Der Schatzplanet (USA 2002)
Regie/Drehbuch: Ron Clements, John Musker Vorlage: Robert Louis Stevenson (Die Schatzinsel, 1882) Sprecher: Joseph Gordon-Levitt, Patrick McGoohan, Martin Short, Emma Thompson
Als Disney 2001 den ersten Trailer in die Kinos brachte, war ich sofort begeistert von dem gesamten Setting. Dies war mir als Vorschulkind wohl eher unterbewusst klar. Doch beginnen wir besser ganz vorne. 1880 oder 1881, dies ist nicht genau nach zuweisen - Paparazzi gab es damals ja noch nicht so viele - skizzierte der Autor Robert Louis Stevenson eine Geschichte. Einen Sommer später beschäftigte er sich, aufgrund einer Erkältung und einer Schlechtwetterwelle in Schottland, mit seinem Stiefsohn Lloyd Osbour. Er half ihm beim Malen. Später schrieb er:
„Bei dieser Gelegenheit fertigte ich die Landkarte einer Insel an. […] Die Gestalt dieser Insel befruchtete meine Phantasie außerordentlich. Da waren Hafenplätze, die mich entzückten wie Sonette, und im Bewusstsein einer Schicksalsbestimmung nannte ich mein Erzeugnis ‚Die Schatzinsel‘.“
Diese Schatzkarte war der endgültige Spatenstich für seinen ersten Roman „Die Schatzinsel“, welchen er für Llyod schrieb und ihm diesen auch widmete. Der Rest ist Geschichte. Die Regisseure Ron Clements und John Musker brachten die Geschichte 2002 für Disney ganz anders und ganz frisch auf die Leinwand. Die wunderbare Musik von James Newton Howard lässt einen vollkommen in den Weltraum eintauchen, doch dazu später mehr.
Bereits 1984, also 17 Jahre vor dem Kinostart, versuchten die beiden Macher Ron Clements und John Musker diesen Film durchzusetzen. Bei einer Gong Show, von 1985 machte Ron Clements zwei Vorschläge. Einmal den zur kleinen Meerjungfrau welcher, aufgrund des 1984 erschienen Splash verworfen wurde, und eben den, die Geschichte der Schatzinsel ins Weltall zu verlegen. Letzter wurde enthusiastisch angenommen und umfeiert. Roy Disney soll dies besonders gut gefallen haben. Dies war nicht das erste Mal, dass die Schatzinsel in ein Science-Fiction-Szenario übertragen wurde. Die italienische Fernsehserie „Schatz im All“ (1986–1987) tat dies schon knapp 15 Jahre zuvor und zwar mit Starbesetzung. Das Youtube Video findet ihr weiter unten - leider nur in italienisch. Schließlich kam es aber so, dass Clements und Musker zuerst eine ältere gemeinsame Idee verwirklichen sollten: Basil, der große Mäusedetektiv.
Nach Basil folgte Arielle. Doch der Schatzplanet war nicht verworfen und sie vertieften die Idee. Als sich allerdings die Gelegenheit bot einen Aladdin Trickfilm zu machen, konnten die beiden nicht widerstehen. Bei den Arbeiten am Film lernten sie Ted Elliot und Terry Rossio kennen, die neben ihrer Arbeit am Skript für das Wüsten-Comedyabenteuer über den Straßenräuber aus Bagdad die Zeit fanden, aus Muskers und Clements Treatment ein richtiges Filmskript zu machen. Mit eben diesem Skript gingen sie zu Disney und fragten erneut nach der Verwirklichung ihres Projektes, doch Disney wollte erst Hercules ins Kino bringen, und wollte, dass Muskers und Clements dieses Projekt übernehmen. Die beiden sagten nur unter der Bedingung zu, dass sie danach endlich den Schatzplaneten in Angriff nehmen durften. Während der Arbeit an Hercules schrieben sie mit Rob Edward auf der Basis von Elliots und Rossios Skript das endgültige Drehbuch. Die Animation an „Der Schatzplanet“ startete schließlich 1999. Als Walt Disney Pictures im Laufe der Produktion das Angebot erhielt, die Rechte an Ice Age zu erwerben, verzichtete die Studioleitung darauf, um mit dem so gesparten Geld die kostenintensive Produktion von der Schatzplanet zu finanzieren. Die Macher hatten sich die Regel 30/70 aufgestellt. Das heißt, dass die Designs zu siebzig Prozent altertümlich und zu dreißig Prozent futuristisch aussehen sollten. Das Alte, Klassische sollte durch Stevensons Geschichte über Piraten und Erwachsenwerden beigesteuert werden, das Neue sollten die Charakterisierungen der einzelnen Figuren und modernen Techniken sowie einige Sci-Fi Elemente wie holographische Karten sein. Es gibt keine Computer, kein Fernsehen und keine Mikrowelle, aber etliche Dinge, von denen sich jemand aus dieser Ära vorstellen könnte, dass sie in der Zukunft existieren. Gerade das ist ein Aspekt welcher diesen Film rein optisch so unglaublich interessant macht. Er zeigt eine Welt, die selbst 14 Jahre nach dem Kinostart immer noch faszinierend aussieht. Das Weltall, in dem Schiffe wie auf Wasser schwimmen, in welchen man Atmen kann und doch Schwerelos ist. Der letzte Aspekt wurde so umgesetzt um Gefahren der Seefahrt besser Darstellen zu können. Die Regisseure erklärten es so:
„In unserem Fantasy-Universum gibt es im Weltraum eine Atmosphäre – wir nennen sie ‚Etherium' – in der die Figuren atmen können. Wir haben unsere eigene Retro-Kombination aus verschiedenen Elementen mit viel Leidenschaft für die Vergangenheit erstellt und so dem Genre eine Wärme gegeben, die es normalerweise nicht hat."
