Der Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) führt als Scout eine Gruppe von Männern an, die um das Jahr 1820 herum den oberen Verlauf des Missouri erforscht. Die Gruppe wird von einer Horde Ureinwohner überfallen und dezimiert. Auf ihrer Flucht verlieren sie ihr Boot und ihre Pferde und sind nun gezwungen die wochenlange Reise zurück in ihr Fort zu Fuß anzutreten. Bei einer Rast wird Glass dann vom einem Bären angefallen und sehr schwer verletzt. Da er dadurch logischerweise ziemlich immobil ist, beschließt die Gruppe unter der Leitung von Captain Henry (Domhnall Gleeson) weiterzuziehen und lässt Glass zusammen mit seinem halbblütigen Sohn (Forrest Goodluck), dem jungen Brigder (Will Poulter) und dem grimmigen John Fitzgerald (Tom Hardy) zurück, damit diese dem Tempo des Verletzten angepasst folgen können.
Fitzgerald hält zwar nicht wirklich viel von diesem Vorschlag, stimmt seinem Vorgesetzten allerdings zähneknirschend zu. Bereits nach wenigen Tagen jedoch zeigt er sein wahres Gesicht, tötet Glass Sohn, raubt dem Verletzten all seine Waffen und persönlichen Gegenstände und lässt ihn, im Glauben er sei mittlerweile verstorben, in der Wildnis zurück.
Von diesem Punkt an begleiten wir dann Hugh Glass auf seinem Überlebenskampf durch die wilde Landschaft und – zum Ende hin – natürlich auch bei seiner Rache.
Mit „The Revenant“ liegt nun ein weiterer „Neo Western“ vor, der sich durchaus an klassischen Mustern orientiert, aber modernste Technik zur Umsetzung seiner Geschichte nutzt. Diese Rückbesinnung auf alte Werte, diese Wiederbelebung des amerikanischsten aller Filmgenres, ist nicht wirklich neu – eine ähnliche Renaissance gab es bereits in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts mit Filmen wie „Silverado“ (1985), „Unforgiven“ (1992) oder dem modernen Meisterwerk „Dances with wolves“ (1990) – die Menge der Western allerdings, die im Jahr 2015 gedreht wurden ist schon erstaunlich. Das mag zum einen an der gerade in den USA stattfindenden Rückbesinnung auf konservative politische Werte liegen, der Hauptgrund wird allerdings eher der Tarantino Western „Django unchained“ (2012) sein, der gezeigt hat, dass sich mit dem Genre durchaus wieder Geld verdienen lässt. Der mittlerweile gestartete Nachfolger „The hateful 8“ (2015) war zusätzlich lange genug in Produktion und Presse vertreten, das es nahezu zu erwarten war, dass um dessen Starttermin herum die Welt des Wilden Westens wieder von allen möglichen Seiten beleuchtet werden würde.
Und so knubbeln sich mittlerweile klassische Genre-Vertreter wie „Slow West“ oder „Forsaken“, actionorientierte Werke wie „Outlaws and Angels“ und „Jane got a gun“, Parodien wie der unsägliche Adam Sandler Film „The ridiculous 6“ oder gar richtige Horror-Western wie „Brimstone“ oder der herrliche Kannibalen Western „Bone Tomahawk“, auf den diversen Streaming Platformen und den Leinwänden. Wie erwähnt ALLE diese Filme stammen aus dem Jahr 2015 – da fällt es schwer an Zufälle zu glauben.
Nun kann man allerdings Regisseur Alejandro González Iñárritu nicht vorwerfen, dass er nur ein Bauer in diesem Schachspiel um Chartplazierungen und dick gefüllte Brieftaschen ist; der in Mexico geborene Regisseur hatte schon öfter sein Interesse daran bekundet, sich einmal im amerikanischsten aller Genre zu versuchen. So ist sein – sagen wir mal - kommerzieller Arthouse-Stil sicherlich auch hier erkennbar, ebenso sein Hang zum Experimentellen. Diesmal hat er, in enger Zusammenarbeit mit dem genialen und mehrfach Oscar-prämierten Kameramann Emmanuel Lubezki (Gravity, Birdman), ein Werk geschaffen, das zumeist an Originalschauplätzen gedreht und natürlich ausgeleuchtet ist. Ebenso wie schon 1975 bei Stanley Kubriks „Barry Lyndon“ (Kamera: John Alcott) sorgt das für einen ganz besonderen Sog der Bilder. Da ist die Nominierung in den Kategorien „Beste Regie“ und „Beste Kamera“ zumindest gesichert.
Ebenso erwähnenswert ist die Ausstattung, deren Detailverliebtheit und historische Genauigkeit sich erst auf der großen Leinwand so richtig entfaltet. So sind zum Beispiel Attacken der amerikanischen Ureinwohner, mittels Vorderladern nicht so schick abzuwehren, wie in einem John Wayne Western, bei dem einem Schuss auch schon mal zwei „Indianer“ zum Opfer fallen. Das aus diversen Blaurock-Western bekannte Fort ist auch keine Bastion der Zivilisation sondern eine, von groben und unregelmäßigen Palisaden umgebene Ansammlung von mehr oder weniger großen Hütten, in denen es dunkel und stickig ist, da man der äußeren Kälte nur mit offenem Feuer, der Dunkelheit nur mit Kerzenlicht begegnen kann. Die Uniformen, sofern vorhanden, sind dreckig, die Bärte ungepflegt, die Sprache einem Einwandererland entsprechend. Also dürfte auch im Bereich Ausstattung und Kostüme zumindest mit einer Nominierung zu rechnen sein.
