(USA 2018) 10 Folgen á 40 – 54 Minuten Komplett verfügbar auf Amazon Prime Buchvorlage: Dan Simmons Produktion (u.a.) : AMC, Dan Simmons, Ridley Scott Regie: Tim Mielants (4), Edward Berger (3), Sergio Mimica-Gezzan (3) Drehbuch: David Kajganich, Dan Simmons u.a. Darsteller: Jared Harris, Tobias Menzies, Paul Ready, Adam Nagaitis, Nive Nielsen, Greta Scacchi
Um es direkt ganz kurz zu machen, ehe wir uns dem Fleisch der Serie und all dem, was damit zusammenhängt widmen - wenn ihr auch nur einen Hauch an Interesse an atmosphärischem Horror habt: ANGUCKEN!
So, nachdem das erledigt ist, erst mal ein grober Überblick, um was es in „The Terror“ geht. Die Serie erzählt die fiktive Geschichte der realen „Franklin-Expedition“. Hierbei handelt es sich um den im Jahr 1845 von England, mit zwei Dampfseglern, der „Erebus“ und der titelgebenden „Terror“, gestarteten Versuch einen West-Ost Seeweg durch die Arktis zu finden, um so die Reisezeit nach Asien zu verkürzen. Überrascht vom vorzeitigen Wintereinbruch blieben die beiden Schiffe und ihre 140 Mann starke Besatzung, unter der Führung von Sir John Franklin (Ciarán Hinds), James Fitzjames (Tobias Menzies) und Francis Crozier (Jared Harris), im Packeis stecken und verbrachten dort ganze zwei Jahre. Eine von Lady Jane Franklin (Greta Scacchi) mit der Hilfe von Charles Dickens organisierte Rettungsexpedition, fand nur noch einige Leichen und erst weitere zehn Jahre später wurden wenige Logbücher der Schiffe geborgen, die aber nur wenig Aufschluß über das gaben, was wirklich geschehen war. Erst im Jahr 2014 wurde das Wrack der "Erebus" und im Jahr 2016 das der „Terror“ entdeckt. Dan Simmons, der bereits seit Mitte der 1980er Jahre mein Lieblingsautor ist, verarbeitete diese Geschichte im Jahr 2007 zu einem mitreissenden Werk von nahezu 1000 Seiten. Wie üblich bei Simmons, der zuerst als reiner Horrorautor begonnen hat, aber im Laufe seiner Karriere, die mittlerweile mehr als 30 Bücher umfasst, viele verschiedene Genres (von der Hardcore Science Fiction mit seinem preisgekrönten Hyperion-Cantos, über harte Thriller mit seiner John Kurtz Serie bis hin zum fast schon dokumentarisch anmutenden Historienroman) bedient hat, stellt sich auch „The Terror“ als ein Buch heraus, dass man nicht in enge Genregrenzen stecken kann. Neben einer extrem detaillierten und faktisch genauen Schilderung einer Arktisexpedition, finden sich hier eben auch starke Horroreinflüsse und psychologisch tief ausgelotete Charakterstudien. Gleichzeitig ist das Buch aber auch ein genaues Sittengemälde der damaligen Kolonialmacht England von teilweise bitterböser satirischer Schärfe. Ein echter Simmons also und dementsprechend genau so unverfilmbar wie all seine anderen Bücher, auf die seit Jahren Filmoptionen vergeben sind (Hyperion, Illium, Summer of Night, Carrion Comfort um nur einige zu nennen, die immer noch in der sogenannten Entwicklungshölle schmoren). Dass sich AMC nun des Buches angenommen hat, ist zu großen Teilen natürlich auch Ridley Scott und seiner Produktionsfirma Scott Free-Productions zu verdanken, denn wenn Ridley Interesse an einem Buch bekundet, öffnen sich Produzententaschen wie von selbst. So ist es auch weniger erstaunlich, dass fast die komplette Serie in Blautönen gehalten ist, was aber nicht weiter stört, sondern den gewünschten „Kältefaktor“ nur unterstreicht. Von der ersten Folge an, in der man in den ersten zwanzig Minuten die beiden Schiffe noch in Bewegung sieht, ist es für den Kenner der Vorlage nahezu atemberaubend zu sehen, wie genau und detailliert man sich hier am Buch orientiert hat. Man fühlt förmlich die, anfangs noch gelassene und immer weiter ins depressive rutschende, Atmosphäre auf den beiden Schiffen und kann sich recht schnell in das Ensemble, dass wie im Buch aus mehr als 15 wichtigen Hauptcharakteren besteht, einfühlen. Der titelgebende Terror schleicht sich nur langsam und in vielen verschiedenen Formen ein. Da ist einmal die innere Spannung zwischen den Männern, die auf den Booten gefangen sind, die drohende sich langsam entwickelnde Gefahr durch verdorbene und deshalb zu schnell zu Ende gehende Nahrungsvorräte, eine damit verbundene, zuerst unerkannte, Krankheit und – natürlich – die Bedrohung durch