Vier Schlitzaugen rechnen ab (1979) (Four Invincibles, The / Si dai bo quan)
Regie: Jen Hua
Darsteller: Feng Ku, Kwok Choi Hon, Cecilia Wong, Chin-Lai Sung
Ab 3. August als Teil 8 der "Asia-Line" von Schroeder-Media auf DVD
Der Kung-Fu-Film der 70er Jahre brachte einige seltsame Blüten hervor.
Da gab es zuerst einmal die Welle der Bruceploitation-Filme, in denen versucht wurde mit dem Tod von Kultstar Bruce Lee schnelles Geld zu machen und die – meist mit geringem Budget und mindestens einem dem guten Bruce mehr oder weniger ähnlich sehenden Darsteller – nahezu ausschließlich im Bereich des Baddies einzuordnen sind.
Ein weiterer großer Teil waren die aufwendig produzierten und von wirklich tollen Kampf- und Trainingsszenen profitierenden „Shaolin-Kloster“-Filme in denen das betreffende Gebäude eine gewisse Anzahl von Kammern hatte, die es für den Helden zu durchkämpfen gab. Diese Filme zumindest waren technisch zumeist gut produziert und boten eine gewisse Abwechslung von den genretyischen Rachestorys.
Ein drittes Untergenre waren die Drunken Master Filme, in denen chinesischer Humor zum durchaus immer noch brutal wüsten Inhalt dazu kam. Deren Erfolg brachte zumindest Jackie Chan in das Bewusstsein der Filmfans.
Letztlich – und damit kommen wir dann auch zum vorliegenden Meisterwerk – gab es eine Reihe von Filmen mit verkrüppelten Kung-Fu-Meistern, bei denen es sich um eine einigermaßen logische Konsequenz aus den klassischen Eastern früherer Zeiten handelte, in denen die Helden auch schonmal geblendet oder ihnen das ein oder andere Körperglied entfernt wurde. Aber die „Crippleploitation“ ging in ihrer Hochzeit noch erheblich weiter, wofür „Vier Schlitzaugen rechnen ab“ fast schon als Paradebeispiel gelten kann.
Die überaus und sinnlos komplizierte Geschichte in wenigen Worten wiederzugeben ist nahezu unmöglich, aber da ich Euch nicht zu viel von gnadenlosen Inhalt spoilern will versuche ich es trotzdem.
Zum 80ten Geburtstag seines Meisters und Vaters erscheint Ching Lei (Feng Ku), der einem ehemaligen Schüler eine Einladung bringen sollte, viel zu spät und hat statt dem Eingeladenen nur ein Bein und einen Arm desselben im Gepäck, da es halt im Hung-Kung-Fu-Clan so üblich ist, sich von zwei Gliedmassen zu trennen, wenn man ihn verlässt. Das ist natürlich ähnlich sinnvoll wie das Aufnahmeritual in Christian Anders Klassiker „Brut des Bösen“, in dem es heißt „Wenn du mich im Kampf besiegst, darfst du mein Schüler werden“, aber wir wollen uns ja nicht mit Kleinigkeiten aufhalten.
Dem ollen Meister zumindest gefällt das nun gar nicht so gut und er gibt vor lauter Schock den Löffel ab – natürlich nicht ohne Ching Lei zuvor zu seinem legitimen Nachfolger zu ernennen. Dies wird allerdings von Chings überaus ehrgeizigem Bruder belauscht, der auf solcherlei Bevorzugung nicht so recht klar kommt und Ching kurz darauf, während selbiger sich mit seiner hochschwangeren Frau über potentielle Kindernamen unterhält, überfällt und ihm, mit der Ausrede „Er hat unseren Meister umgebracht“, das Bein zertrümmert und ihn in die Verbannung schickt.
16 Jahre später hat der böse Bruder mittlerweile eine Frisur und Koteletten wie Dagobert Duck, die Tochter unseres Helden lebt im Glauben Halbwaise zu sein und die wüsten Horden des Clans ziehen durch die Straßen der Stadt und quälen mittels ihrer überragenden Kung-Fu-Technik die armen Leute. In kürzester Zeit schaffen sie somit nun einen Blinden, einen Taubstummen und einen Einarmigen, die sich dann mit Rachegedanken im Kopf zusammentun, aber dank ihrer Behinderungen den Klansmen immer wieder hoffnungslos unterlegen sind, bis sie einen seltsamen Alten mit einem lahmen Bein treffen...
