Mit Disney droht ein neuer Streamingdienst und der bisherige Marktführer sucht nach Wegen siene Position zu behalten...
In einer der unglaublich intensiven Actionszenen von „The Night comes for us“ schneidet unser Held Arian eines der Auffangnetze eines Billardtisches ab, packt dort zwei Billardkugeln rein und schlägt damit auf den Kopf eines Gegners ein. Nicht etwa ein oder zweimal sondern in einer gnadenlosen Attacke, was dazu führt, dass dem Gegner – nachdem Arian zum Luftholen und zum besseren Blick der Kamera pausiert – das Hirn aus dem zertrümmerten Schädel quillt. In „Apostle“ wird einem Charakter, der zufällig dazu kam, als seiner Geliebten von deren Vater das Embryo aus dem Leib geschnitten wurde, durch diesen ein zehn Zentimeter durchmessendes Loch mittels eines Handbohrers in den Kopf gebohrt, während er zuckt und schreit. NETFLIX scheint momentan in den Eigenproduktionen Grenzen auszutesten, die speziell hierzulande doch sehr erstaunlich wirken. Sicherlich gab es speziell in den letzten Jahren eine wahren Welle an Splatterszenen speziell in den großen TV-Serien der US-Kabelsender (Spartacus, Game of Thrones, The Walking Dead), die man ja auch teilweise beim Streamingportal finden konnte, aber was momentan an neuen Produktionen bei uns ankommt hat schon wieder eine neue Dimension. Schließlich ist „The Night comes for us“ zwar rein von der Verpackung her ein Martial Arts Actioner, von der Inszenierung her aber deutlich ein Splatterfilm. Denn wo man in klassischen Eastern zwar mal ab und an eine Blutfontaine sehen konnte oder ein Arm zu Boden fiel, ohne dass dadurch die eigentliche Actionszene unterbrochen wurde, wird hier nahezu jedes Mal, wenn ein scharfes, kantiges oder schweres Objekt mit einem Körper Kontakt bekommt und diesen „eröffnet“ entweder in Zeitlupe gewechselt oder zumindest die Aktion kurz gestoppt, damit man die – hervorragende – Arbeit der Spezialeffektleute bewundern kann. Somit macht der Film sich über weite Strecken genau dessen schuldig, was in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich für Filmverbote und Indizierung herangezogen wurde – er bietet deutliche Gewaltverherrlichung. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, ich hab den Film (der seit wenigen Tagen verfügbar ist) mittlerweile 2 ½ Mal gesehen und kann ihn nur weiter empfehlen. Bei einem sind sich zumindest alle sicher, die den Film bisher gesehen haben – an eine ungeschnittene Veröffentlichung auf DVD oder BluRay ist hierzulande nicht wirklich zu denken. Warum also kann NETFLIX seinen Abonnenten diese Splatterorgie unzensiert bieten und warum gehen sie das Risiko ein eventuell hierzulande Schwierigkeiten zu bekommen? Denn wenn man sich das sonstige Programm des Anbieters speziell im Horror- und Splatterbereich anguckt ist das eher dürftig. Das meiste was man dort findet hat ein FSK-Siegel und entspricht demnach genau den zensierten Fassungen, die man auch im Mediamarkt/Saturn bekommt. Bei Eigenproduktionen hingegen ist NETFLIX tatsächlich nicht auf die FSK angewiesen, da weder eine öffentliche Vorführung noch ein weitergehender Vertrieb angedacht ist und kann dementsprechend nahezu alles veröffentlichen, was den Weg durch diese Institution noch nicht gegangen ist. Schließlich ist der Streamingbereich noch „Neuland“ und wird rechtlich ähnlich behandelt wie ein privater Club, der – solange er nicht öffentlich zugänglich ist – nach seinem eigenen Gutdünken verfahren kann. Allerdings kann das auch zu Schwierigkeiten führen, wie man bei den Kollegen von Amazon Prime deutlich sehen konnte. Dort fand man nämlich in den letzten Jahren, wenn man in der Lage war zu suchen, einige Überraschungen so lange man bereit war auf deutschen Ton zu verzichten. Unter anderem boten die Amazonen eine ganze Menge unzensierte Troma-Filme oder Splatterklassiker aus den 70ern und 80ern an, die teilweise in den deutschen Fassungen immer noch auf Liste B stehen oder hierzulande nur in