(USA 2017)
Regie: Nikolaj Arcel Drehbuch: Akiva Goldsman, Jeff Pinkner, Anders Thomas Jensen Darsteller: Matthew McConaughey, Idris Elba, Tom Taylor
Ich denke, dass es wenige Filme gibt, die so sehr zu einem gepfefferten Verriss verlocken wie die lang erwartete Adaption von Stephen Kings Magnum Opus. Tatsächlich dürfte die einzige King-Verfilmung, in der es noch weniger von der ursprünglichen Romanvorlage auf die Leinwand geschafft hat das Schwarzenegger-Vehikel „Running Man“ sein, denn Regisseur Nikolaj Arcel erweist sich gewissermaßen als Antithese zu Peter Jackson: wo Jackson kleine Bücher über kleine Hobbits zu einer neunstündigen Trilogie aufbläst, geht Arcel den umgekehrten Weg und dampft 7 (bzw. 8 wenn man „The Wind in the Keyhole“ noch hinzrechnet) schwergewichtige Wälzer auf ein Mindestmaß von unter 90 Minuten ein. Selbst bei einem teils recht geschwätzigen Autor wie King, dem man gerne mal einen Zettel mit Sprüchen wie „in der Kürze liegt die Würze“ zustecken würde, ist das Resultat darum auch mit viel Wohlwollen nur noch als Schriftfrevel zu bezeichnen. Aber bleiben wir einmal fair. Ist „Werktreue“ nicht ein reichlich veralteter Begriff? Wer sich einmal eine „Faust“-Inszenierung von beispielsweise Christoph Marthaler angesehen hat (also die Sorte Theater, in der fünf verschiedene Darstellerinnen als Gretchen herumwuseln und zwischendurch auch mal einen Satz von Goethe sprechen), oder eine „Emilia Galotti“, in der irgendwelche Leute in einem Pool herumplantschen oder auf ihr Taschentuch onanieren, der weiß, dass man sich gehörig lächerlich macht, wenn man mit dem Reclam dasitzt und versucht, mitzulesen. Also vergessen wir mal brav alles, was wir bei Onkel Stephen so über Revolvermänner, Mittwelt, Scharlachrote Könige, etc. gelesen haben und tun wir so, als ob der Film ein eigenständiges Werk wäre, das sich ganz im Stil des experimentellen Regietheaters bestenfalls auf einige Motive aus dem königlichen Fundus stützt. Geht natürlich nicht, man sieht das Endprodukt und weiß nicht, ob man kotzen soll. Man fühlt sich verarscht, abgezockt, um eine großartige Geschichte betrogen, beinahe beschmutzt. Aber - war das vermutlich die Intention der Filmemacher? Man beachte hierzu die ersten Minuten: spielende Kinder, allem Anschein nach irgendwo im amerikanischen Suburbia. Gestört wird das friedliche Bild durch einige eher finster wirkende Aufpasser, bei denen die Gesichtshaut nicht richtig sitzt. Schließlich ertönt ein Alarmsignal und die ganze Szenerie erweist sich als Fassade, denn die Kids sind in einem futuristischen Lager gefangen und werden zu schlimmen Dingen gezwungen (vermutlich müssen sie in Dauerschleife „The Dark Tower“ anschauen). Zuletzt erweisen sich die wenig anheimelnden Vorgänge (vorerst) als Alptraum des Jungen Jake Chambers. Damit ist im Grunde genommen bereits die gesamte Bauart des Turms klar, denn ähnlich wie im Film schichtweise die Bilder als Inszenierungen, Maskerade, Mummenschanz erkennbar werden macht Arcel deutlich, dass er den kingschen Text gewissermaßen schrittweise seziert bis das Skelett offenliegt. Dazu passt sehr gut, dass die vom bösen Mann in Schwarz (Matthew McConaguhey) gefangenen Kinder mit irgendwelchen Geisteskräften den Dunklen Turm zerstören sollen, der im Zentrum des Universums für Stabilität sorgt und schon bedenklich bröckelt. Nichts anderes macht Arcel – er pulverisiert die zentrale Achse im King-Kosmos und spielt mit einigen Splittern und rudimentären Fragmenten herum, ohne aus den Trümmern eine auch nur ansatzweise funktionierende Welt zu errichten. Stattdessen bleibt das Ganze eine seltsame Mischung aus Motiven von Western, Endzeitfilm und einem kleinen Schuss Horror, wie sie sich kleine Jungs mit großer aber uneigenständig bleibender Fantasie in langweiligen Schulstunden zusammenspinnen (spaßige Anmerkung: würde ich aufschreiben was mir im Physikunterricht so alles durch den Kopf gegangen ist, käme wohl