The Phantom of the opera (1962) Regie: Terence Fisher Vorlage: Gaston Leroux Drehbuch: Anthony Hinds Kamera: Arthur Grant Art-director: Don Mingaye Musik: Edwin Astley Darsteller: Herbert Lom, Heather Sears, Edward de Souza, Michael Gough
Nachdem Hammer in den Jahren zuvor bereits sehr erfolgreich fast alle klassischen Universal Monster wieder belebt hatte, blieb nicht mehr viel außer dem „Invisible Man“ oder dem „Phantom of the opera“. Da aber gerade zur Produktionszeit herum Superstar Cary Grant Interesse bekundet hatte „unbedingt“ in einem Hammer-Film mitspielen zu wollen und man ihn nicht in der Rolle eines Unsichtbaren haben wollte, beauftragte man Anthony Hinds damit, ein Drehbuch zu Leroux Episodennovelle zu schreiben, dass dem Auftritt eines Hollywoodstars würdig sei. So orientierte man sich also hauptsächlich nicht bei der Vorlage oder der ersten Verfilmung mit Lon Chaney, die sich ja recht akribisch ans Buch hielt, sondern eher bei der ersten Farbversion aus dem Jahr 1941, in der Claude Rains bereits ein eher sanftes Phantom spielte. So wurde die Hauptrolle des Erik, der in der Vorlage ein seit Geburt entstelltes musikalischen Genie ist, dass unter der Pariser Oper wohnt und immer mehr dem Wahnsinn verfällt, ein wenig mit Studiosandpapier abgeschliffen. Der Hammer-Erik ist Professor, hat jetzt den französischen Namen Petrie und ist ein Musikgenie, dass vom bösen und schmierigen Lord Ambrose betrogen wurde, durch einen Unfall mit Säure entstellt ist und nun unter einer Londoner Oper wohnt. Natürlich sprang der Hollywoodstar kurz nachdem das Drehbuch fertig gestellt war ab – ob er es jemals gelesen hat ist nicht belegbar – und so verpflichtete Hammer Hollywood Nebendarsteller Herbert Lom für die Titelrolle. Der macht seine Sache auch recht gut, ist aber bei den meisten seiner wenigen Auftritte hinter seiner, das komplette Gesicht bedeckenden, Maske verborgen. Als Eriks/Petries Muse fungiert in dieser Version die Sängerin Christine, die von Heather Sears wirklich hinreissend gespielt wird. Vor allem ihre Dialoge mit Edward de Souza, der ihren Love-interest/Opernregisseur Harry Hunter (welch ein Name!) spielt, sind wirklich erfrischend natürlich. In Nebenrollen finden sich dann auch noch eine Unzahl an Hammer-Gesichtern und TV-Stars der 60er Jahre, in Erinnerung bleibt vor allem ein 30 Sekunden Auftritt von Michael Ripper als ruppiger Kutscher. Doch ein Horrorfilm lebt immer auch von einem guten Bösewicht und da das englische Phantom nun ja offensichtlich Gewalt verabscheute (wenn man mal von ein paar lernrelevanten Ohrfeigen an seine Schülerin absieht) und mit dem Gehirn eines Professors ausgestattet war (und warum bitte schlägt der dann Frauen?) wurde der schmierige und herzensschlechte Lord Ambrose ins Drehbuch geschrieben und hier kommt jetzt auch der Hauptgrund, warum der Film in eure Samlung gehört. Michael Gough, der ja auch in „Horror of the black museum“ und „Konga“ bereits Bösewichte gespielt hatte, präsentiert uns hier eine Figur, von der man von der ersten Sekunde seines