stark gekürzten Fassungen erhältlich waren. Irgendwann Mitte diesen Jahres scheint das allerdings aufgefallen zu sein und selbst wenn man die Filme noch in den Listen finden kann sind sie nun mit dem Vermerk „dieser Film ist in ihrer Region nicht erhältlich“ gekennzeichnet. Aber zurück zu NETFLIX. Warum also kommt gerade jetzt eine Welle von tatsächlich ultrabrutalen Eigenproduktionen oder Ankäufen (hier sollte man unter anderem auch die beiden „The Raid“-Teile oder das von uns bereits gewürdigte Slasher Double Feature nicht vergessen) in das deutsche Programm? Um das zu verstehen sollte man auch mal über die Grenzen schauen, denn verblüffender Weise finden sich im US-Angebot von Netflix, für das Gewalt ja nun wirklich kein Problem darstellt, nun auch unzensierte Filme wie „Nymphomaniac“, Caspar Noes „LOVE“ oder „Antichrist“, die deutlich sexuelle Handlungen zeigen, was widerum in den Staaten ein absolutes NoGo ist. Beiderseits werden scheinbar momentan Grenzen ausgetestet und zusätzlich versucht ein neues Zielpublikum zu erreichen. Denn NETFLIX befindet sich im Krieg, da demnächst die größten Zugpferde des Anbieters verschwinden werden, da bekanntlich der Disney Konzern (zu dem ja mittlerweile auch Lucasfilm, Marvel und die 20th Century Fox gehören) in absehbarer Zeit ein eigenes Streamingportal starten wird. Mit der selben Idee liebäugeln auch Warner und Universal, denen ers auch nicht entgangen ist, dass sich hier eine schier unerschöpfliche Geldquelle aufgetan hat. Die ersten Auswirkungen sind schon jetzt zu spüren – die MARVEL-Serien werden nicht mehr fortgesetzt, das Angebot an Disneyfilmen ist deutlich geschrumpft. Wenn die Mäuse dann den Markt tatsächlich betreten werden, werden zusätzlich noch alle Star Wars Inhalte verschwinden und somit nicht sonderlich viel übrig sein, was jüngere Zuschauer vor den Bildschirm fesselt. So werden Familien mit Kindern nicht lange überlegen, welchen Streamingdienst sie abonnieren – Mäuse sind angenehmer als appe Köppe und blanke Brüste. Netflix ist zwar ein international arbeitender Konzern, weiss aber natürlich sehr genau was seine Kunden in den einzelnen Ländern vermissen/gerne sehen und versucht nun ganz gezielt auf diese Wünsche einzugehen. Eventuell kommen jetzt für Horror- und Splatterfans tolle Zeiten, das ist sicherlich aber davon abhängig wie oft Filme wie „Apostle“ oder „The Night comes for us“ angeclickt werden. Zum Schluß noch einen kleinen Schwenk zu Amazon-Prime, die auf den kommenden Streaming Krieg ebenfalls bereits reagiert haben. Hier hat man sich entschlossen ebenfalls regionale Interessen mit ins Programm einfliessen zu lassen und bietet seit einigen Wochen verstärkt deutsche B-Film und Exploitationware an. So lassen sich jetzt die 80er Jahre Komödien mit Gottschalk/Krüger und nahezu sämtliche Schulmädchen-Reports dort finden. Sicherlich nicht wirklich Luxusware, aber Filme, die tatsächlich immer noch gerne geguckt werden. Natürlich ist das Ganze ein zweischneidiges Schwert, denn so schön es wäre die Möglichkeit zu haben (nur als Beispiel) „New York Ripper“ oder „Maniac“ unzensiert auf einer Streaming-Platform zur Verfügung zu haben – alles weist darauf hin, dass wir demnächst für jedes einzelne Studio eine eigene Abogebühr berappen müssen, ähnlich wie es heute ja schon bei den diversen Kabel-TV-Anbietern in den USA der Fall ist. Denn wenn man dort zum Beispiel „The walking Dead“, „Game of Thrones“ und „Twin Peaks“ zur gleichen Zeit sehen will muss man sowohl AMC, als auch HBO und ShowTime abonnieren. Für einen Blockbusterfan würde das dann darauf hinauslaufen, dass man sowohl Disney (Marvel, Star Wars), Warner (Harry Potter) und Universal (Jurassic Park) seine Kohle zukommen lassen müsste, wohingegen Prime und Netflix nur noch als Zweitverwerter oder eben in Nischen Platz finden würden. Eine interessante Entwicklung, die uns da bevorsteht – ich bin gespannt...
dia
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