nightmare01satanquer 

GB 1964

ab 24. November als Mediabook von ANOLIS

Regie: Freddie Francis

Buch: Jimmy Sangster

Musik: Don Banks

Darsteller: Jennie Linden, David Knight, Moira Redmond, Irene Richmond

 

Ahhh, Psychothriller – ein Untergenre des Horrorfilms, deutlich namentlich geprägt von Alfred Hitchcocks Klassiker „Psycho“ (1960), definitiv aber begründet auf dem internationalen Erfolg des französischen Grusel-Meisterwerks „Les Diaboliques“ (1955), der viele Grundzüge dessen, was in den Folgejahren schon fast zum Klischee wurde bereits vorweisen konnte. Die beiden „teuflischen“ Frauen in dem von Henri-Georges Clouzot inszenierten schwarz-weiß-Film, gespielt von Simone Signoret und Véra Clouzot, sind nämlich Frau und Geliebte eines wirklichen Unsympathen und tun sich zusammen um ihn zu beseitigen. Nach der Entsorgung der Leiche verschwindet selbige aber wieder - das Opfer scheint tatsächlich noch zu leben und taucht immer wieder auf, was die beiden Damen in – um es mal nett auszudrücken – tiefste geistige Verwirrung stürzt.

Psychologischer Terror an Stelle der üblichen Monster war danach die Devise.

nightmare03Sicherlich setzte Hitchcock mit seinem sympathischen Verstörten Norman Bates noch einen drauf, aber es war schon sehr deutlich, dass er sich von dem französischen Vorgänger hatte inspirieren lassen – nicht zuletzt dadurch, dass der damals schon als Kassenmagnet bekannte Hitch, den Film mit seiner TV-Crew und in schwarz-weiß inszenierte.

In den Folgejahren sprangen somit viele Regisseure und Studios auf den Zug auf, Filme wie William Castles „Homicidal“ (1961), Francis Ford Coppolas „Dementia 13“ (1963) oder der Kultfilm „Carnival of Souls“ (1962) präsentierten gebrochene Charaktere, die entweder durch ihre sexuelle Veranlagung, ihre Taten oder einfach dadurch, dass sie bereits tot waren seelische Höllenqualen durchleiden mussten.

So war es dann auch kein Wunder, dass auch in den Hammer Studios der Wahnsinn tobte und man dort in kurzer Folge einige „Psychos“ produzierte. „Taste of Fear“ (1961), „Paranoiac“ (1962) und der hier zu besprechende „Nightmare“ (1964) wurden von Hammer-Stammautor Jimmy Sangster geschrieben, der dadurch versuchte von seinem Image als „Jimmy – Frankenstein – Sangster“ wegzukommen. Auch den Studios selbst war diese Distanzierung durchaus recht, ließen sich diese kleinen Filme – den Vorbildern entsprechend – preisgünstig in schwarz-weiß produzieren, erforderten deutlich geringeren Aufwand in Sachen Spezialeffekte und optischen Tricks und kamen, dadurch dass sie im „Hier und Jetzt“ spielten, auch ohne aufwendige Kostüme und nebelumwaberte Schlösser aus.

nightmare06Dementsprechend wurde „Nightmare“, der hier in Deutschland in einer wirklich tollen Aktion (mehr dazu in den Extras dieser Veröffentlichung) den schicken Namen „Der Satan mit den langen Wimpern“ verpasst bekam, auch bereits im Winter 1962/63 gedreht, ein halbes Jahr lang als B-Film eines Doppel-Features mit „The Evil of Frankenstein“ vermarktet und erst im Jahr 1964 als eigenständiger Film aufgeführt.

Als Regisseur wurde Freddie Francis verpflichtet, der bereits als Kameramann mit einem Oscar ausgezeichnet worden war und sich bei Hammer auch zu einem herausragenden Regisseur entwickelte. In späteren Jahren kehrte er wieder zur Kamerarbeit zurück und war unter anderem für die Bebilderung von David Lynchs „The Elephant Man“ (immer noch mein Lieblings schwarz-weiss-Film) und Martin Scorceses „Cape Fear“-Remake zuständig.

nightmare02Die Geschichte von „Nightmare“ bewegt sich – zumindest in der ersten Hälfte – in den genretypischen Bahnen. Die siebzehnjährige Janet (Jennie Linden in einer großartigen Debut-Performance) lebt in einem Internat und wird immer wieder von grauseligen Alpträumen geschüttelt, in denen sie ihrer im Irrenhaus (so nannte man das damals noch) weggesperrten Mutter begegnet, die ihr klar machen will, dass Janet ebenso einen leichten Schaden weg hat. Da Janets Erwachen jeweils den gesamte Schlafsaal in Aufruhr versetzt, beschließt man recht schnell, sie wieder nach Hause in ihr einsames Landhaus zu bringen. Hier erfahren wir auch den Hintergrund ihrer bösen Träume, hat sie doch im Alter von gerade mal 11 Jahren ihre Mutter dabei beobachtet, wie diese sich mittels eines langen Messers eine recht schnelle Scheidung organisiert hat. Janet selbst ist zwar die Erbin des großen Anwesens und hat einige Bedienstete, hat aber – bedingt durch ihr Alter – noch den schmierig erscheinenden Rechtsanwalt Henry Baxter (David Knight) als Vormund zugeordnet bekommen.