Auftrittes an komplett abgestoßen ist. Lord Ambrose ist ein schmieriges, frauenfeindliches, geldgieriges A****loch, dass für einen finanziellen oder Lustgewinn sämtliche Prinzipien über den Haufen wirft. Der Kerl ist einfach nur Bahhh... ...im Gegensatz zu den Bildern, die uns der Film bietet – ich bitte um Applaus für diesen eleganten Themenschwenk. Da „The Phantom of the opera“ zu großen Teilen in und unter einem Opernhaus spielt, war es schon zu Beginn klar, dass für die Realisierung des Projektes die Bray-Studios nicht geeignet sein würden. Nach einiger Suche fand man dann auch mit dem „New Wimbledon Theatre“ ein Haus mit 1600 Plätzen, dass gerade eine Aufführungspause hatte. Zusätzlich wurden auch noch die großen Hallen des Studios teilweise komplett besetzt und dementsprechend wirkt der Film erheblich größer, als man es von Hammer gewohnt war. Speziell die Szenen in den Katakomben mit ihren steinernen Treppen und Rampen und dem durch das ganze Set fliessenden Kanal sind grandios. Zusätzlich hatte man dadurch, dass man das ganze Opernhaus benutzen konnte, auch noch die Chance eine komplette Inszenierung auf die Beine zustellen. Art Director Don Mingaye zaubert hier für die Aufführung der für diesen Film geschriebenen Oper über Jeanne d’Arc ein nahezu expressionistisch anmutendes Set. Wo wir gerade beim Thema Musik sind, Komponist Edwin Astley müsste eigentlich einen Credit mit Sternchen bekommen. Nicht nur dass seine Musik wirklich „hammerresque“ klingt, er musste für den Film auch noch nahezu eine komplette Opernpartitur inklusive Libretto schreiben. Sicher, es gibt nur eine Arie der Hauptdarstellerin (gesanglich gedoubelt von der Sopranistin Patricia Clark) einige gesungene Dialoge und einige Chorstücke, aber so etwas muss man erst einmal für eine relativ kleine Produktion hinzaubern. Zumal die Oper, deren Uraufführung wir im letzten Akt verfolgen können, auch noch dermassen interessant inszeniert und mit Bühneneffekten unterlegt ist, dass man sie gerne sehen würde. Hammers Meisteregisseur Terence Fisher bringt all diese unterschiedlichen Ebenen des Filmes zusammen und inszeniert mit sicherer Hand. Allerdings muss man bei all diesem Geschwärme auch zugeben, dass „Phantom“ einem direkten Vergleich mit den früheren Werken Fishers wie „Dracula“ oder „Curse of Frankenstein“ in keinster Weise standhalten kann. Das legt vor allem natürlich am fehlenden übernatürlichen bzw. unheimlichen Element. Durch die ehe friedliebende Interpretation des Titelcharakters und der Unmöglichkeit, den eigentlichen Bösewicht der Version zu einem kaltblütigen Killer zu machen, war man hier bereits eingeschränkt. Hammers – in Zusammenarbeit mit Universal gefällte – Entscheidung den Film nicht auf das gefürchtete X-Rating hin, sondern mit einer Freigabe für alle Altersbereiche zu produzieren, raubte noch die restlichen Möglichkeiten, den Film mit Schocks aufzumöbeln. Als Konzessionsentscheidung kann man den unheimlichen Buckligen ansehen, der zusammen mit Erik/Petrie in den Katakomben lebt und ab und an – und ohne