die unerbittliche Natur selbst, personifiziert in einer nahezu mystischen Kreatur. Diese, ein - laut Inuitsagen von einem bösen Geist besessener -Eisbär, wird geführt/unter Kontrolle gehalten von einem Schamanen, der durch einen durch die Besatzung verursachten Unfall ums Leben kommt, was die Kreatur zu einem Racheengel macht. Nur ein neuer Schamane könnte die Bestazung vor ihrem Schicksal bewahren, dieser ist allerdings weiblich und sorgt für weitere Spannungen. Die Angriffe des Bären, die im Buch eher „undeutlich und im off“ geschehen um dem mystischen und eventuell eher als Halluzination zu verstehenden Aspekt der Kreatur betonen, sind natürlich für die Umsetzung im Sinne einer TV-Show nun deutlich sicht- und erlebbar. Interessanter Weise gelingt es der Serie allerdings auch, die Kreatur erst nach der Hälfter der kompletten Laufzeit zu zeigen. Die Kreatur selbst ist dabei - natürlich - eine CGI-Kreation, die aber bewusst im "uncanny valley" angesiedelt ist, was zu ihrer Bedrohlichkeit und ihrem Gruselfaktor beiträgt. Im Gegensatz dazu sind die, in jede Folge eingestreuten, Goreszenen von einem nahezu verstörenden Realismus. Aber diese – und andere kleine Anpassungen im Verlauf der Handlung – stören in keinster Weise, denn die Serie fängt die Atmosphäre des Buches grundsätzlich ziemlich genau ein. Das liegt natürlich auch zum großen Teil an der hervorragenden Besetzung, bei der es schwer ist einzelne Schauspieler herauszuheben. Die beiden größten Rollen zumindest werden vom, wieder einmal großartigen, Charakterdarsteller Jared Harris (als Francis Crozier, dessen Figur sozusagen das Zentrum der Geschichte bildet) und Adam Nagaitis, der als Matrose Hickey die wohl interessanteste Entwicklung durchmacht, getragen, aber wie erwähnt bis in die kleinste Rolle wurde hier sehr genau gecastet. Und auch wenn einige Außenaufnahmen deutlich nach Studio aussehen und der Schnee teilweise halt wie Styropor herumweht, so stört das beim Zuschauen in keinster Weise, spielt sich doch das eigentliche Grauen im Kopf des Zuschauers ab. „The Terror“ ist eine faszinierende Fernseherfahrung, ein achtstündiger Horrorfilm, der nicht auf billige Effekte setzt und ein komplett neues Gebiet auslotet. Ein Horrorfilm mit einem zufriedenstellenden und dem Buch entsprechenden Ende, auch das ist heutzutage eine Seltenheit geworden. Einzig und alleine die, dem produzierenden Kabelkanal geschuldeten, alle zehn Minuten vorkommenden Abblenden zur Werbung stören ein wenig, da sie teils sehr willkürlich gesetzt scheinen. Somit ist es also nun erstmals gelungen ein Buch von Dan Simmons adäquat umzusetzen, wird das also dazu führen, dass wir nun jährlich etwas ähnliches geboten bekommen? Schließlich würde es sich ja anbieten sich zum Beispiel als zweite Season seinen Mount Everest Roman „The Abonimable“ oder die in den düstersten Ecken von London spielenden „Drood“ (mit Charles Dickens als Hauptdarsteller) oder „The fifth Heart“ (ein „realistischer“ Sherlock Holmes Roman) in der gleichen Weise zu adaptieren. In dieser Hinsicht gibt es aber leider nichts Gutes zu vermelden. Simmons selbst hat in seinem offiziellen Fanforum erst letzte Woche gepostet, dass AMC mittlerweile alle Showrunner entlassen und den Vertrag mit Scott Free-Produktion gekündigt hat. Auch seine Idee den Horrorroman, an dem er momentan arbeitet direkt in ein Drehbuch umzustrukturieren wurde abgelehnt. Dementsprechend ist es zu befürchten, dass AMC aus „The Terror“ eine weitere endlose Serie strickt und sich in einer eventuellen zweiten Season um die Rettungsmission kümmert, deren Verlauf detailliert bekannt ist und die demzufolge wenig Raum für spekulatives Fernsehen lässt. Man kann also nur hoffen, dass Scott und Simmons, die beide noch hinter der Idee stehen sich zusammensetzen und selbst etwas stricken. Ich bin für alles offen, wenn ich nicht wieder 30 Jahre warten muss bis ein weiteres Werk von Simmons in bewegten Bilder zu geniessen ist. „The Terror“ ist mittlerweile komplett auf AMAZON-Prime verfügbar, was beim Stand 17.04.2018 bedeutet, dass wir den AMC-Guckern 6 Wochen voraus sind. Also schnell gucken und dann bei Euren US-FB-Freunden spoilern was das Zeug hält. Dia
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