The Killer (1989) Regie: John Woo Drehuch: John Woo Darsteller: Yun-Fat Chow, Danny Lee, Sally Yeh
Obwohl John Woo zu den modernen Filmemachern gehört, welchen eine enorme mediale Aufmerksamkeit und eine damit einhergehende jahrelang andauernde filmwissenschaftliche Dekonstruktion zuteil wurden, scheint ein Faktor in Woo's Gesamtwerk nicht besonders oft bedacht zu werden. John Woo ist von seiner bestechenden Stilistik, offensichtlichen Bewunderung für das klassische Drama und tiefen Faszination für den Gebrauch von Handfeuerwaffen abgesehen, auch ein Christ. Zumal „auch“ dem Einflussreichtum der Religion an Woo's Leben und Schaffen nicht wirklich gerecht wird. Im Alter von fünf Jahren in Folge der kommunistischen Revolution Maos, sprich faktisch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, aus seiner Heimat China vertrieben, hat Woo in Interviews stets gerne auf seine starke Bindung an den christlichen Glauben verwiesen. Es scheint also offensichtlich nach entsprechenden Bezügen in seiner Arbeit zu suchen. Insbesondere da Woo, allen zuvor aufgezählten Qualitäten des Mannes zum Trotz, nicht zu einer übermäßigen Subtilität neigt. Folglich dürfte, zumindest die dumpfe Ahnung einer Bedeutsamkeiten seiner berühmten Klischees, den meisten Zuschauern stets gewahr worden sein. Da ist halt irgendwas mit Tauben, Märtyrertum, Vergebung, Kerzen und natürlich Kreuzen. Eigentlich total einfach, oder? Aber wie puzzelt sich das alles zusammen? Wo, falls Sie den überhaupt existiert, findet sich die christliche Kernaussage in einem John Woo Actionspektakel? Fangen wir mit einer schlechten Nachricht an. Um eine solche inhaltliche Analyse am Beispiel von The Killer vorzunehmen, komme ich nicht an der stilistischen Unmöglichkeit des direkten Bibelzitates vorbei. Also: „Und er antwortete ihnen: gehet hin und berichtet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört: Lukas 7:22
Diese Textstelle, aus dem dritten Buch des neuen Testaments, wird gemeinhin als „Die Frage des Täufers“ betitelt. Der vom Täufer befragte ist in diesem Fall, und zur Überraschung von absolut niemanden, Jesus und das von mir verwendete Zitat die entsprechende Antwort des Selbigen. Aber genug des verspäteten Religionsunterrichts, was hat das mit The Killer zu tun? Ehrlich gesagt fast alles. Ich werde mir an dieser Stelle übrigens nicht die Arbeit einer erneuten Zusammenfassung des Films machen. Wenn einem die Handlung momentan nicht direkt mental vorliegt, sollte man den Film ohnehin einer erneuten Sichtung unterziehen, da die letzte Ansicht offenkundig eine zu lange Zeitspanne zurück liegt. ;) Die Dinge, welche also die Boten Johannes berichten sollten, umfassen vier der bekannten Wunder Christi. Blinde die sehen, Lahme die wieder gehen, Aussätzige die wieder rein werden und Taube die wieder hören können. In The Killer stellt jeder der vier Protagonisten eines dieser biblischen Mirakel dar. Jennie ist hier das offensichtlichste Beispiel. Ihre Erblindung zu Anfang des Films ist Hauptgegenstand der Geschichte und gleichzeitig die tickende Uhr des Spannungsbogens. Ah Jong, der den Schuss abfeuerte welcher Jennie erblinden lies, ist ein Killer. Also quasi ein Aussätziger, welcher zuerst seine Schuld und später, durch seinen Kampf um Jennies Augenlicht, seine Reinheit findet. Das finden der eigenen Schuld finde ich hierbei besonders elegant gelöst. Nach dem Shoot-Out in Jennies Nachtclub begibt sich Jong zurück in sein Versteck, welches zufälligerweise eine Kirche ist. („Glaubst du an Gott?“ - „Nein. Aber ich mag die Ruhe hier.“) Dort lässt er sich von seinem Freund Fung Sei die Kugeln aus dem Rücken ziehen. Unter Schmerzen schaut er unterdessen auf das Kreuz. Wenn Ihm später die Identität Jennies, und somit die Auswirkung seiner Tat, bewusst wird, erinnert er sich an diesen Abend. An den Nachtclub, den abgefeuerten Schuss, die Schmerzen und das Kreuz. Hier, bei diesem Kuleshov Effekt, beginnt Ah Jongs Weg zur Reinheit. Die Vollendung dieses Weges stellt Woo visuell durch den Farbwechsel der von Ah Jong getragenen Anzüge dar. Der in schwarz gewandte Killer wird zum weißgewaschenen Retter Jennies. Der ehemalige Killer Fung Sei ist in Rente. Seine rechte Hand ist durch eine Narbe entstellt und für die Präzision eines Auftragsmordes unbrauchbar geworden. Er kann in der ersten Hälfte des Films nicht mal eine Bierdose auffangen. Der Lahme im Wortlaut der Bibel ist zwar ein weitgefächerter Begriff, beschreibt allerdings meist eine Form der körperlichen Behinderung. Fung Sei wird zum Lahmen der wieder gehen kann, als er seine rechte Hand verwendet, um sich den Weg aus der finalen Geldübergabe beim Mob frei zu schießen. Bleibt nur unser gutherziger Cop Li Ying. Ist er zwar ein Charakter mit enormen moralischen Wertvorstellungen, fehlt Ihm doch ein essentieller, durch den christlichen Glauben definierter, Wert. LI Ying hat über den gesamten Film ein Problem mit Vergebung. Schlimmer noch, als sein langjähriger Partner im Kreuzfeuer der Problematik sein Leben lässt, sinnt er auf Rache. Rache ist theologisch das vierte Hauptlaster Ira. (Die sieben Hauptlaster sind umgangssprachlich übrigens als die sieben Todsünden bekannt.) Der Taube wird in den meisten Interpretationen biblischer Texte als einer gedeutet, der die Worte Gottes nicht hört und sich unter Umständen zu sehr in seiner weltlichen Rolle gefällt. Li Ying begeht natürlich keinen Racheakt an Ah Jong, sondern vergibt Ihm. Am Ende des Tages ist die christliche Vergebung zumeist das zentrale Motiv Woos. Das mag vielleicht, insbesondere in Anbetracht des fast lächerlichen Bodycounts seiner Filme, befremdlich klingen, lässt sich allerdings, ganz ähnlich seiner emotional geladenen Männerfreundschaften (welchen durch schwächere Analysten auch gerne eine gleichgeschlechtliche Romantik angedichtet wird), in Woos Liebe zum klassischen Theater finden. Die spirituelle Aussage in einem Meer aus Blut und Gewalt zu verstecken ist ein Trick den bereits Euripides kannte. Wenn man allerdings moralische Zweifel an dieser Herangehensweise hat, verweise ich gerne auf dieses berühmte Bibelzitat, mit dem ich diese Ausführungen auch beenden möchte. "Wer irgendeinen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben. Wer aber ein Stück Vieh erschlägt, 3.Mose 24. 17-20
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