(USA 2016) Puls
Regie: Tod Williams Drehbuch: Stephen King, Adam Alleca Darsteller: John Cusack, Samuel L. Jackson, Isabelle Fuhrman, Stacy Keach Smombies sind ja (zumindest in Deutschland, wo man in Sachen moderner Telekommunikation grundsätzlich immer ein wenig langsamer ist als anderswo) eigentlich noch ein recht neuartiges Phänomen. Doch bereits 2006 – also rund ein Jahr bevor das erste iPhone auf den Markt kam – machte sich Stephen King seine fortschrittsskeptischen, teils schwarzhumorigen Gedanken über die immer weiter umsich greifende Handy-Seuche und verknüpfte diese mit dem eher konventionellen Plot einer Zombie-Epidemie. Fertig war der Roman „Cell“, der mit etwas mehr als 500 Seiten zu den kürzeren Werken des Königs zu rechnen ist. Er bot launig-temporeiche Unterhaltung mit einem Ende, das viele Leser verärgerte (manche müssen eben alles explizit ausbuchstabiert haben…). Und da Stephen King nach wie vor eine Marke ist, stand auch schon bald fest, dass Eli Roth das Ganze verfilmen sollte – doch es kam anders. Nach viel Hin und Her durfte schließlich Tod Williams („Paranormal Activity 2“) auf dem Regiestuhl platznehmen, mit John Cusack und Samuel L. Jackson gleich zwei King-erfahrene Schauspieler vor der Kamera versammeln (beide waren bereits in „1408“ zu sehen, Cusack außerdem auch in „Stand By Me“) und obendrein bastelte Onkel Steve persönlich am Drehbuch mit, um seinen Fans einen zufriedenstellenderen Schluss zu liefern. Was konnte da schon schiefgehen? Nun, leider eine ganze Menge. Wenn ein Film bereits 2014 fertig ist und es dann doch bis 2016 dauert, bis ihn endlich jemand zu sehen bekommt, das Werk nur in wenigen Kinos gezeigt wird um anschließend bei den Streamingdiensten zu landen und die beteiligten Produktionsfirmen ohnehin nur finanzielle Rohrkrepierer im Programm haben, spricht das eine deutliche Sprache: entweder hat man es dann mit einem verkannten Meisterstück zu tun oder aber (in den meisten Fällen und auch in diesem speziellen) das Projekt wurde schlicht und einfach vermurkst. Dabei ist der Auftakt noch ziemlich ansehnlich geraten. Der Comiczeichner Clay (Cusack) hat gerade einen Erfolg eingeheimst, zwischen ihm um seiner Frau kommt es nach einer längeren Trennungsphase wieder zu zögerlichen Annäherungen, er freut sich darauf, seinen Sohn wiederzusehen und steht frohgemut am Flughafen – als plötzlich jeder ausrastet, der gerade ein Telefon am Ohr hatte. Und da sehr viele Leute sehr viel mit dem Handy herumspielen, wimmelt es plötzlich vor schäumenden Verrückten damit die muntere Abschlachterei im Stile einschlägiger Zombieschinken beginnen kann. Verantwortlich für das Schlamassel ist ein merkwürdiges Signal, das über das Telefonnetz ausgestrahlt wird. Dieser „Puls“ (so der deutsche Titel) bewirkt allerdings nicht einfach eine simple Löschung des Gehirns, so dass Aggressivität und anderen für gewöhnlich durch soziale Prägung eingedämmten atavistischen Neigungen eine freie Bahn gebrochen wird, sondern eine Art Reset, der eine grundlegende Neukonfiguration ermöglicht, denn die „Phoner“-Zombies vernetzen sich im weiteren Verlauf des Films psychisch miteinander, so dass letztlich eine entpersonalisierte Schwarmintelligenz im Wortsinne entsteht. Doch so aktuell die Fragen danach, was mit unserem Verstand passiert, wenn wir online sind, nach Chancen und Risiken kollektiver Intelligenz (Stichwort Wikipedia) und nach der Rolle des Individuums innerhalb der globalen Vernetzung auch sein mögen, muss man einfach feststellen, dass der Film „Cell“ mit diesem Thema nicht nur ziemliche Verspätung hat (zumindest wenn man sich noch an „The Matrix“ erinnern kann), sondern obendrein alles nur kurz in Stichworten anreißt ohne wirklich in die Tiefe zu gehen. Einem apokalyptischen Horrorfilm ist das zwar nachzusehen, denn einen fundierten Kommentar zu den Theorien eines Francis Heylighen (den ich ganz im Sinne der Schwarmintelligenz vorhin aus der Wikipedia gezogen habe) erwartet wohl nur der sehr sophisticated