(Südkorea 2016) Busanhaeng
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Der ehrgeizige Fondsmanager Seok Woo (Yoo Gong) hat kaum Zeit für die Familie. Seine Ehefrau hat bereits das Weite gesucht, da wünscht sich die Tochter (Su-an Kim) nichts sehnlicher zum Geburtstag, als zur Mama nach Busan gebracht zu werden. Da sich Seok Woo zuvor einen amtlichen Affront hinsichtlich seines Geschenkes geleistet hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als der unschmeichelhaften Forderung der Kleinen nachzukommen und einen halben Tag frei zu nehmen. Im Zug nach Busan treffen sie auf einen Landstreicher, der auf der Toilette verschanzt immer wieder manisch versichert, dass alle anderen tot seien. Ganz Unrecht hat er nicht, denn irgendwo in der südkoreanischen Pampa haben ein paar Chemiker einen Kardinalfehler begangen und einen Stoff freigesetzt, der tausende Opfer fordert. Nur bleiben die nicht tot, sondern streifen als blutrünstige Bestien umher, die darauf aus sind, sich durch einen beherzten Biss ins Fleisch ihrer Mitmenschen zu mehren; natürlich schleicht sich eine Infizierte in den Zug und macht die Fahrt zu einem Höllenritt. Schnell bildet sich eine Gruppe heraus, die es mit der untoten Bedrohung aufnimmt und die in etwas zu langen zwei Stunden näher vorgestellt wird. Die Dialoge schwanken dabei zwischen ausgeklügelt und dümmlich pathetisch. Ähnlich verhält es sich mit den schauspielerischen Leistungen. Während sich etwa Su-an Kim als Jungtalent beweist, driften andere ins Overacting ab, verleihen der Produktion damit jedoch einen gewissen Anime-Charme. Es verwundert in dieser Hinsicht nicht, dass Train to Busan das Realfilm-Debüt von Regisseur Sang-ho Yeon ist, der sich zuvor durch Animes wie The King of Pigs (2011) oder The Fake (2013) einen Namen gemacht hat. Es gibt da einen kräftigen Popeye (Dong Seok-ma), der mit Faustschlägen seine schwangere Frau gegen Horden geifernder Zombies verteidigt und einen Paradekapitalisten, der nur an sein Eigenwohl denkt und Seok Woo als mahnendes Beispiel dient. Dabei spart Train to Busan nicht mit kritischen Tönen gegen die südkoreanische Ellenbogengesellschaft und so manch ein Protagonist braucht die Zombieinvasion, um seine Menschlichkeit wiederzuentdecken. So fordert Sang-ho Yeon in mahnender Pose heraus, dass sich der geneigte Horrorfan fragt, wer denn hier die wahren Zombies sind. Eigentlich ein interessanter Ansatz, doch geschieht dies bisweilen überdeutlich und verdirbt dem Zuschauer die Lust am Sinnieren über Kapitalismus, Menschsein und Mitmenschlichkeit. Das hat Night of the Living Dead (1968) schon vor Jahrzehnten besser gemacht. Die Überlebenden bewegen sich dabei im Wechsel zwischen der Enge des Zuges und der bedrohlichen Leere der Außenwelt, wenn sie voller Hoffnung auf Rettung verlassene Bahnhöfe durchkämmen. Das Hin und Her zwischen Klaustrophobie und postapokalyptischer Kulisse funktioniert hervorragend und hält die Spannung hoch. Dabei darf man sicher sein, dass alle Schauplätze bald mit Blut und Hirnmasse ausgekleidet werden, wenn auch die notorische, aus I Saw the Devil (2010) oder Audition (1999) bekannte, südkoreanische Härte irgendwo zwischen Seoul und Busan auf der Strecke bleibt.
Christoph Laible
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