Frankenstein schuf ein Weib (GB 1967)
Regie: Terence Fisher Drehbuch: Anthony Hinds Darsteller: Peter Cushing, Susan Denberg, Robert Morris
Für den vierten Frankenstein-Film aus dem Hause Hammer kehrte Terence Fisher wieder zur Reihe zurück, nachdem Freddie Francis mit „The Evil of Frankenstein“ eine Art loses Remake von Fisher’s „The Curse of Frankenstein“ gedreht hatte, das sich nicht so ganz in die Kontinuität der Serie einfügen wollte. Für Fisher war das von Vorteil, denn so konnte er sich der Geschichte um den modernen Prometheus sehr frei annähern und einen im Grunde genommen völlig eigenständigen Film abliefern, dessen einziges Bindeglied zu den Vorgängern Peter Cushing in der Titelrolle darstellt. Diesmal werkelt der Herr Doktor in einem ungenannten Land herum, in dem die Leute deutsche Namen tragen (findige Beobachter haben auf einer Kutsche das Wappen des Kantons Bern entdeckt), als sein Adlatus fungiert der etwas vertrottelte Dr. Hertz (Thorley Walters) und der Knecht Hans vervollständigt das Trio. Ungewöhnlich für einen Frankenstein-Film ist dabei, dass Hans zur eigentlichen Hauptfigur in „Frankenstein Created Women“ wird, wohingegen die mad-scientist-Thematik über weite Strecken in den Hintergrund tritt bzw. als Alibi für den Kern der Erzählung funktioniert. Hans ist jedenfalls der Sohn eines hingerichteten Mörders – der Prolog noch vor den Credits zeigt, dass er als Kind Zeuge der Guillotinierung wurde, wodurch eine ausreichende Traumatisierung sichergestellt ist – und in die nicht ganz so hübsche Tochter des Wirts (Susan Denberg) verknallt. Das heißt, natürlich ist Susan Denberg hübsch, aber die von ihr gespielte Christina verbirgt eine durch ein Feuermal entstellte Gesichtshälfte hinter ihren Haaren und durch eine versteifte Hüfte fallen ihre Bewegungen ebenfalls nicht gerade anmutig aus. So ist es nur folgerichtig, dass sich drei versnobte Dandys der Marke „Mein Vater hat Geld“ einen Jux daraus machen, Christina herumzuschikanieren, was wiederum Hans mächtig auf die Palme bringt. Zu allem Unglück erschlagen die drei Gecken schließlich auch noch den Wirt, nachdem sie dieser beim Einbruch in sein Gasthaus erwischt hat. Und für die wie gewohnt geistig eher unflexiblen Behörden ist der Fall klar: Wie der Vater so der Sohn, der Mörder kann nur Hans sein, weshalb er nach einer Farce von Gerichtsverhandlung ebenfalls einen Kopf kürzer gemacht wird. Die erschütterte Christina hingegen ertränkt sich. Nach dieser langen Einleitung wird nun endlich der Herr Doktor aktiv: bei seinem Experiment, das vorsieht, die Seele bzw. die Lebensenergie eines Menschen zu konservieren und in einen neuen Körper zu verpflanzen, kommen ihm zwei Leichen gerade recht, weshalb er kurzerhand aus Hänsel eine Gretel macht bzw. die Seele von Hans in den Körper von Christina transferiert. Und weil solche Anmaßungen nicht ohne Komplikationen vonstatten zu gehen pflegen, startet die so geschaffene Hänselgretel schon bald einen gnadenlosen Rachefeldzug. Obwohl der Geschlechtertausch im später entstandenen „Dr. Jekyll and Sister Hyde“ noch eine Nummer expliziter durchgespielt wird, ist es bemerkenswert, wie aktuell „Frankenstein Created Women“ im Zeitalter des Gendermainstreaming anmutet, geht es im Kern doch um nichts anderes als die Frage, inwieweit Rollenverhalten vererbt oder nur durch gesellschaftliche Konditionierung anerzogen wird. Zwar ist Hans kein Mörder, aber die Gesellschaft treibt ihn aufgrund seines Vaters in diese Rolle, die er schließlich als metaphysische Drag-Queen im inzwischen von Frankenstein korrigierten Körper von Christina ausleben kann. Die „neue“ Christina ist nämlich nicht mehr entstellt, zwischenzeitlich erblondet und nutzt ihr gutes Aussehen dazu, ihre Opfer vor dem Kaltmachen ordentlich aufzuheizen. Dass es ihre Peiniger von einst trifft, verleiht dem Ganzen aber auch den Doppelsinn einer Rache des zum Schwan gewordenen hässlichen Entleins, das nun endlich die Rolle der femme fatale einnehmen kann, die ihr früher versagt blieb. Für Frankenstein selbst bleibt das alles bis zum Ende jedoch lediglich eine medizinische Versuchsanordnung. Der ohnehin sehr asketisch wirkende Cushing bleibt klinisch distanziert, anders als die drei Snobs mit ihren Zylindern und Spazierstöcken wirkt er aber in keiner Sekunde lächerlich, stattdessen spielt sein Frankenstein die (Geschlechter-)Rolle, für die er sich entschieden hat, mit voller Überzeugung. Bereits in seiner ersten Szene bringt sich Frankenstein gewissermaßen selbst