Filmgucker, doch macht „Cell“ nach den intensiven ersten Minuten den gravierenden Fehler, mehr sein zu wollen als lediglich ein weiteres Zombiespektakel mit einem allerdings bemerkenswert ungewöhnlichen, keineswegs reizlosen Aufhänger. Stattdessen lässt das Tempo merklich nach, Cusack tut sich mit Samuel L. Jackson zusammen, um herauszufinden, ob sein Sohn nun zu den Phonern gehört oder vielleicht doch Glück hatte, man wandert durch das herbstliche Neuengland, killt ab und an einige der Phoner, trifft auf einige neue, belanglos bleibende Figuren, und Rezensent Alex greift derweil zu seiner Darth-Vader-Kaffeetasse, um nicht vollends wegzuknäcken. Es tut mir sehr leid, wenn ich entgegen meiner Gewohnheit einmal völlig subjektiv festhalten muss, dass mir selten das Schicksal der Hauptfiguren so dermaßen hinten vorbeiging wie in „Cell“. Cusack wirkt gelangweilt, Jackson erst recht, die Hintergründe ihrer Figuren bleiben Klischees aus dem Plotbaukasten (kaputte Ehe hier, Vietnamtrauma dort…); daneben wirkt die Trotteltruppe aus Bruno Matteis „Virus“ geradezu vielschichtig, zumal dieser Murks obendrein wenigstens noch durch unfreiwillige Komik bei Laune hält. Selbige stellt sich in „Cell“ allerdings ebenfalls nicht ein, zwar wirken manche CGI-Effekte eher bescheiden (das Budget war nicht sonderlich groß und vermutlich zu schnell verbraten, weshalb insbesondere der Showdown des Films im Vergleich zum Buch unangenehm unspektakulär ausfällt), insgesamt ist die Inszenierung aber auf genau dem fatalen Mittelprachtniveau anzusiedeln, das den Bildern jeglichen Unterhaltungswert austreibt So quält sich „Cell“ von einem langweiligen Schauplatz zum nächsten und obwohl wie bereits erwähnt King selbst am Drehbuch mitwirkte, ergibt diese Odyssee durch das verwüstete Amerika nicht einmal mehr einen tieferen Sinn, stattdessen ist alles so vage gehalten, dass das Geschehen keine Lust auf mögliche Interpretationen macht, sondern in seiner Summe beliebig und darum unbeholfen wirkt. Beispielsweise gibt es da einen finsteren Oberphoner, den „raggedy man“ in einem roten Hoody, der den Protagonisten üble Alpträume beschert und scheinbar aus den Comics von Clay zu stammen scheint – doch wozu/weshalb/warum? Der Kerl hat seinen ersten Auftritt nicht nur viel zu spät, er wirkt auch nicht gerade wie die zentrale Schurkenfigur. Stattdessen ist er einfach nur da, vermutlich, weil die Figur nun mal im Buch vorkam. Anstatt dann aber wenigstens brav die rund 500 Seiten auf 90 Minuten herunterzubrechen und gewissermaßen eine bewegte Illustration zum königlichen Schriftgut zu liefern, ändert Tod Williams auch noch eine ganze Menge ab was im Roman funktionierte, und ersetzt es durch teils sehr merkwürdige Neukreationen. Unter anderem bekommt man so im Grunde genommen gleich drei mögliche Enden serviert (die eigentliche Auflösung ist dabei deutlich pessimistischer als noch 2006, da man sich dem kultischen Tanz um den Funkmast inzwischen sowieso nicht mehr entziehen kann), die nicht wesentlich besser ausfallen als die vielkritisierten Schluss-Sätze des Romans, in Kombination mit dem größtenteils optisch biederen Rest aber auch nicht für die erhoffte künstlerische Note oder gar ein Mindfuck-Erlebnis sorgen. So gesehen kann man es nur noch als verkrampften Versuch der Macher bezeichnen, wenn nach dem Abspann noch einmal das unangenehme Puls-Signal aus den Boxen ertönt, denn mit halbwegs ordentlichem Sounddesign alleine gewinnt man die Gunst des Publikums schlicht und einfach nicht. Der bemerkenswerte Satz „Alpträume verschwinden nicht, sie werden nur erwachsener“ ist angesichts des Gesamteindrucks, den „Cell“ bei mir hinterlassen hat jedenfalls dahingehend zu ergänzen, dass Alpträume zuweilen sogar ganz schön fade sein können. Auch wenn sie vielversprechend anfangen und auf einem Roman basieren, das zwar nicht gerade zu Kings Meisterwerken zählt, aber trotz des Umfangs zu fesseln vermochte. Alexander
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