Ég man þig Hier direkt auf AMAZON-Prime anschauen
Jetzt auf AMAZON-Prime Regie/Drehbuch: Óskar Thór Axelsson Darsteller: Jóhannes Haukur Jóhannesson, Ágústa Eva Erlendsdóttir, Elma Stefania Agustsdottir
Der neue isländische Film hat ja spätestens seit „Der Eid“ (2016) bei mir einen Stein im Brett. Ich liebe die kargen und harten Landschaften, die rauhen Menschen, die ganz eigenen Lichtverhältnisse und die ruhige und unaufgeregte Art des Filmemachens der Nordmänner und -frauen. Das sorgt für eine sehr außergewöhnlich kalte Atmosphäre, die man teilweise auch - allerdings dort aufs massentaugliche angepasst - in den beliebten skandinavischen Krimis findet. Auch beim Ansehen von „I remember you“ empfiehlt es sich daher sich in eine dicke Wolldecke einzupacken und heiße Getränke in Reichweite zu haben, da die Raumtemperatur im Laufe der 105 Minuten Laufzeit wahrscheinlich gefühlt um 10°C sinken wird. Ach ja, das Handy oder ähnliche Ablenkungen sollte man natürlich auch bei Seite räumen, denn „Ég man þig“ (so der wie eine South Park-Episode klingende Originaltitel) füttert dem Zuschauer seine komplexe Geschichte nicht püriert, sondern verlangt schon, dass man selbst den Löffel zum Mund führt und auch ab und an mal kaut. Das beginnt schon damit, dass der Film zwei komplett unabhängig voneinander verlaufende Geschichten parallel erzählt. Zuerst einmal folgen wir dem Psychiater Freyr (Jóhannes Haukur Jóhannesson), der mit einer seltsamen Welle von scheinbaren Unfällen und Selbstmorden alter Menschen konfrontriert wird, die ein gemeinsames Zentrum zu haben scheinen, das allerdings 50 Jahre in der Vergangenheit liegt. Zusätzlich leidet Freyr aber auch noch darunter, dass sein – damals achtjähriger – Sohn zwei Jahre zuvor spurlos verschwunden ist. Dass seine ehe daran zerbrochen ist ist dabei nur ein weiterer kleiner Stachel. Auf der anderen Handlungsebene folgen wir dem Ehepaar Líf (Ágústa Eva Erlendsdóttir) und Garðar (Thor Kristjansson), die zusammen mit der guten Freundin Sara (Elma Stefania Agustsdottir – oh diese Namen) in einem verlassenen Dorf auf einer Island vorgelagerten Insel, ein altes Haus zu einem Bed&Breakfast umbauen und renovieren wollen. Logisch, dass es an solch einem entlegenen Ort weder fliessendes Wasser, noch Strom noch Handyempfang gibt. Während der Zuschauer nun langsam dahinter kommt, dass in dieser Dreierfreundschaft irgendetwas nicht stimmt und dass auch in der Vergangenheit dieser Charaktere ein verlorenes Kind eine wichtige Rolle spielt, kommt es zu ersten „Geistersichtungen“. Tatsächlich ist „I remember you“ ein echter Geisterfilm, aber im Gegensatz zum massenkonformen James Wan-Grusler, benötigt der Film keine Hackmesserschnitte und laute Einsätze des kompletten Orchesters um eine unangenehme Atmosphäre zu erzeugen. Er nutzt eher die tief ausgeloteten Figuren, das in jeder Hinsicht außergewöhnliche Setting und seine sehr ausgefeilte Erzählweise, die vom Zuschauer auch mal verlangt, dass er selbst 2 und 2 zusammenzählt, um eine durchgehend unheimliche Atmosphäre aufzubauen. Ähnlich wie „The VVitch“ im vorletzten Jahr wird er damit im Höchstfalle 30 % der Leute gefallen, die jetzt diesen Text lesen und ebenso wie in Robert Eggers kleinem Meisterwerk des subtilen Horrors ist auch hier die eigentliche Geschichte, der eigentliche Grund für den Film NICHT im vordergründigen Geister-Plot zu suchen. Es geht in „I remember you“ eher um das Thema Verlust und wie man damit umgeht und ebenso, wie man darauf keine end- bzw. allgemeingültige Antwort finden kann, gibt einem auch der Film am Ende auf viele Fragen bewusst keine zufriedenstellenden Antworten. Natürlich laufen die beiden Handlungsebenen am Ende zusammen und ebenso natürlich ist der Weg bis dorthin mit vielen unangenehmen Szenen gepflastert. Was Regisseur Óskar Thór Axelsson aber auszeichnet ist seine äußerst kreative Art mit diesen zu erwartenden Punkten umzugehen. Speziell, wenn es darum geht den Zuschauer zu erschrecken setzt er eher auf Momente im Hintergrund einer Szene, die der Zuschauer entweder halt mitbekommt oder nicht. Wenn der Film dann allerdings mal etwas weniger subtil wird und – wenig überraschend – auch mal jemand stirbt, dann bekommen wir ebenfalls nicht die gewohnten visuellen Schocks, sondern werden mit Szenen konfrontriert, die tatsächlich weh tun und unangenehm sind. Sicherlich ist wie gesagt die kalte und fast schon komplett humorbefreite Atmosphäre des Filmes nicht jedermanns Sache und Zuschauer mit eher ADS geprägtem Sehverhalten, werden Schwierigkeiten haben, sich auf die komplexe Geschichte einzulassen, bei der man sich vieles selbst zusammenreimen muss. Für Zuschauer aber, die gerne auch mal über den Tellerrand hinausblicken und noch in der Lage sind sich einfach mal 105 Minuten einem Film total hinzugeben, für Leute, die auch gerne mal einen Film abseits des Mainstreams entdecken – also im Endeffekt für EDdies ist „Ég man þig“ (ich musste diesen herrlichen Titel einfach nochmal erwähnen) genau die richtige Abendunterhaltung. Aber wie gesagt – Wolldecke, Heissgetränk und totale mediale Abschottung sind dabei Pflicht, sonst versaut ihr Euch selbst den Spaß.
dia
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