The Voices (2014) Darsteller: Ryan Reynolds,
Bereits seit einiger Zeit auf DVD/BluRay von allen übersehen
Jerry Hickfang (Ryan Reynolds) wird aus einer Anstalt entlassen und darf an einem Arbeitsprogramm in einer Badewannenfabrik teilnehmen. Hier besticht er durch Eifer und seine freundliche, unbedarfte Art. Alles scheint also auf eine gelingende Resozialisierung hinzudeuten, wären da nicht seine ausgeprägte schizophrene Störung und die ungeliebten Psychopharmaka, die Jerry auf richterlichen Beschluss einnehmen muss. Die lassen die Welt einfach unerträglich real werden. Und so entscheidet er sich für die Absetzung der Medikamente und damit für ein angenehmes Leben, auf dessen Verlauf allerdings allerlei Stimmen Einfluss nehmen – allen voran die seiner Haustiere. Während die gutmütige Dogge Bosco die Rolle des Engelchens übernimmt und sein Herrchen auf dem rechten Weg halten will, wirkt Kater Mr. Whiskers als diabolischer Einflüsterer, für dessen Ratschläge Jerry jeden weiteren Tag ohne Pillen anfälliger wird. Als er schließlich von seinem Schwarm aus der Buchhaltung (Gemma Arterton) versetzt wird, landet ihr Kopf abgetrennt im Kühlschrank. Und bald fordert der charmante Schädel Gesellschaft in seinem kühlen Grab – eine Idee, an der auch der fiese Mr. Whiskers Gefallen findet… Jerry Hickfang erinnert an einen gestörten Spongebob Schwammkopf und Ryan Reynolds spielt die Figur so gut, dass es zunächst einfach nur Spaß macht zu beobachten: Jerry, wie er sich über die stupide Arbeit freut. Jerry, wie er sich sozial völlig unpassend verhält. Jerry, wie er mit seinen Haustieren diskutiert. Jerry, wie er seine Kollegin meuchelt, sie in Einzelteile zersägt und in Tupperdosen portioniert fein säuberlich aufstapelt – Jerry, dem man ob seiner kindlichen Mimik trotzdem nicht böse sein kann. Der Film ist dabei voll und ganz von seiner Hauptfigur und Reynolds Spiel eingenommen und zeigt die Welt aus der Perspektive eines kranken Mannes. Andere Personen kommen nur als Fremdkörper vor, die für Jerry Probleme bedeuten und mit denen der Umgang nicht lange gut geht. Da gibt es die sexy Fiona aus der Buchhaltung, eine desillusionierte Engländerin, die eigentlich zu viel Klasse für die Kleinstadt hat, dies auch weiß und ihre Mitmenschen spüren lässt. Es gibt die spröde Lisa, ebenfalls Buchhalterin, die einen Narren an dem Sonderling gefressen hat und zu ihren Ungunsten äußerst aufdringlich werden kann. Alle Figuren sind dabei liebevoll gezeichnet und hervorragend gespielt, aber nur in ihrer direkten Beziehung zu Jerry relevant. In dieser Fokussierung erinnert The Voices an Filme wie Maniac (2012) oder Mr. Brooks (2007), die sich ebenfalls radikal auf die Realität ihrer Killer konzentrierten. Für Jerry stellt sich die ohne Medikamente sehr erträglich dar. Das Appartement ist gemütlich und aufgeräumt, ist er verliebt, tanzen und schwirren Schmetterlinge um ihn und selbst der Kopf im Kühlschrank sieht frisch und fröhlich aus und hat immer ein schmeichelndes Wort auf den vollen Lippen. Geht er jedoch seiner Pflicht nach und nimmt die Psychopharmaka ein, so zeigt sich die Welt in all ihrer unerträglichen Hässlichkeit. Der Putz der Wohnung bröckelt und legt zentimeterdicken Schimmel frei, die Rübe der Buchhalterin gammelt bar jeder Attraktivität vor sich hin und seine geliebten Haustiere geben keinen ihm verständlichen Mucks von sich. (Da Reynolds die Haustiere in der englischen Fassung selbst spricht und die beiden dadurch noch mehr Persönlichkeit bekommen, empfiehlt es sich, nicht auf den Originalton zu verzichten.) Diese Ambivalenz, das Schwanken des Protagonisten zwischen zwei Realitäten, eröffnet der Regisseurin, den Setdesignern und Drehbuchautor Michael R. Perry eine Spielwiese für skurrile Ideen, deren Weite auf makaberste Weise genutzt wird – besonders eine finale Tanznummer dürfte Zuschauer mit intaktem moralischen Kompass empören; die sind dann aber wirklich im falschen Film. Insgesamt ist The Voices jenseits der abgefahrenen Amoralität nicht mal besonders spannend und auch der Plot ist alles andere als innovativ. Durch diesen Mangel an Dramatik und Nervenkitzel in Kombination mit den deplatzierten Emotionen und Verhaltensweisen Jerrys in den teils krassesten Situationen nimmt man den Film zunächst als so normal wahr wie seine Hauptfigur ihr Leben, dabei hat man gerade etwas außergewöhnlich Boshaftes gesehen und Jerry etwas außerordentlich Boshaftes getan. Christoph Laible
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