Seed of Chucky (2004) Musik: Pino Donaggio Darsteller: Jennifer Tilly, John Waters, Brad Dourif, Billy Boyd
Nach den Flitterwochen beginnt sogar für einen Chucky der Familienalltag, womit sich gewissermaßen der Kreis schließt – die Bedrohung des amerikanischen Hausfriedens wird nun selbst zum Vater und muss sich mit den Schwierigkeiten der Erziehung im Zeitalter des Gendermainstreaming herumschlagen. Dadurch zeigt sich einmal mehr, wie dicht das Horrorgenre an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen dran ist, denn im Jahre 2004 waren die Texte der großen Säulenheiligen der Queer-Theorie Judith Butler bestenfalls Insiderlektüre für progressive Soziologiestudenten, und auch 2017 herrscht angesichts von reichlich aufgeblasenen Fachbegriffen wie „Heteronormativität“, „patriarchale Hegemonie“ oder „heterosexuelle Matrix“ einige Verwirrung, die die amüsante Nebenwirkung mit sich bringt, dass sowohl Anhänger als auch Gegner der Gender-Studies regelmäßig sex und gender durcheinanderwürfeln, was dann allzu häufig im grob vereinfachenden Postulat, wonach das biologische Geschlecht ein soziales Konstrukt sei, gipfelt. Angesichts von so viel nicht gerade leichtverdaulichem Ballast der intellektuellen Art ist es darum beachtlich, dass Don Mancini, der bereits für die Drehbücher der vorigen Chucky-Teile verantwortlich zeichnete und nun erstmals selbst auf dem Regiestuhl Platz nahm, ein so leichter und humorvoller Film gelang. Zumal Mancini den Fehler so manches Regieneulings macht, reichlich überambitioniert ans Werk zu gehen und seine Arbeit hoffnungslos mit Anspielungen und Zitaten zu überfrachten.
Dabei verfallen Chucky und Tiffany selbst in typische Geschlechterklischees: Tiffany übernimmt die Mutterrolle, betrachtet Shithead als ihre Tochter und fordert sogar ein Ende der wilden Zeiten ein, in denen sie gemeinsam mit Chucky mordend durch die Gegend zog; Chucky hingegen mimt den Macho und will aus „Shithead“, der als Hommage an Ed Wood nun „Glen or Glenda“ genannt wird, einen echten Mann machen. Bezeichnenderweise ist darum eines der zahlreichen Mordopfer ein von der homosexuellen Qeerfilm-Ikone John Waters gespielter Paparazzi. Anstatt es aber bei einem witzig-blutigen Familiendrama über den Schrecken der Heteronormativität zu belassen, versteigt sich „Seed of Chucky“ dazu, eine Art Meta-Film sein zu wollen.
In der Folge geht dann endgültig alles drunter und drüber: um Glen/Glenda ebenfalls einen neuen Körper zu beschaffen muss Jennifer Tilly („Ich hatte eine Oscar-Nominierung und nun ficke ich mit einer Puppe!“) mittels einer Handpumpe geschwängert werden, so dass das Publikum neben einem auf ein „Fangoria“-Magazin onanierenden Chucky auch gleich noch eine im gewissen Sinne unbefleckte Empfängnis geboten bekommt. Glen/Glenda darf wie seinerzeit Norman Bates als Drag-Queen auftreten, inklusive Duschmord (der sich allerdings als Traumsequenz herausstellt), selbst der Weihnachtsmann wird nicht verschont.
Das ist insofern schade, da der Auftakt andere Erwartungen weckt. Die lange Plansequenz aus der Puppenperspektive, die „Halloween“ und „Psycho“ zitiert, hätte jedenfalls Lust auf einen harten Horrorfilm gemacht – erweist sich enttäuschenderweise aber als Traum, aus dem Glen/Glenda mit Pipi in der Hose erwacht, was nicht unpassend zur weitgehenden, glücklicherweise nicht ganz geschmacksicheren Blödelei in „Seed of Chuck“ überleitet. Insbesondere der wichsende Chucky war dabei den amerikanischen Zensoren ein Dorn im Auge, obwohl die Unrated-Fassung (die dem deutschen Zuschauer wiedermal vorenthalten wurde) beweist, dass er auch nicht mehr in der Hose hat als Glen/Glenda. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm…
Dem schließe ich mich hiermit an.
Alexander
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