Doch auch in der gewohnten Umgebung reissen die bösen Träume nicht ab, ganz im Gegenteil wird die arme Janet nun auch noch von einer seltsamen Frau mit einer auffälligen Gesichtsnarbe verfolgt und findet im großen Landhaus immer wieder Leute, die als Messerblock missbraucht wurden. Diese Vorkommnisse lösen sich natürlich immer wenn andere sie untersuchen in Wohlgefallen auf.

Recht schnell wird dem Psychothriller geeichten Filmfan somit klar, dass es sich hier um eine Verschwörung handelt, die das Ziel hat Janet komplett zu entmündigen und in eine geschlossene Anstalt einweisen zu lassen. Sicherlich war das zur Zeit in der der Film in die Kinos kam noch ein recht neuer Kniff, aber nach Filmen wie „Hush Hush sweet Charlotte“ (1964) oder dem trefflich betitelten „Let´s scare Jessica to death“ (1971), liess mich der Plot ziemlich kalt, bis...

...der Film ungefähr in der Mitte einen selbst für mich nicht vorhersehbaren Twist bietet und mich fortan komplett überraschen konnte. Dass Ende des Filmes ist dann auch nur auf den ersten Blick happy, auf den zweiten konsequent und auf den dritten erstaunlich brutal und gemein für einen Film aus den frühen 60ern.

Mehr wird hier aber nicht verraten – ich will euch ja schließlich den Filmgenuss nicht verderben. Kommen wir also zum eher technischen Kram.

nightmare04Wie bei einem Freddy Francis Film zu erwarten, bietet der Film wundervolle Bilder und zeigt wieder einmal mehr welche atmosphärischen Höhen man durch „schlichte“ schwarz-weiß-Photographie erreichen kann. Die Charaktere sind je nach zu erzeugender Stimmungslage teilweise von tiefstem Schwarz eingerahmt, ihre Schatten spielen eigene Hauptrollen, viele Einstellungen erinnern an Gemälde alter Meister in ihrem geschickten Umgang mit dem zeigen und verbergen von Details. Dazu gibt es natürlich noch eine Menge wehender Vorhänge, quietschende und sich automatisch öffende und schließende Türen und irgendwie – obwohl man sich ja eigentlich mit diesen Filmen davon absetzen wollte – all das, was man in einem Hammer Gruselfilm erwartet.

Als wäre das alleine nicht schon genug Grund sich dem Film hinzugeben, bietet die damals blutjunge Jennie Linden auch noch eine wirklich beeindruckende schauspielerische Leistung. Ihr von Alpträumen und „Halluzinationen“ geplagter, langsam in eine Psychose gleitender Charakter ist eine Tour de Force und zusätzlich ist sie auch noch ein hervorragender Screamer von der Qualität einer Fay Wray, wovon sie reichlich und laut Gebrauch macht. Falls ihre Schreie alleine Euch nicht durch Mark und Bein gehen hilft dann auch noch die herausragende Musik von Don Banks, der hier – nach „Captain Clegg“ (von uns hier besprochen) – seine zweite Arbeit für Hammer präseniert und im Gegensatz zum vorgenannten Score, der eher romantisch abenteuerlich angelegt war, mit der vollen Kraft von kreischenden Streichern arbeitet.

nightmare05Auch die restliche Cast ist beeindruckend, vor allem auffällig sind hier David Knight, der sicherlich zu früh als Bösewicht erkennbar ist, aber in der zweiten Hälfte eine interessante Charakterentwicklung erfährt und John Welsh, der zwar als der Hausdoktor nur wenige aber höchst beeindruckende Auftritte hat.

Wie schon erwähnt nimmt das anfangs eher konservative Script von Sangster ungefähr in der Filmmitte eine fast schon 180 Grad Kurve und wird danach zu einem herrlich verwirrenden Rätselspiel, ohne die Gruselelemente außer acht zu lassen, um mit einem Knalleffekt zu enden, der mich, ob seiner Implikation betreffs der Handlungsweisen eines Hauptcharakters, einige Sekunden mit offenem Mund dasitzen gelassen hat.

nightmare01Das ist eine Boshaftigkeit, die man so einfach nicht erwartet.

