BLUEBERRY (2004)
"Blueberry" ist nur auf den ersten Blick eine Comicverfilmung des Westernklassikers von Jean "Moebius" Giraud, aber das müsste dem Zuschauer spätestens klar werden, wenn er feststellt, das Jan Kounen, der französische Visionär, dessen Filme immer etwas "anders" sind, der Regisseur ist. So ist auch dieses Werk sicherlich für den normalen Zuschauer eher verstörend, für Freunde des Phantastischen aber eine Entdeckung wert. Der Film beginnt damit, das der junge Mike irgendwann um 1870 in einer amerikanischen Kleinstadt sein erstes sexuelles Erwachen bei einer Prostituierten hat. Ehe es noch richtig zum klischeehaften Verlieben der beiden kommt, erscheint der Hauptlover/Pimp/Freund ( Michael Madsen) der horizontal tätigen Dame, es kommt zu einer Konfrontation, deren genauer Verlauf dem Zuschauer erspart wird und während im Hintergrund das Bordell abbrennt, verlässt ein blutverschmierter Mike reitender Weise die Stadt. In der Wüste bricht er zusammen und wird von Chiracahua-Indianern gerettet, die ihn mittels shamanischer Rituale und einem guten Schluck eines mit Peyote gemixten Ayayuhaskatees wieder gesundpflegen, was dem Zuschauer in einer schönen und von Fachwissen geprägten Tripsequenz deutlich gemacht wird. Mike lebt nun eine Zeit lang bei den Indianern und wird von ihnen Blueberry genannt. Schnitt - und wir sind wieder in der Stadt. Es ist zehn Jahre später und Mike ist mittlerweile Sheriff und wird von Vincent Cassel verkörpert. Eine Zeit lang "westernd" der Film jetzt so vor sich hin und entpuppt sich als eine Art Italowestern (schmutzig, hart, brutal) mit deutlichen Edelwesternanleihen (strahlende Helden, eine im Herzen gute Bordellchefin, ein klischeeüberladener Saloon). Die Story dreht sich um irgendeinen sagenumworbenen Indanerschatz, es werden die üblichen rassistischen Probleme angesprochen (ein ganz böser Böser verletzt sich sogar selbst um die Indianer in Verruf zu bringen) und irgendwann kommt auch Michael Madsen in die Stadt (mittlerweile auch noch böser geworden als am Anfang des Filmes) und es kommt zur erwarteten Konfrontation, die Mike abermals nur schwer verletzt überlebt. Seis drum - irgendwann machen sich endlich alle, bis dahin noch lebenden, Hauptcharaktere aus verschiedensten Gründen auf den Weg, um den Schatz der Indianer zu suchen. Blueberry und Madsen finden ihn nahezu gleichzeitig in einer Höhle und er entpuppt sich als eine Peyote-Plantage, die sich gewaschen hat. Und so beginnt die letzte halbe Stunde des Filmes in der sich die beiden innerhalb der Tripwelt ein psychologisches Duell liefern in dem alle noch offenen Fragen geklärt werden. Schizophren ist wohl das Wort, das den Film am besten beschreibt. Die Westerstunde in der Mitte ist eine nahezu bildgenaue Umsetzung eines Moebius-Comic. Diese selbst sind ja für ihre brilliante Bildsprache bekannt und Kounen schränkt sich dabei auch genug ein, um diese Welt lebendig werden zu lassen. Unterstützt von einer Cast, die selbst in den Nebenrollen noch recht prominent besetzt ist ( Juliette Lewis, Ernest Borgnine, Colm Meany) entfaltet sich hier ein ganz eigenständiger -ja französischer- Western. Beide Teilbereiche des Filmes sind auf ihre ganz eigene Weise interessant (wobei mir der Westernteil persönlich nicht so sehr zusagte), aber zusammen funktionieren sie absolut nicht, denn das Verbindungselement zwischen diesen beiden ganz unterschiedlichen Welten ist ist einfach zu weit hergeholt, so das der Film komplett zwei- oder besser dreigeteilt wirkt. Für Kounen-Komplettisten oder Leute mit einem Interesse an exotischen Drogen ist der Film sicherlich ein Muss; Western- und Comicpuristen wird er eher abstoßen und verstören. Für erstere bietet sich Kounens DokumentarflmD'autres mondesüber seine eigenen shamanischen Reisen an, letztere sollten sich je nach Geschmack weiterhin an Genreklassikern wie "Rio Bravo" oder "The Good, the Bad and the Ugly" erfreuen. "Blueberry" selbst ist sicherlich einen Blick auf der großen Leinwand (wenn möglich) oder einen Kauf für um die 5 €uro wert - mehr aber leider nicht.
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