ersichtlichen Grund – irgendwelche Nebendarsteller beseitigt. Das führt zu einem erstaunlich blutigen Mord an einem Rattenfänger, hat aber im Verlauf des Filmes eigentlich keine Berechtigung und diente wohl nur dazu, das Horrorpublikum nicht komplett zu verprellen. Kommen wir letztlich noch zum Elefanten im Raum, den Leroux in seiner Novelle wie folgt beschreibt: „Stellen Sie sich, wenn Sie es können, nun vor, dass ein Totenkopf plötzlich zum Leben erwacht, um mit den vier schwarzen Löchern seiner Augen, seiner Nase, seines Mundes seine heftige Wut, seinen dämonischen Zorn auszudrücken, während seine Augenhöhlen blicklos sind, denn wie ich später erfuhr, sieht man seine glühenden Augen nur in tiefer Nacht.“ Gaston Leroux, „Le Fantòme de l’Opéra“
Die Demaskierungsszene ist ein Beispiel für einen perfekt gesetzten kleinen literarischen Schockeffekt und ist auch immer einer der wichtigsten Punkte, wenn es daran geht, den Stoff für die Leinwand zu bearbeiten. Wirklich gut umgesetzt wurde er allerdings nur ein einziges Mal im Jahr 1925, als Lon Chaney in der Stummfilmfassung einen Erik präsentierte, der direkt aus diesen Zeilen entsprungen schien. In keiner der von mir bisher gesehenen Versionen (auch nach Hammers Variante) ist das auch nur im entferntesten wieder gelungen. So packt Hammer diese Schlüsselszene auch so weit wie möglich nach hinten – um genau zu sein, zu weit nach hinten und an eine Stelle an der sie überhaupt keinen Eindruck mehr hinterlassen kann. Zu diesem Zeitpunkt ist das eigentliche Drama, die Erkenntnis, dass es sich bei Petrie um einen guten Menschen handelt, schon lange abgearbeitet, eine Demaskierung zu diesem Zeitpunkt ist dramaturgisch komplett überflüssig. Offensichtlich handelt es sich also bei „Phantom of the Opera“ um einen sehr zwiespältig zu sehenden Film. Auf der einen Seite ist er optisch überragend, hat eine wirklich tolle Musik, großartige Darsteller – allen voran Michael Gough – und eine wurnderschöne Atmosphäre, aber auf der anderen ist er nicht wirklich spannend und die Änderungen tun der Geschichte nicht gut, sondern nehmen ihr sämtlichen Gruselfaktor. Die Idee mit dem eigentlich sympathischen „Monster“ klappt bei „Frankenstein“ sehr gut, weil dort bereits die ursprüngliche Geschichte eher den langsam dem Wahn verfallenden Doktor als Protagonisten hat, in Leroux Novelle ist es allerdings das Phantom selbst, dass – aufgrund seines selbst gewollten Rückzuges von aller Zivilisation – sämtliche guten Umgangsformen über den Haufen wirft und „böse“ wird. Die „Hollywoodiesierung“ tut dieser Figur und der gesamten Geschichte einfach nicht gut, hat aber zumindest dafür gesorgt, dass nahezu alle späteren Verfilmungen des Stoffes (und auch die Musicalversion) diesen Ansatz wählten. Wie gesagt, optisch und von der Besetzung her haben wir es hier mit einem kleinen Meisterwerk zu tun, dass in diesen Beziehungen auch heute noch beeindrucken kann, in Bezug auf Horror- bzw. Schaueratmosphäre arbeitet „Phantom of the opera“ hingegen weit entfernt vom bei Hammer üblichen Level.
