Teil 4
Ahh die achtziger. Welch eine großartige Zeit, wenn man wie ich damals Filmfan von eher jugendlichem Alter war. Dank Star Wars und Alien war mein Lieblingsgenre wieder kassenfüllend und man durfte die Geburtsstunde des heutigen Blockbusterkinos tatsächlich bewusst miterleben. Von E.T., über Raiders of the lost Ark, Blade Runner, der „Back to the Future“-Trilogie und gefühlt hundert anderen Klassikern - was mir im Kino zwischen meinem 18ten und 28ten Lebensjahr geboten wurde, war einzigartig und wird sich sicherlich so schnell nicht wiederholen. Es war eine Zeit, in der sich das Kino als solches neu erfand, Spezialeffekte teilweise wichtiger wurden, als das was drumherum gestrickt wurde und der dunkle Geist des Videobooms dafür sorgte, dass man in Hollywood (aber auch als Kinobetreiber) kreativer werden musste. Es galt den Zuschauer aus dem heimischen Sessel in die Kinosäle zu treiben und während die Produzenten das mit immer größeren und bildgewaltigeren Werken taten, gingen die Kinobesitzer dazu über ihre riesigen Säle in kleine Schachteln umzubauen, die teilweise mit furchtbarster Technik (Rück- und Spiegelprojektion) arbeiteten und das Kinoerlebnis auf etwas reduzierten, das ich heute in meinem Wohnzimmer besser erleben kann. Aber das soll ja nicht das Thema dieses Artikels sein, hier geht es ja schließlich um die große 3D-Welle der achtziger Jahre, von der die Eltern- und Großelterngeneration der heutigen Kinobesucher immer so schwärmt. Tja, liebe Leser, da muss ich Euch jetzt zu Beginn direkt mal einen Zahn ziehen, bevor ich mich an die Bearbeitung der filmischen Parodonthose mache, aus der diese „Welle“ bestand. Denn das großartige 3D-Revival der 80er gab es in der erinnerten Forem gar nicht. In Wirklichkeit hat sich die Geschichte wie folgt zugetragen... Das dreidimensionale Kino war zum Ende der 70er Jahre, trotz einiger beeindruckender Werke der Shaw-Brothers und einiger Dokumentationen, nahezu völlig im Bereich der blanken Brüste angekommen. Es galt der nahezu totgerittenen (höhö) Sexwelle noch ein paar Meilen abzuringen, was – speziell hierzulande – dadurch erschwert wurde, dass die nackten Milchdrüsen von Ingrid Steeger und Elizabeth Volkmann nun jederMANN dienstags zur besten Sendezeit in der ARD bei „Klimbim“ präsentiert wurden. Zusätzlich wurde harte Pornographie mittlerweile offen in speziellen Kinos gezeigt, Reizüberflutung und Abstumpfung machten sich somit bei einem Genre, welchers generell nie durch Innovation bestochen hatte, recht schnell breit – und da half auch 3D letztendlich nicht mehr. Als kleinen Einschub sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass die Pornokinos kurz vor ihrem Ende ebenfalls nochmal mit dem 3D-Joker zu punkten versuchten. Ich stelle mir das sehr gewöhnungsbedürftig vor einen 6 Meter hohen Riesenpenis dreidimensional in mein Gesicht spucken zu sehen, aber wems gefällt.... Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass der dreidimensionale Film Anfang der 80er Jahre tot war. Doch dann erschien aus dem Nichts im Jahr 1981 die B-Film Produktion „Comin´ at ya!“ (dt. „Alles fliegt dir um die Ohren“) und machte das, was man in den letzten Jahren zu vermeiden versucht hatte. Dieser spanisch-italienisch-amerikanische Italowestern kehrte Dinge wie ein koheräntes Drehbuch und glaubhafte Charaktere einfach unter den Teppich und machte genau das, was sein Titel versprach. Schon im Vorspann, einer Kamerafahrt durch eine Scheune, bei der die Namen von Cast und Crew unter anderem auf Säcken voller Mais und als Brandzeichen auf Kühen zu finden waren, wurde der Zuschauer mit Dreck beworfen, wurden diverse Gegenstände in den Kinoraum hineingehalten, eben erwähnter Sack voller Mais über der Kamera ausgeleert und ich glaube der Jojo-spielende Cowboy war hier auch erstmals zu sehen. Weitere Attraktionen im Laufe des Filmes waren dann natürlich Schüsse ins Publikum, brennende Pfeile, fliegende Äxte und Messer und etliche Gegenstände, die so positioniert wurden, dass sie in den Kinosaal ragten. „Comin´ at ya!“ ist eine echte Kirmesproduktion - als Film (und speziell in einer flachen Version) nahezu unerträglich, als Gemeinschaftserlebnis in einem großen Saal mit dem richtigen Publikum eine Entertainmentmaschine erster Kajüte. Natürlich krankte der Film in plastischer Hinsicht an den üblichen Dingen. Da es damals halt, logischerweise, noch nicht möglich war, im Nachhinein das 3D digital zu bearbeiten, musste mit zwei (wie auch immer) gekoppelten Linsen – auf Film – geschossen werden, was immer auch äußerste Präzision - speziell im Bereich der Tiefenschärfe – verlangte. Im echten dreidimensionalen Raum sind wir es gewohnt entfernte Gegenstände fokussieren zu können im filmischen, bleiben im Hintergrund unscharfe Dinge auch bei Scharfziehen der Zuschaueraugen unscharf, was zur Verwirrung von Auge und Hirn und dementsprechend zu den immer wieder gerne herangezogenen Kopfschmerzen und/oder Schwindelgefühl führt. Ebenso ist es nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich die Hauptebene des Filmes zu verlassen (Also etwas „aus dem Bild hinaus“ zu bewegen). Ist dieser Punkt überschritten oder die Bewegung des Objektes auf den Zuschauer zu, schärfemässig nicht perfekt gefilmt, ist die Illusion sofort dahin. Trotzdem war „Comin´ at ya!