zur Welt, als ihn Hans und Dr. Hertz nach einer Stunde aus einem Tiefkühlfach holen, was ihn zur einzigen Figur macht, die ihren persönlichen Entwurf von gender voll im Griff hat. Darum erliegt er auch in einer deutlich erotisch angehauchten Untersuchungsszene nicht den weiblichen Reizen der von ihm erschaffenen „neuen“ Christina – obwohl es ihn sichtliche Anstrengung kostet, nicht seinem Trieb nachzugeben, ist Frankenstein zu sehr Kopfmensch und Idealist, um beim Anblick wohlgeformter Frauenbeine schwach zu werden. Seine Distanz von der Natur und damit vom „Gewöhnlichen“ (u. a. besteht er trotz knapper Kasse auf eine Flasche Champagner) geht sogar so weit, dass er stets schwarze Handschuhe trägt und alle anfallenden Arbeiten von Dr. Hertz ausführen lässt. Das ist nicht nur einfach die distinguierte Pose eines kauzigen Barons, sondern gelebte Rebellion gegen das Naturgesetz bzw. die göttliche Ordnung, die besagt, dass der Mensch sterblich ist. Bei den drei Zylindertrotteln hingegen bleibt es bei ebendieser (deutlich zu hoch gegriffenen) Pose, ihnen fehlt es im Vergleich zu Frankenstein sowohl an der Kompetenz – außer Rauchen, Saufen und Frauenbelästigen haben sie mal gar nichts drauf – als auch an der Selbstdisziplin. Hans-Christina hingegen scheitern vollends an ihrer Sexualkonfusion bzw. daran, dass sie ihre Prädestination als Mörder bzw. als Geschöpf gar nicht erst in Frage stellen. Bei Frankenstein hingegen sind Innen und Außen bzw. der Anspruch auf Souveränität und das entsprechende Auftreten in nahezu perfekter Balance. Und wenn er am Ende ein wenig geknickt aus dem Bild geht, dann bestenfalls deshalb, weil sein Experiment nicht vollumfänglich gelungen ist. Die Fortsetzung (die 1969 unter dem Titel „Frankenstein Must Be Destroyed“ dann auch kam) ist jedenfalls vorprogrammiert, denn so ein Charakter gibt nach eher unbedeutenden Rückschlägen nicht einfach auf. Aufgegeben hat stattdessen Susan Denberg. Nach einem Start als Playmate des Monats und einem Auftritt in einer „Star Trek“-Episode war ihre Leistung als von Frankenstein geschaffenes Weib (das strenggenommen keines war) durchaus zufriedenstellend, allerdings zog sie sich danach aus der Öffentlichkeit zurück und es wurde sogar von ihrem Selbstmord gemunkelt.[1] Zwar lebt sie glücklicherweise auch heute noch, aber auf der Leinwand sollte man sie nicht mehr sehen. Den Großmoff Cushing habe ich bereits ausführlich gelobt, bleibt noch, auf den Rest von „Frankenstein Created Woman“ (der Titel ist übrigens eine überdeutliche Anspielung auf „And God Created Woman“ von Roger Vadim und unterstreicht den prometheischen Anspruch auf die asexuelle Schöpferrolle Frankensteins treffend) einzugehen: ob er tatsächlich der beste Frankenstein aus den Hammer-Studios ist, muss wohl jeder selbst entscheiden, allerdings wurde er hervorragend in Szene gesetzt. Ausstattung und Kostüme sind wie gewohnt vorzüglich und die über allem stehende Guillotine (bevorzugt aus der Froschperspektive gefilmt) verleiht dem Film von Anfang an eine bedrückende Atmosphäre. Doch Fisher inszeniert auch die kleineren Nebensächlichkeiten mit Blick fürs Detail, beispielsweise springt die „alte“ Christina von einer Brücke in ein stilles Gewässer, die „neue“ hingegen hat eine wichtige Szene am Rande eines Abgrunds, unter dem ein reißender Fluss tobt, was die innere Ruhe vor bzw. den emotionalen Aufruhr nach dem Geschlechtertausch im Schatten des Schafotts passend unterstreicht. Gleichzeitig findet Fisher auch die richtige Balance zwischen ernsthaftem Drama, stillem Humor und einigen für die damalige Zeit grotesk überspitzten Szenen. Dass sich Christina mit dem ausgebuddelten Kopf von Hans unterhält hätte man sich beinahe sogar schenken können, ihre Persönlichkeitsspaltung wird auch ohne dieses Zugeständnis an den Horror deutlich, aber ein Frankenstein ohne Leichenteile wäre ja auch irgendwie öde. Die DVD von Anolis bietet den Film in gewohnt guter Qualität, als Bonus gibt es noch eine rund halbstündige Dokumentation, einige Trailer und ein informatives Booklet, allerdings sind die Preise inzwischen ziemlich gesalzen, so dass man vielleicht bis zu einer Neuveröffentlichung auf Bluray warten sollte. Verdient hätte sie der weiberschaffende Frankenstein auf jeden Fall, denn der Film ist weit mehr als eine Produktion „zwischen Horror und Nonsens“.[2] Alexander
[1] Unter anderem in „Die 100 besten Horrorfilme“ von Hans Schifferle. [2] https://www.zweitausendeins.de/filmlexikon/?sucheNach=titel&wert=25174
|