„Wild River“ aus dem Jahr 1960 beginnt mit schwarz-weissen Dokumentaraufnahmen einer Überschwemmungskatastrophe in Tennessee und einem Interview mit einem Überlebenden, der dadurch nahezu seine komplette Familie verloren hat. Logisch, das gerade das in Schatten von Katrina den Zuschauer recht schnell in den Bann zieht.
Nach diesem Unglück beschloss die US-Regierung den Tennessee-River durch 9 Dammanlagen in seine Schranken zu verweisen und gründete dazu die TVA (Tennessee Valley Authority) um das nötige Land aufzukaufen und den Bau der Staudämme zu überwachen und durchzuführen.
TVA-Agent Chuck Glover (Montgomery Clift) kommt also in eine kleine Stadt an einem Flussknie, in der gerade die Aufräumarbeiten auf Hochtouren im Gange sind. Sein Auftrag – die einzige kleine Flussinsel aufzukaufen, deren Besitzerin sich immer noch weigert ihr Land zu verlassen. Diese alte Lady namens Ella Garth (Jo van Fleet) ist die letzte Überlebende einer Familie die bereits seit mehreren Generationen auf dieser Insel lebt und lässt ihr Land durch eine große Gruppe Schwarze bewirtschaften. Diese sind zwar im eigentlichen Sinne keine Sklaven mehr, aber ebenso wie Ella der Insel und ihren Traditionen verwurzelt.
Ebenso auf der Insel lebt noch Ellas Schwiegertochter Carol Baldwin, deren Mann umgekommen ist und die sich nun mit ihren zwei kleinen Kindern irgendwie alleine durchschlagen muss. Das es zwischen Ella und Chuck zu einer Liebesbeziehung kommt ist nun das einzige Hollywoodklischee das Kazan bedient, der Rest des Filmes hebt sich wohltuend ab.
So ist zuerst einmal der Konflikt zwischen Chuck und der alten Lady sehr unangenehm, denn der Zuschauer versteht beide Seiten. Einerseits versucht die TVA wirklich etwas positives – die Eindämmung des Flusses war damals nötig um weitere Großkatastrophen zu verhindern. Wer genauere Infos darüber sucht sollte mal nach TVA und Tennessee googlen.
Auf der anderen Seite steht die südstaatenmässige Verwurzelung der seit Generationen auf eigenem Land lebenden Ella Garth, de in ihrem Leben nur selten den Fuss aufs Festland gesetzt hat und „modernen“ Entwicklungen wie stinkenden Autos und Elektrizität nichts abgewinnen kann. Nicht das diese Lady nicht in der Lage wäre Kompromisse einzugehen – ihr Zusammenleben mit den Schwarzen auf der Insel und die Art wie sie mit ihnen kommuniziert, zeigt deutlich das sie die Zeichen der Zeit sehr wohl erkannt und den Schritt vom Sklavenhalter zum Arbeitgeber mittlerweile vollzogen hat.
Eine zweite Plotlinie beschäftigt sich mit dem latenten Südstaatenrassismus der im Laufe des Filmes zum gewalttätigen Ausbruch kommt – glücklicherweise ist diese Zeit ja mittlerweile überstanden, wie man deutlich in den letzten Wochen erkennen konnte. (´tschuldigung für diesen Anflug von Sarkasmus).
Der letzte - ebenso wichtige – Teil der Geschichte ergibt sich aus den sozialen Strukturen in der Südstaatenkleinstadt, in der es natürlich Institutionen wie Polzei und verantwortliche Politiker gibt, die Meinungsbildung allerdings Leuten wie dem Tankwart Hank (Albert Salmi) und seiner Gang kleingeistiger Gehilfen vorbehalten ist.
All das verpackt Kazan in gewohnt wunderschöne Cinemascopebilder und fügt durch seine sehr straffe Regieleistung und geniale Schauspielerführung alle Puzzlestücke zu einem kompakten Ganzen zusammen.
Montgomery Clift, der mir ansonsten immer sehr steif und langweilig vorkam, bringt hier eine glaubhafte und überzeugende Charakterstudie eines absolut nicht heldenhaften Helden, die wunderschöne – damals noch blutjunge – Lee Remick zeigt in ihrer ersten großen Hauptrolle bereits ihr Talent und spielt eine Frau die zwischen ihrer Liebe zu Chuck und der zu ihrer dominanten Schwiegermutter hin- und hergerissen ist.
Doch die Performance die „Wild River“ weit über das übliche Melodram der 60er Jahre heraushebt ist die von Jo van Fleet, die – damals gerade 46 Jahre alt – die 80-jährige Ella spielt. Mit tiefstem Südstaatenakzent, einer grandiosen Mimik und Körpersprache und vor allem mit ihren weise wirkenden Augen bringt sie den Charakter zum Leben und stehlt sämtlichen anderen Schauspielern die Show. Da fragt man sich wirklich, wie die Academy diese Leistung übersehen konnte – jede einzelne Szene in der sie auftaucht schreit förmlich nach einem Oscar für die beste Nebenrolle.
„Wild River“ ist wieder ein Beweis dafür, das die Herausgeber der „Classic-Edition“ von McOne ein sicheres Händchen bei der Auswahl ihrer Releases haben. Leider krankt die DVD aber auch wieder an den üblichen Problemen.
So ist die Bildqualität zwar nahezu perfekt (diesmal gibt es nicht den geringsten Kratzer oder Verunreinigungen des Masters), leider fehlen aber wieder die Untertitel und die großmäulig auf dem Backcover angepriesenen Extras erweisen sich als das übliche Füllmaterial. Neben den uninteressanten Trailern zu anderen Filmen gibt es wieder unkomplette Biografien zum durchlesen und eine Fotogalerie aus ganz genau 4 (in Worten VIER) schlecht gescanten Bildern.
Schließlich noch einmal einige Worte zum leidigen Thema Untertitel. „Wild River“ spielt in den Südstaaten der USA, was dazu führt, das die meisten Charaktere des Filmes einen sehr starken Akzent sprechen. Das ist besonders bei der Performance von Jo van Fleet und den diversen schwarzen Darstellern sehr wichtig und charakterbildend. Logischerweise ist davon in der deutschen Synchronisation nichts mehr zu spüren – lupenreines hochdeutsch wo immer man hinhört – und das raubt dem Film mindestens 30 % seiner Qualität.
Da es allerdings selbst für jemanden, der die englische Sprache recht gut beherrscht sehr schwer ist das südliche Idiom zu verstehen (Bsp.: „I ´on´t ´ell ma dawg a´ all, nomam!“ - „I won´t sell my dog at all – no ma´m!“), wäre es natürlich toll deutsche – oder zumindest englische Untertitel zuschalten zu können und so den Film in seiner usprünglichen Form geniessen zu können. Wer sich nicht vorstellen kann in wie fern die deutsche Synchro den Film zerstört, der sollte sich die DVD ausleihen/kaufen und mal bei Minute 22 – 25 zwischen den beiden Tonspuren hin- und herschalten.
Wieder eine vertane Chance – und deshalb kann ich hier auch nur eine bedingte Kauf-/Leihempfehlung aussprechen. Für jeden Filmfan ist „Wild River“ ein Muss und eine wertvolle Wiederentdeckung – man sollte sich aber der Probleme des Releases bewusst sein.
Wertung:
Bild: 10/10
Ton (deutsch): 5/10
Ton (englisch): 8/10 (leichtes Rauschen)
Ausstattung: 2/10 (keine Untertitel – miese Extras)
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