Silver Bullet (1985) Regie: Daniel Attias Vorlage/Drehbuch: Stephen King Darsteller: Gary Busey, Everett McGill, Corey Haim, Terry O'Quinn
ab 14. September erstmals auf BluRay
Eine klassische Gruselgeschichte aus der Feder des Mannes, der den Horror in den Alltagsgegenstand brachte? Kann das gut gehen? Schon das Buch vermochte mich damals nicht zu überzeugen. Das Thema ist arg konventionell und die Geschichte kommt dazu ziemlich langatmig daher, ohne dem Thema besondere Aspekte abzugewinnen. Eine Auftragsarbeit, mehr gewollt als gekonnt, und eigentlich nur dazu geeignet, von unreflektierten King-Jüngern unter „mal was anderes“ wegsortiert zu werden. Lediglich die Zeichnungen von Bernie Wrightson fand ich schön. Eigentlich war Silver Bullet als Kalendergeschichte geplant, geriet aber dazu viel zu umfangreich. Und weil mit der Geschichte ja sonst kaum was anzufangen war, (außer sie von unreflektierten King-Jüngern unter „mal was anderes“ wegzusortieren) kaute der große Meister noch weiter darauf rum, bis er dann auch noch ein Drehbuch ausspu(c)kte. Das Drama nahm also seinen Lauf und fand in Daniel Attias seinen willfährigen Regisseur. Nachdem der Film in Deutschland traditionell erst geschnitten ab 16 und dann ungeschnitten ab 18 erschien, ist man zwischenzeitlich ungeschnitten bei ab 16 angekommen. Koch Media bringt den Streifen nun erstmals auf Blu-ray in HD-Qualität heraus und ergänzt die Scheibe mit Extras wie Trailer und einen Audiokommentar des Regisseurs. Dazu gibt es noch eine Bildergalerie mit seltenem Werbematerial. Gemäß der Evil Ed Silver Bullet Review Tradition beginne ich meine Inhaltsangabe mit einem Säufer, der einen Kopf kürzer gemacht wird. Dann sind da noch Marty, ein aufgeweckter Junge im Rollstuhl, seine Schwester Jane, ein cooler Uncle Red und noch ein paar weitgehend stereotype Figuren in einer romantisch verklärten Kleinstadt. Diese romantisch verklärte Kleinstadt wird nun von einer Reihe brutaler Morde heimgesucht. Der von seiner Mutter überbehütete Marty ist natürlich der einzige der an eine übernatürliche Ursache glaubt. Dank „Silver Bullet“, dem vom coolen Onkel zusammengebauten motorgetriebenen Rollstuhl, ist er überproportional mobil und lernt beim heimlichen Abfackeln des vom coolen Onkel besorgten Feuerwerks seinen neuen Widersacher in Gestalt eines Werwolfs kennen. Dank einer aufgesparten Red Ryder BB Rakete kann er Isegrim eine bösartige Verletzung zufügen. Jetzt heißt es nur noch einen Menschen mit der gleichen Verletzung zu finden und der Täter ist enttarnt. Dieser Film ist komisch. Nicht im Sinne von lustig, auch wenn er dem Zuschauer tatsächlich ab und an ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Nein, er ist wirklich seltsam. Mitunter durchaus spannend, wirkt er die meiste Zeit aber extrem hölzern. Es ist als würde man einen Schlefaz mit brechtschen Mitteln als episches Theater inszenieren. Dabei hat der Film definitiv Potential. Neben den spannenden Szenen, ist auch die Idee eines permanenten Werwolfs, dessen Einfluss je nach Mondphase mal mehr und mal weniger ausgeprägt ist, ziemlich gut. Dazu passt auch die Tatsache, dass die Opfer immer „Sünder“ sind. Viel Potential für einen großartig zerrissenen Bösewicht. Aber dieser Aspekt wird, wie so vieles andere auch, einfach weggelassen. Wirklich komisch. Aber sagte ich ja schon. Nun gut, es ist ein Erstlingswerk eines Regisseurs, der danach nur noch TV Produktionen inszenierte. Der Kameramann, ein Italiener, sprach leider kein Englisch, sondern neben seiner