Das Etherium (das Wort stammt von "Ether", dem Element, von dem antike Philosophien dachten, dass es das All erfüllt) verbindet die Qualitäten von Wasser und Luft. Eine weitere Regel war, dass es keine Magie geben sollte. Es sollte alles technisch oder wissenschaftlich erklärbar sein. Der Schatzplanet ist nicht nur der erste Film mit im Computern generierten Ölgemälden als Hintergründen, sondern auch der erste Film überhaupt, dessen Hintergründe komplett am PC entstanden. Dan Cooper erklärte die Arbeit an diesen Hintergründen wie folgt:
"Noch immer müssen wir Pinselstrich für Pinselstrich ausführen, aber anstelle eines Pinsels benutzen wir jetzt ein Computertool. Wenn wir den Look der Ölmalerei per Hand erreichen wollten, wäre das ein Ding der Unmöglichkeit - ein solches Gemälde braucht sechs Monate bis ein Jahr, um zu trocknen. Mit dem Computer können wir den Look simulieren, und es ist „ruck,-zuck“ erledigt. Vom künstlerischen Standpunkt aus nutzen unsere Maler den Computer nur, um ihre Pinselstriche direkt ins System einzugeben, anstatt ihre handgefertigte Kunst auf den Scanner zu legen. Es ist der reinste und direkteste Prozess, den wir je hatten."
Dave Tidgewell war für die Leitung von 40 Effektanimatoren zuständig. Zu den klassischen Effekten wie explodierenden Sternen oder Stürmen, kam die Animation von allem was sich bewegte und keine Figur war, hinzu. So zum Beispiel die Bewegung der R.L.S. Legacy. Tidgewell sagte einmal:
"Vom Standpunkt der visuellen Effekte ist der Schatzplanet wahrscheinlich der ambitionierteste Zeichentrickfilm, den das Studio je produziert hat".
Am Schwierigsten empfand man die Kombination von 3D und 2D Effekten, wie es zum Beispiel bei John Silver der Fall war. Man durfte keinen erkennbaren Unterschied zwischen beiden Animationsstilen finden. All das sind Gründe, warum ich diesen Film so liebe. Aber kommen wir jetzt endlich mal zu der Geschichte, die er erzählt, bevor ich gar nicht mehr aus dem Schwärmen kommen.
Ab hier übrigens kleine Spoiler Warnung.
In der modernen Version ist Jim Hawkins ein 15-jähriger rebellischer sowie introvertierter Teenager mit den typischen Identitätsproblemen. Ihm fehlt sein Vater, welcher die Familie verlassen hatte, da er einfach keinen Bock auf das Leben mit Frau und Kind hatte. Jedem Charakter sollte etwas fehlen. So fehlt Silver nicht nur sein Bein, sondern auch sein Arm und eines seiner Augen und B.E.N (Bioelektrischer Navigator) sein Gedächtnis. Jim hängt sehr an seiner Mutter und, obwohl er oft Mist macht und kurz vor der Inhaftierung steht, ist ihm das Wohl seiner Mitmenschen nicht egal. Die enge Bindung der beiden wird schon am Anfang des Films stark thematisiert. Außerdem sieht man das auch gut, wenn er dem Fremden, der ihm die Karte mit dem Hinweis „Hüte dich vor dem Cyborg" übergibt, noch bis ins Haus hilft. Nachdem das Haus der Familie Hawkins niederbrennt und sie bei Dr. Doppler Zuflucht suchen, legt Jim liebevoll eine Decke um, das letzte was ihm geblieben ist, seine Mutter. Während Dr. Doppler der Mutter und Jim zusagt, solange bleiben zu dürfen, wie sie möchten, spielt letzterer mit der Karte. Die Karte ist eine Goldene Kugel mit Knöpfen und komischen Mustern. Dr. Doppler weist darauf hin, er habe es schon tausendmal probiert aber sie ließe sich nicht öffnen. Jim schafft es auf Anhieb. Da Dr. Doppler jeglicher Sinn für Ernsthaftigkeit fehlt, ist er begeistert, denn der Raum verwandelt sich in eine interaktive Holo-Weltallkarte. Während er auf alle möglichen Sternensysteme und Planeten tippt, sucht Jim nur eins, etwas das er aus den Geschichten seiner Kindheit kennt, den Schatzplaneten. Während Jim und Doppler in jedem Fall fahren möchten, ist Jims Mutter nicht begeistert davon. Sie möchte es nicht riskieren ihn auch noch zu verlieren. Erst später im Film wird klar warum. Doppler schafft es aber Jims Mutter zu überreden und nun beginnt das Abenteuer. Ich liebe das Konzept, das