Zur VÖ von ANOLIS
Wie üblich gibt es bei Bild und Ton der vorliegenden BluRay nichts zu meckern. Das Bild ist wunderbar scharf ohne seine Natürlichkeit zu verlieren, die Farben wirken lebendig und gerade durch die großen Sets, die vielen Aufnahmen in der Oper und einige überraschende aesthetische Ansätze macht es einfach Spaß sich in die Bilder fallen zu lassen. Zusätzlich ist es ANOLIS auch noch gelungen eine komplette deutsche Synchronfassung aufzutreiben, die jahrzehntelang als verschollen galt und dementsprechend auf bisher jedem deutschen Release fehlte. Ich habe kurz reingehört und sie ist wohl ok, es handelt sich halt um eine typischen 60er Jahre Kinosynchronisation, die sehr aufwendig und mit viel Liebe erstellt wurde. Auf der anderen Seite bevorzuge ich aber gerade bei englischen Filmen doch die Originalfassung, schon alleine wegen der vielen unterschiedlichen Sprachfärbungen, die dem Zuschauer dort geboten werden. Dabei sollte man auch die wirklich guten deutschen Untertitel einmal loben, ohne die es zum Beispiel für einen Nicht-Eingeborenen nahezu unmöglich wäre, den zweiten im Film auftauchenden Kutscher (keine Angst, der wird Euch auffallen) zu verstehen. In Sachen Extras gibt es ein 30-minütiges Making Off von 2012, das von Hauptdarsteller Edward de Souza kommentiert wird, der hier unter anderem Texte über sich selbst vortragen muss, was ein wenig seltsam rüber kommt. Ansonsten bietet dieses Special aber viele nötige Hintergrundinformationen, die dem besseren Verständnis dieser außergewöhnlichen Produktion dient. Als weniger informativ in Bezug auf „Phantom“ erweist sich der Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad, was nicht heißen soll, dass er überflüssig wäre. Das Problem der beiden ist halt nur, dass sie eingefleischte HAMMER-Fans sind und dementsprechend dazu neigen abzuschweifen. So findet man hier – nachdem anfänglich das Gary Grant-Thema intensiv besprochen wird – eine interessante Diskussion über die schauspielerischen Ansätze von Christopher Lee und Peter Cushing. Da beide allerdings nichts mit dem vorliegenden Film zu tun haben, fragt man sich allerdings doch, warum man hier nicht einen zweiten Take aufgenommen hat. Ich hätte es mitlerweile fast lieber einen reinen Audiopodcast der beiden hören zu können, bei denen sie nicht themenmässig gefangen sind. Mehr Infos und Details über den Dreh und die Hintergründe des Filmes gibt es allerdings im, diesmal sogar 36-seitigen, Booklet, in dem sich Texte von Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Uwe Huber finden, die mir zumindest das gegeben haben, was ich im Komentar vermisst habe. Der Rest der Scheibe ist wieder gefüllt mit einigen Trailern und einer ganzen Menge eingescanntem Werbematerial, das einen schönen Einblick in die Vermarktung des Filmes gibt. Speziell beim Material zu „Das Geheimnis der unheimlichen Maske“ zeigt sich deutlich, dass man hier versuchte, sich an den gerade mit Vollgas durch die Kinolandschaft bretternden Wallace-Zug anhängen wollte und dementsprechend alle Bezüge zur klassischen Vorlage nach hinten schob. Wie erwähnt ist „Phantom of the opera“ ein zweischneidiges Schwert. Mit Sicherheit ist es einer der schönsten und aufwendigsten Filme, die HAMMER jemals produziert hat, als Grusel- oder gar Horrorfilm ist er aber nicht zu gebrauchen. Sicherlich ist die „Romanze“ zwischen der Sängerin und dem Phantom immer schon das zentrale Band gewesen, das die Geschichte zusammengehalten hat, aber das weichgeklopfte Drehbuch von Anthony Hinds nimmt der Figur des Erik/Petrie sämtliche Ecken und Kanten, aus dem über Leichen gehenden verrückten Mäzen wurde ein vom Schicksal gebeuteltes Genie, dessen einziges Ziel die Veröffentlichung seiner Musik ist. So bekommen wir also hier ein romantisches Drama mit einigen wenigen, aufgesetzt wirkenden, Gruselelementen geboten, dessen zentrales Geheimnis, dank der Bekanntheit der Vorlage nun auch niemanden wirklich vom Hocker reisst. An der Veröffentlichung gibt es wie üblich nichts auszusetzen und für Leute, denen Synchronisation etwas bedeutet führt eh kein Weg am Kauf vorbei (selbst wenn die im April versprochene Zocki-Synchronisation wegefallen ist) und Komplettisten der HAMMER-Collection müssen ebenso zugreifen. Alle anderen sollten halt ganz genau überlegen, ob „Das Geheimnis der unheimlichen Maske“ dem entspricht, was sie sich wünschen – mehr als 2000 Worte Hilfestellung kann ich Euch dabei auch nicht mit an die Hand geben.
Dia |
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