Man sieht also deutlich, ein Drehbuchoscar ist bei diesem Werk nicht drin und ebenso wird wohl auch kaum einer der Darsteller mit Preisen überhäuft worden sein, selbst wenn man einige Gesichter bereits in besseren Produktionen gesehen hat. Aber das erwartet man ja auch nicht, wenn man sich einen Teil von Schröder-Medias „Asia-Line“ (die ich übrigens im Zuge meines latenten Rassismus immer als „Gelbe Serie“ bezeichne) anschafft. Bei den hier veröffentlichten Filmen handelt es sich halt zumeist um die eher exploitativeren Genre-Vertreter, die mit wenig Geld und Talent, aber mit deutlichem Hang zum Sensationellen geschaffen wurden.
Bahnhofskinofutter halt, wie man es heute leider viel zu selten findet und in Bezug auf diesen Begriff ist „Vier Schlitzaugen rechnen ab“ ein nahezu meisterliches Beispiel, was ja schon mit dem plakativen Titel und dem dazugehörigen irrsinnigen Plakat beginnt.
Kampftechnisch bietet der Film ebenfalls nicht viel wirklich Neues oder Beeindruckendes. Sicherlich ist die „Crippled Master“-Technik , ebenso wie die hier auch gezeigte „Ellenbogen“-Technik, optisch auf den ersten Blick erfrischend anders, aber bei näherer Betrachtung erweisen sich beide als tatsächlich recht ineffektiv, verlangen sie doch fast schon Schmuseblues-mässige Nähe von den Duellanten.
Richtig albern wird es dann – abgesehen vom typisch chinesischen Pippi-Kakka-Humor – wenn es um die Traningsszenen geht, die natürlich auch einen großen Teil der Handlung bestimmen und die dann am Ende in keinster Weise zu dem passen, was uns im Finale geboten wird. Jahrzehntelang habe ich ja immer geglaubt, all das habe etwas damit zu tun, dass der Film bisher nur in einer für den deutschen Markt um ganze zwölf Minuten gekürzten Fassung verfügbar war, aber dem ist tatsächlich nicht so.
Als Bonus präsentiert uns Schröder nämlich nun erstmals im bundesdeutschen Raum die unzensierte 90 Minuten Version des Filmes (zusammengeschnitten aus drei verschiedenen Sprachversionen und deshalb von sehr stark variierender Qualität) und die Unterschiede machen ihn in keinster Weise goutierbarer. Offensichtliche Gewaltschnitte sind dabei eher die Ausnahme (interessanter Weise wurden ehedem zwei Tötungsszenen entfernt, beide angedeutete Vergewaltigungen aber belassen).
Die längsten Schnitte bezogen sich offensichtlich aber auf einen kompletten Handlungsstrang in dem unser heldenhafter Meister seinen eigenen Meister aufsucht und von ihm in die geheime Technik eingewiesen wird, die ihm und seiner verkrüppelten Gang am Ende den Sieg bringen soll. Das Fehlen dieser Szenen fällt in der deutschen Fassung dann auch extrem auf, weil man von einem Bild zum anderen plötzlich nicht mehr versteht, warum Ching Lei sich vom eher sadistischen Ausbilder plötzlich zum liebevollen Lehrer wandelt.
Alles in allem ist „Vier Schlitzaugen rechnen ab“ nun wirklich keine Genreperle und auch als Baddie funktioniert er nur mit erheblichem Bierkonsum und in der richtigen Gruppe. Zumindest aber ist die Synchro nicht so erheblich „witzig“ wie es damals üblich war und der chinesische Humor steht nicht so weit im Vordergrund, das er nervt.
Als Zwischendurchfutter und für Leute, die Interesse daran haben mal zu sehen WIE und WO damals bei aisatischen Filmen die Schere angesetzt wurde ist er eine schöne Erfahrung.
In diesem Sinne gibt es von mir einen ganzen und einen verkrüppelten Daumen.
Für Fans.
dia
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