etwas ähnlich Wirres heraus, nur mit mehr Blut und Uniformfetisch). Im Grunde genommen hat der kleine Jake nämlich einfach nur nicht verdaut, dass sein Vater, ein Feuerwehrmann, bei einem Brand ums Leben kam, und seine Taktik, dieses schon zigmal filmisch aufgewärmte Trauma zu verarbeiten, besteht nun darin, dass er sich die finale Konfrontation von Gut und Böse herbeifabuliert. Also den Mann in Schwarz und den Revolvermann Roland (Idris Elba), die wie zahllose mythologische Gegensatzpaare im Grunde genommen lediglich zwei Seiten seiner Persönlichkeit darstellen, nämlich Destruktivität und Ordnung. Die Ordnung ist durch den kultigen Satz „Du hast das Angesicht deines Vaters vergessen“ (Oh ja, Arcel, DAS hast du!) mehr als eindeutig an den verstorbenen Vater gekoppelt, ebenso wie das Chaos (Dunkelheit und Flammen) mit seinem Tod zu tun hat – was dem prinzipiell als denkfaul eingestuften Publikum netterweise sogar von einem Psychologen erklärt wird, zu dem ich nichtmal dann gehen würde, wenn sich meine fünf multiplen Persönlichkeiten gegen mich verbündet hätten. Und bezeichnenderweise darf der Mann in Schwarz später auch noch Jacks ungeliebten Ersatzvater entsorgen, womit die kindisch-kindliche Wunscherfüllung komplett wird. Naja, Muttern ergeht es nicht besser, aber wenn schon ödipale Dramen, dann wenigstens mit der groben Kelle! Jedenfalls beginnt dank der knappen Laufzeit auch schon bald die Dimensionshopserei mittels Teleporter, Jake muss den etwas schlapp und rachsüchtig gewordenen Revolvermann wieder auf die richtige Spur bringen und wird im Gegenzug von diesem ausgebildet, danach gibt es endlich noch ein wenig Ballerei und schon ist die Show schneller vorbei als die unvorhergesehene Gesellschaft beim Herrn Beutlin (wenn ich mich recht entsinne hat man im Auenland nach 80 Minuten gerade das zweite Lied vom Einsamen Berg angestimmt oder so). Mit großangelegter Epik oder gar einfühlsamen Charakterstudien ist demnach schon mal Essig, es bleibt nur noch die Frage offen, ob der Film nicht doch noch mehr kann, als jeden King-Fan durch die Offenlegung der in ihrem Kern tatsächlich reichlich pubertär anmutenden Grundlage, auf der die großartige metaphysische Heldenreise Rolands aufgebaut wurde, anzupissen. Das ist mit einem Jein zu beantworten. MacConaughey ist ein charismatischer Bösewicht, Idris Elba ein überzeugend brummiger Held, es gibt eine Menge Anspielungen auf andere King-Romane und an den Actionszenen kann man auch nicht wirklich rummäkeln, denn Roland ist schnell und wenn er endlich mit seinen aus dem Stahl von Excalibur geschmiedeten Revolvern loslegt ist das ziemlich ansehnlich (auch wenn man sich heimlich wünscht, John Woo oder wenigstens einer seiner Epigonen hätten die Finger am Abzug gehabt). Leider entwickelt Arcel jedoch keinen eigenständigen visuellen Stil, die Aufnahmen vom Dunklen Turm könnten auch aus „Lord of the Rings“ oder einem beliebigen anderen Fantasy-Film stammen, ebenso wie die komplette Mittwelt in ihrer Summe austauschbar bleibt. Selbst die Filmmusik beschränkt sich auf eher belanglos bleibende Untermalung ohne einprägsame Höhepunkte – wenn man einmal vergleicht, welche Klasse Basil Poledouris der Seagal-Klopperei „On Deadly Ground“ verliehen hat wäre Roland jedenfalls ein düster-bombastischer Score oder wenigstens das eine oder andere Leitmotiv statt dieser 08/15-Lautsuppe zu wünschen gewesen. In Summe ist der Dunkle Turm somit Ground Zero, destruktive Filmkunst von ihrer schlechtesten Seite, ein in jeder Hinsicht belangloser, dabei aber wenigstens kurzweiliger Film, der belegt, dass am Ende eben doch immer Randall Flagg gewinnt. Der hätte vermutlich einen ebenso teuflischen Spaß an den langen Gesichtern der begeisterten Leser gehabt wie an den verdutzten Fragezeichen auf den Köpfen all jener, die darüber nachgrübelten, weshalb ein solch dünnes Geschichtchen einen derartigen Kultstatus genießt. Lest die Bücher! Alexander
|