Muttersprache nur noch ein wenig Französisch. Die Abstimmung mit ihm wurde folglich in erster Linie durch seine Berufserfahrung bestimmt. Das erklärt schon mal einiges. Aber da ist noch was anderes. Nur was? Ich geriet ins Grübeln. Nachdem also nun auch noch ich ein paar Tage auf dem Film herumgekaut hatte, fiel es mir auf einmal wie Schuppen aus den Haaren: Es ist gar kein Horrorfilm! Es ist ein Kinderfilm! Der gesamte Fokus wird auf Marty und seine Schwester Jane gelegt, die sich natürlich von den Erwachsenen komplett unverstanden fühlen, selbst der coole Onkel Red ist begriffsstutzig. Der Rest der Erwachsenenwelt benimmt sich desinteressiert und geht irgendwelchen Wegen nach. Das Erzähltempo bleibt stets gemächlich und die Handlung ist frei von komplizierten Orts- oder Zeitsprüngen. Es könnte ohne Probleme eine „Fünf Freunde“ oder „Kalle Blomquist“ Verfilmung sein. Nur hat das Ganze einen Haken, einen blutigen Haken sozusagen. Für einen Kinderfilm ist er viel zu gewalttätig! Blut spritzt , Köpfe rollen (ihr erinnert Euch?) und Augen werden ausgestochen. Tricktechnisch nicht unbedingt hochklassig, aber immerhin. Und genau hier wird der Film besonders. Horrorfilme wenden sich normalerweise an ein älteres Publikum und diese Filme sind dann allein schon durch ihre höhere Komplexität für jüngere Seher zunächst einmal uninteressant. Hier ist das anders. Der Horror ist kindgerecht aufbereitet und schlägt dann mit voller Härte zu. Es ist ein längerer Prozess in der Entwicklung eines Menschen die Wirklichkeit von Schaubildern zu unterscheiden. Und auch wer das verstanden hat, lässt sich anfangs noch sehr leicht ins Bockshorn jagen. Jede/r hat Filme oder Szenen in Erinnerung, bei denen man so richtig und viel zu sehr mit der Identifikationsfigur mitfieberte, um dann den dramaturgischen Schocks hilflos ausgeliefert zu sein. Bei mir war das zum Beispiel das Schicksal von Gaylord in „Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung“ (von dem die meisten wahrscheinlich nur die Titelmelodie kennen). Ja man konnte diese Szenen jahrelang minutiös wiedergeben, bis man sie nach zwanzig Jahren dann noch einmal sieht und verwundert feststellt, wie sehr einem die Fantasie doch durchgegangen ist. Der Umgang mit diesen persönlichen Schockmomenten ist vielleicht auch die Basis für das spätere Rezeptionsverhalten. Die einen wollen diese Emotionen immer wieder erleben, während die anderen es auf jeden Fall vermeiden möchten. Silver Bullet ist definitiv ein Film für so eine Basisentscheidung. Kinder, die diesen Film zuerst in die Finger und anschließend auf die Augen kriegen, werden eine unglaublich intensive Achterbahnfahrt erleben, bei der sich so einige Szenen wie oben beschrieben ins Gehirn brennen werden. Aufgepimpt durch die eigene Fantasie kann in der Erinnerung dann auch schon mal aus dem Werwolf der Werbär Meister Petz werden. Aber soll das jetzt eine Empfehlung als Kinderfilm sein? Nein. Eigentlich nicht. Da gibt es besseres! Insgesamt gesehen ist Silber Bullet eigentlich ein solide gemachter Film mit Witz und Spannung, der aber für den erfahrenen Zuschauer viel zu langsam und steril daherkommt. Ob es sinnvoll ist, hiermit seinen Kindern die Welt des Horrors zu eröffnen, vermögen wohl nur die Personensorgeberechtigten beurteilen. Zumindest besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder den Film auch anschauen, sofern sie ihn in die Finger kriegen. Sören
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- Sören Ney
- Königliche Wochen - September 2017