Kommen wir nun also nach all der Vorrede zum eigentlichen Fleisch dieses Artikels – zu den schauspielerischen Leistungen. In nahezu jedem Artikel, den man vorab zu „The Revenant“ lesen konnte, in jedem Interview dass Alejandro González Iñárritu gegeben hat, wurde mit Superlativen nur so um sich geschmissen, was die Leistung des Hauptdarstellers betraf. Da möchte ich auch nicht widersprechen, denn alleine durch die Drehbedingungen im winterlichen Kanada, war es sicherlich nicht leicht in der Rolle zu bleiben. Aber diese Bedingungen fanden auch die anderen Schauspieler vor und diese mussten im Gegensatz zu Leo, der ja nun mehr als die Hälfte des Filmes nicht viel mehr macht als leiden und verletzt herumliegen, auch körperlich eine ganze Menge mehr machen. Sicherlich stellt er den schwer verletzten Trapper, den nur seine Rachegedanken am leben erhalten sehr gut dar und dank des ziemlich guten Spezial Make-Ups verschwindet auch die Person Leonardo diCaprio hinter der Rolle, aber so richtig beeindruckt hat mich seine Leistung nicht. Da habe ich von ihm schon bedeutend besseres – in zugegeben schlechteren Filmen (z.B. Aviator) – gesehen. Die Nominierung wird meine Einstellung auch nicht verhindern können, aber eine Oscarwürdige Meisterleistung konnte ich dort nicht finden.
Die bot dann schon eher jemand, der mich in seiner letzten Rolle (als General Hux in STAR WARS –The force awakens) eher enttäuscht hat. Der gerade mal 31-jährige irische Schauspieler Domhnall Gleeson zeigt wieder einmal mehr, dass er ein gewaltiges Potential hat. Seine Figur des Captain Henry, eines Mannes von mittlerem Alter, die in der Erstverfilmung von John Huston ausgefüllt wurde, wirkt lebendig und man spürt das dieser Captain bereits viel erlebt und erlitten hat. Hinter der mürrischen Fassade des harten Vorgesetzten steckt ein grundehrlicher Mensch, der zur Härte gezwungen erscheint. Eine sehr facettenreiche Leistung, die mit Sicherheit zu einer Nominierung für die beste männliche Nebenrolle führen wird.
Zusätzlich zeigt Tom Hardy wieder einmal einen weiteren seiner wortkargen Bösewichte, auch für diese Rolle konnte man niemand besseren finden. Dieses Jahr jedoch wird er wohl eher für seine Doppelrolle als die Kray Brüder in „Legend“ nominiert werden. Verdient gehabt hätte er den goldenen Jungen allerdings bereits im Jahr 2010 für seine Tour de Force Performance in Nicholas Winding Refns „Bronson“.
Das nach einem Buch adaptierte Drehbuch dieses Quasi-Remakes des Filmes „Man in the wilderness“ (1971) dürfte allerdings wenig Chancen haben in diesem Jahr von der Academy bedacht zu werden, denn irgendwie will bei dem Film nicht so richtig Spannung aufkommen. Denn abgesehen von der beeindruckenden visuellen Erfahrung die der Film bietet, ist die erzählte Geschichte, die ja bekanntlich auf einer wahren Begebenheit beruht, doch eher dürftig und über weite Teile vorhersehbar.
Zusätzlich gab es noch einige interessante Experimente beim Schnitt zu bewundern (wieder einmal zeigt Iñárritu hier seine Liebe zu langen Einstellungen), und der Angriff des Bären, dem Leonardo diCaprio zu Beginn zum Opfern fällt ist eine großartige Szene mit einer perfekten Mischung aus handgemachten und computergenerierten Effekten, aber alles in allem dürften das die Haupt-Nominierungen gewesen sein.
„The revenant“ ist mit Sicherheit eines der Westernhighlights des Jahres 2015 (und wie oben erwähnt war dort nicht wenig Konkurrenz) und wird auch mit einigen Oscars nach Hause gehen, eine schauspielerische Offenbarung, die ihm nachgesagt wird, bietet er allerdings eher nicht. Er ist mehr eine ruhige Zeitreise in nahezu dokumentarischem Stil, was ihn halt auch eher langsam und weniger unterhaltsam macht. Aber die Filme von Herrn Iñárritu waren noch nie für ihr großes Tempo bekannt.
Wer weiß, worauf er sich einlässt wird sich über das Eintrittsgeld sicherlich nicht ärgern, doch wer eher klassisches Unterhaltungskino bevorzugt, könnte sich im Laufe der mehr als 2 ½ Stunden eventuell langweilen.
RATING:
IMDB-Rating 8.3/10
Mein Rating 7.5/10
- Hauptkategorie: Film