblich in die Röhre guckt man allerdings bei der zweidimensionalen Fassung des Films, die lange Zeit die einzige in Deutschland erhältliche Version war. Hier wirken die nicht gerade berauschenden optischen Effekte noch eine Spur schäbiger, da einkopierte Aufnahmen an deutlich sichtbaren schwarzen Rändern mühelos erkennbar sind und wie aus einem Zeichentrickfilm wirken. In Kombination mit einem viel zu kurz ausgefallenen Showdown, der allgemeinen Holperigkeit der Dramaturgie, die aufgrund der zahlreichen Kompromisse den Film gewissermaßen in die Bestandteile „Sea World“-Reklame, Tierhorror und Füllmaterial zerfallen lässt sowie einer gewöhnungsbedürftigen Figurenkonstellation, innerhalb derer die Brody-Söhne zu unnützen Randpersonen werden, denen sogar die Tümmler Cindy und Sandy die Show stehlen, kann man darum selbst mit viel Wohlwollen nicht von einem gelungenen Film sprechen. Andererseits merkt man „Jaws III-D“ sein Ringen um Eigenständigkeit durchaus an. So mag „Jaws: The Revenge“ möglicherweise die inhaltlich konsistentere von zwei Fortsetzungen sein, die sich um den Rang des schlechtesten Sequels streiten dürfen – aufgrund der faszinierenden Location und des dank der Blu-Ray-Veröffentlichung endlich auch im Heimkino zur vollen Geltung kommenden 3D-Gimmicks ist der Abstecher nach „Sea World“ aber insgesamt dann doch unterhaltsamer als das in jeder Hinsicht enttäuschende vorläufige Finale auf den Bahamas. Alexander
[1] Erneut eine deutliche Verschiebung, denn bei Spielberg wird der Hai zu Beginn als eine Art phallischer Vergewaltiger dargestellt, der erst beim Verspeisen von Quint ins hypersexuelle mutiert. Bei Alves hingegen wird das einzige weibliche Opfer lediglich am Oberschenkel verletzt. |
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