(USA 2017) Regie: Denis Villeneuve Kamera: Roger Deakins Musik: Hans Zimmer, Benjamin Wallfisch Darsteller: Harrison Ford, Ryan Gosling, Jared Leto, Ana de Armas Drehbuch: Hampton Fancher, Michael Green
Blade Runner 2049, Fahles Feuer und warum der Glaube den Menschen macht.
„A system of cells interlinked within
Vladimir Nabokovs 1962 erschienener Roman „Fahles Feuer“ ist eines der bemerkenswertesten Bücher der letzten hundert Jahre. Geschrieben in Form von Kommentierungen, durch den fiktiven Editor Charles Kinbote, und dem eigentlichen, ebenfalls metafiktional durch den „Autoren“ John Shade verfassten, Gedicht „Pale Fire“. Obenstehendes Zitat aus besagten Gedicht, lässt sich auch in Blade Runner als Teil des sogenannten Base Line Tests, welcher die „Funktionalität“ moderner Replikanten auf etwaigen einsatzgefährdenden Individualismus testen soll, wiederfinden. Um die Bedeutung dieses Direktzitats im Subtext des Films feststellen zu können, müssen wir uns freilich eingehender mit dem Gedicht selber befassen. Bei einer Länge von 999 Zeilen (Der „Editor“ Charles Kinbote mutmaßt im Roman selbst, es würde dem Gedicht nur eine einzige Zeile fehlen.) handelt es sich hier um ein wirklich monumentales Gedicht. Nabokov zeichnet in dem Text nahezu den gesamten Lebensweg seines Avatars Shade nach. Im Laufe von Shades Ausführungen lernen wir, dass Ihm bereits sehr jung ein Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des gelernten Religionsdogmas befiel. „There was a time in my demented youth There was the day when I began to doubt In Folge dessen entwickelt Shade eine lebenslange Obsession mit dem Leben nach dem Tod. Halb getrieben aus Neugierde und halb aus purer Angst, befasst er sich mit beinahe jeder bekannten Weltreligion. Er beobachtet Verwandte, wie Sie an Demenz verenden. Seine langjährige Ehe nährt, wie alle anderen Faktoren, ebenfalls seine morbide Philosophie. „We have been married forty years. At least Nachdem Shades Tochter in einer Eisfläche einbricht und ertrinkt, verliert er sich noch kurze Zeit in okkulten Hoffnungen, bevor er den scheinbar endgültigen Schluss der Sinnlosigkeit erreicht. „That tasteless venture helped me in a way. Gegen Mitte des dritten Canto ist Shade der festen Überzeugung, dass es kein Leben nach dem Tod geben kann. Erst ein Herzinfarkt während eines Vortrages, lässt in Ihm einen neuen Optimismus gebären. Während seiner Bewusstlosigkeit hat Shade eine vivide Vision einer Existenz nach dem Tod, deren Kernstück durch die bereits zitierte White Fountain gestellt wird. Sein kleiner Funke Hoffnung entzündet sich zu einem Flammenmeer, als die Schilderungen einer gewissen Mrs. Z, welche ebenfalls eine Nahtoderfahrung hinter sich hatte, in einer Zeitung liest. „It was a story in a magazine She told her interviewer of "The Land Mr. Z hat ebenfalls einen weißen Brunnen gesehen. Die einzige mögliche Erklärung für diesen Umstand kann eigentlich nur sein, dass beide an der selben Schwelle zum Himmelstor standen. Beflügelt von dieser unerwarteten Entwicklung macht sich Shade auf den Weg, um die besagte Mrs. Z ausfindig zu machen. Als er sie findet, entpuppt Sie sich allerdings nicht als die verwandte Seele, für die Shade Sie eigentlich gehalten hatte. Zu simpel ist Ihre Wahrnehmung der Welt. Schlimmer noch, es stellt sich heraus, dass sich im Druck des glücklichen Zeitungsartikels ein Fehler eingeschlichen hatte. "I also called on Coates. Nicht das es eine große Bedeutung hätte, ob dort nun „Fountain“ oder „Mountain“ stand. Was uns zurück zu Blade Runner 2049 bringt. Natürlich ist die Verwendung der White Fountain im Basis Test kein Zufall. Betrachtet man die reine Grundstory des Films, dann sind einige Ähnlichkeiten zwischen den falschen Wahrnehmungen von Shade und Joe ziemlich offensichtlich. Doch was will man uns damit sagen? Blade Runner 2049 stellt sich, ähnlich seinem Vorgänger, als Film in der Hauptsache die Frage, was uns eigentlich zu Menschen macht? Sind wir wirklich mehr als dieser Klumpen aus Fleisch und DNA? Und wenn wir mehr sind als unsere Materie, was sind wir dann überhaupt? Denis Villeunves Film sieht unsere eigene Einzigartigkeit in einer besonderen Fähigkeit unseres Bewusstseins. Namentlich in der Fähigkeit zu glauben. Ist Joe zwar zuerst, ähnlich wie Shade in Pale Fire, von einem puren Wissensdurst getrieben, driftet er bald vom faktisch Belegbaren in das Glauben und Vermuten ab. Interessanter Weise stellt der Film diesen Prozess nicht zwingend als einen negativen Vorgang heraus. Joe's handeln und fühlen wird durch seine Hoffnung enorm aufgewertet. Natürlich bricht es ihn, dass er letztlich doch nicht der Geborene ist. Aber seine Reise, sein Wachstum und Verständnis, macht Ihn individuell. Glauben und Hoffnungen, nicht nur im Sinne der Religion, sind der Antrieb aller menschlichen Entwicklung. Dieses Wissen findet sich übrigens auch unterbewusst in unserem alltäglichen Sprachgebrauch. „Ich glaube das ist eine gute Idee“ - „Hoffentlich funktioniert das“ - „Ich glaube ich möchte Sie heiraten.“ Das eine besondere Attribut im Menschen, laut Blade Runner 2049, ist also seine Fähigkeit zu glauben und zu hoffen. Etwas zu wagen obwohl man keinerlei Ahnung hat, ob eine Unternehmung überhaupt eine Chance auf Erfolg hat. Oder Etwas dummes und wagemutiges aus Liebe zu tun. (Siehe auch Joi) Und genau deshalb zitiert der Basis Test Pale Fire. Solange das essentielle Motiv einer unbekannten Hoffnung, in Form des weißen Brunnens, keinerlei Bedeutung für die Replikanten hat, solange sind Sie nicht als Menschen zu definieren. Trashbox
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