jedem Charakter etwas fehlt und alle erhalten eine Fähigkeit oder etwas Gleichwertiges. Bis zu dem Moment an dem die Karte das erste Mal geöffnet wird, befinden wir uns, wie Jim auf einen kleinen Planeten von dem wir - so scheint es - nicht entfliehen können. Jim leidet darunter, dass niemand ihm etwas zutraut. Auf dem Schiff, dessen Name ein kleineres Cameo ist (der Name des Schiffes lautet „R.L.S. Legacy“ ausgeschrieben "Robert Louis Stevenson’s Legacy" also „Robert Louis Stevensons Erbe“) bekommt er ihm gebührende Aufgaben. Er muss mit dem Cyborg Silver in der Küche arbeiten. Tatsächlich findet er in ihm den Vater den er nie hatte und dennoch entscheidet er sich dagegen am Ende mit ihm zu gehen. Als Jim für den Tod eines Crew Mitglieds verantwortlich gemacht wird, wirft ihn das weit zurück. Silver redet mit ihm und es kommt zu einem meiner absoluten Lieblingszitate: „Look at you. Blooming like a Solar fire. Jim, you‘re gonna rattle the stars.“
In der deutschen Fassung finde ich zumindest den letzten Satz gut getroffen „Du wirst noch die Sterne vom Himmel holen“. Und ohne groß zu weiter spoilern das macht er.
Die Musik von James Newton Howard, welcher ich nie überdrüssig werde, gibt diesem Film die Unterschrift, die jedes Kunstwerk verdient hat. Auch hier wurden das Klassische und Moderne gut verbunden. Immer wieder wurde kleine E-Gitarren Einflüge untergemischt. Einzelne Stücke des Soundtracks wurden übrigens unter Fluch der Karibik gelegt. Hans Zimmer und Howard sind Freunde und arbeiten auch öfter zusammen. Der Film floppte an den Kinokassen - er spielte bei einem Budget von 140 Millionen $ nur 106 weltweit ein - und wird dafür verantwortlich gemacht, dass Disney die klassischen Animation Studios schloss. Nachdem die Fortsetzung auf Eis gelegt wurde, verließen Ron Clements und John Musker die Disney Studios trotz vorheriger Erfolge und kehrten erst 2006 für Küss den Frosch zurück. In meinen Augen hat die Marketingabteilung eine zu junge Altersgruppe angesprochen. Was soll ein 6-Jähriger mit einer Geschichte, in der es um einen 16-Jährigen Jungen geht, der sich die schuld am Zerbrechen seiner Familie gibt? Disneys Unglück war mein Glück. Als der Film am 5.12.2002 in die Kinos kam war ich gerade 6-Jahre alt. Ich sah den ersten Trailer. Ich werde diesen Satz nicht vergessen „Solar surfen ist cool, aber nicht so cool wie die Reise zum Schatzplaneten“. Es war der erste Film, bei dem ich nicht dachte „Den möchte ich sehen“, sondern „Den muss ich sehen“. Was Solar surfen war? Egal, das würde ich schon rausbekommen. Ich sah den Film auch im Kino und ich war schon als Kind von den Bildern und der Musik begeistert. Jetzt bin ich 22 Jahre alt, musste durch einige Selbstfindungsphasen und bin noch lange nicht da wo ich hin will. Doch ich kann diesen Film immer wieder gucken und je älter ich werde, desto mehr versteh ich den Film. Ich bin damit auch nicht alleine. Meine Generation liebt diesen Film. Der Schatzplanet ist halt nicht nur ein Film, sondern ein Gesamtkunstwerk und nicht jeder kann die Kunst in diesem Film erkennen. Ja es hat außer der Story nicht viel mit der Schatzinsel gemeinsam, aber das macht Disney seit Anbeginn der Märchenverfilmungen. Jede Generation hat seine Schatzinsel und meine? Meine Generation hat sogar einen zeitlosen Schatzplaneten. Bis dieser Film endlich das an Aufmerksamkeit bekommt, die er eigentlich verdient, wird noch etwas Zeit vergehen, aber dazu gibt es ja auch das passende Zitat:
"Aus dir kann mal was ganz Großes werden! Aber du musst dich selbst ans Ruder stellen und deinen Kurs bestimmen. Nicht aufgeben Junge, auch bei Stürmen nicht. Denn wenn die Zeit kommt, dann kriegst du schon deine Chance hart an den Wind zu gehen und zu zeigen, was in dir steckt. Und hoffentlich kann ich dabei sein und was von dem Licht abkriegen in dem du dann erstrahlst." Long Silver
Canib-AL-enie
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