Toll.

Somit entpuppt sich „Nightmare“ als ein erstaunlich effektiver Psycho-Grusler, der in Sachen Qualität und Spannung durchaus mit bekannteren Werken mithalten kann und viele von ihnen bezüglich seiner Intensität bei weitem übertrifft.

HAMMER-Fans werden ohnehin zuschlagen müssen und Leser, die auch mal die Randgebiete der Bray-Studios erforschen wollen werden mit Sicherheit nicht enttäuscht werden.

 

Zum Mediabook von ANOLIS

 

Beginnen wir mal mit dem Positiven, ehe wir uns am Ende noch einem ganz gewaltigen Kritikpunkt zuwenden müssen.

cover01Wie von den anderen 17 bisherigen Ausgaben der HAMMER-Collection gewohnt, bekommt der Käufer ein hochwertig verarbeitetes und sich einfach schön anfühlendes schweres Buch in die Hand. Das 28-seitige Booklet beinhaltet diesmal gleich 3 längere Texte, die allerdings leider inhaltlich die selben Punkte anreissen und – wie üblich – auch vor großen Spoilern nicht zurückschrecken, weshalb es sich anbietet es erst nach dem Genuß des Filmes durchzublättern, obwohl die wunderschön ausgewählten Bilder natürlich sehr verführerisch sind.

Bei den Extras wurde ebenso wieder einmal nicht gespart. Der Audiokommentar von EVIL ED Ehrenmitglied Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz geht diesmal – logischerweise - auch detailliert auf die Geschichte des Psychohorrors ein, bietet aber auch wieder einige Anekdoten von Giesen, der ja beneidenswerter Weise all diese wunderbaren kleinen Filme noch auf der Leinwand geniessen durfte. Des Weiteren gibt es ein recht aktuelles Making of von 2016, das gewürzt ist mit etlichen Interviews, unter anderem mit Hauptdarstellerin Jennie Linden und Jimmy Sangster. In dem Featurette „Inside Hammer´s Nightmare“ hingegen kommen englische Filmhistoriker und –kritiker zu Wort, was hilft den Film im Oevre des Studios und filmhistorisch einzuordnen.

Ein besonderes Schmankerl ist ein 15-minütiges Interview mit Frau Linden, dass sich speziell um ihre Karriere vor und nach dem Film dreht. Die alte Dame ist äußerst sympathisch und es freut immer weibliche Stars zu sehen und zu hören, die normal gealtert und nicht dem Schönheitswahn verfallen sind. Abgerundet wird das Paket wie üblich durch diverse – herrlich plakative – Trailer und Massen an gescanntem Werbemnaterial sowie allen verfügbaren Filmprogrammen.

In Bezug auf die Extras schlägt einfach niemand hier in Deutschland ANOLIS.

Aber – und jetzt wirds echt schwierig, wenn wir mal über die Bildqualität der vorliegenden Kopie reden, kommen wir an einem deutlichen Problem nicht vorbei. Sicher ist die Restauration größtenteils hervorragend. Das Schwarz, was ja nun eine der wichtigsten „Farben“ im Film ist, zeigt sich durchgängig ohne Pixillierung, die Graustufen sind kontrastreich und gut getrennt.

cover02Nur leider werden die kompletten ersten 15 Minuten des Filmes, die noch dazu im Schnee und zumeist außen spielen, bildmässig von vier schlecht entfernten Laufstreifen dominiert, die sich als deutliche schwarze Blitzer an vier verschiedenen Stellen des Bildes GENAU in der Höhe der Bildmitte bemerkbar machen. Es fiel mir erstaunlich schwer diese schwarzen blinkenden Punkte NICHT zu sehen, um ganz genau zu sein stand ich kurz davor den Film abzubrechen, da meine Blicke immer wieder genau auf diese Stellen gelenkt wurden. Glücklicherweise gibt sich das Ganze dann mit der Ankunft im Landhaus (und dem dort stattfindenden Rollenwechsel) komplett.

Sicherlich ist das Jammern auf hohem Niveau, aber solch ein durchgehender Fehler müsste doch bei einer Qualitätskontrolle auffallen und da diese vier Blitzer immer an den selben Stellen auftauchen, wäre sicherlich ein Leichtes gewesen sie in einem zusätzlichen Arbeitsgang zu beseitigen. Speziell weil recht deutlich ist, dass es Artefakte einer Laufstreifenentfernung sind, die bis zu diesem Punkt eh schon sehr arbeitsintensiv gewesen war.

Aus diesem Grund gibt es von mir heute auch nur eine 1 ½ Daumen Kaufempfehlung, was immerhin noch besser ist, als das meiste was man so normalerweise zu besprechen hat.


dia

masters

  

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