“ nicht nur in den USA, sondern auch international sehr erfolgreich, so dass es kein Wunder war, dass die Studios wieder hellhörig wurden. War es in den 50ern noch der Dämon Fernsehen gewesen der den Geist des plastischen Filmes beschworen hatte, so war es jetzt der Teufel Video, den man mit Features die dort nicht möglich waren, austreiben wollte. Bereits recht kurz danach kam dann mit „Treasure of the four crowns“ (1982) (dt. „Das Geheimnis der vier Kronjuwelen“ – aehh wie bitte? ) eine weitere spanisch-italienisch-amerikanische Koproduktion in die Kinos, in der dieses Mal auf die Welle von Filmen mit abenteuerlustigen Archäologen und visuell natürlich wieder auf das Publikum gezielt wurde. Da der Film – im Gegensatz zum Vorgänger – auch recht selbstironisch und humorvoll inszeniert war, kann man ihn übrigens sogar in der zweidimensionalen Fassung als ein nettes Indiana Jones Rip-Of geniessen. Nach diesen beiden Erfolgen hätten eigentlich die Dämme brechen und eine Flut von plastischen Machwerken über den armen Zuschauer hinwegrollen müssen, aber dem war nicht so. Erst die billige (und wirklich schlampig inszenierte) Corman-Produktion „Parasite“ (1982) brachte etwas Neues, dass die Kassen klingeln liess. Damit meine ich jetzt nicht die erste Hauptrolle von Demi Moore, sondern Splatter und Ekeleffekte in plastischer Form. Der Film wurde damals nur in einer recht verstümmelten Form (und sehr kurz) in den Kinos gezeigt, die aus Menschen herausbrechenden und ins Publikum springenden Monster und das plastisch spritzende Blut kamen allerdings recht gut an, so dass 3D und Horror scheinbar die perfekte Gelddruckmaschine für Filmproduzenten zu sein schien. Als erstes sprang nun Paramount auf den Zug auf und brachte mit „Friday the 13th – Part III“ (1982) das „Grauen in einer neuen Dimension“. Das dürfte nun – zumindest für unsere Leserschar – der bekannteste 3D-Film der 80er Jahre sein, selbst wenn ihn nur die wenigsten im Kino geniessen durften und er bis heute noch nicht in einer vernünftigen 3D-Version auf Silberling erhältlich ist. Auch Jasons Auftritt bemühte sich in jeder Szene zumindest irgendetwas aus dem Bild ragen zu lassen, seien es nun Baseballschläger, Messer, Äxte oder das berühmte aus dem Kopf platzende Auge, dass viele immer nur belächeln, das aber im Kino verblüffender Weise recht schockierend wirkte. Ebenso verhielt es sich übrigens bei den Effekten von „Jaws 3D“ (1983), der dann schon fast das Ende der 3D-Welle der 80er einläutete. Neben Denis Quaids erster großer Rolle ist hier allerdings auch kaum etwas bemerkenswertes zu verzeichnen. Die, bis vor kurzem ausschießlich erhältliche, flache Version des Filmes zeigte deutlich, warum dem so war, denn bis auf die – in dieser Fassung halt ziemlich schlecht wirkenden – 3D-Effekte, gab es in dieser Fortsetzung nichts, was den Zuschauer in irgendeiner Form interessieren konnte. Da man heute ja auf der aktuellen BluRay auch die 3D-Fassung findet (versteckt als Bonus) ist es allerdings nun möglich den Film in seiner angedachten Form zu begutachten und – das Ergebnis ist ernüchternd. Sicherlich sind einige der Effekte (speziell wenn es um Unterwasseraufnahmen geht) sehr gelungen, aber generell leidet der Film unter den bereits oben angesprochenen Problemen und bietet immer nur eine wirklich scharfe Ebene an. Noch dazu übertreibt es die Produktion mit den Dingen, die aus der Leinwand herauskommen und geht dort generell immer ein paar Zentimeter zu weit, was das Anschauen (speziell für uns digital 3D-verwöhnte) sehr anstrengend macht. Allerdings muss ich anmerken, dass die Umsetzung der 3D-Fassung (im Gegenteil zu dem, was Chrischi in seinem Review erwähnt hat) sehr sauber ist, die Probleme liegen halt an der Machart des Filmes, der komplett analog gedreht wurde – und daran, dass man sich bei der BluRay nicht die Mühe gemacht hat noch einmal korrekturmässig einzugreifen. Das speziell letzteres möglich ist, merkt man zum Beispiel bei den 50er Jahre Filmen wie „It came from outer Space“ oder „Creature from the black lagoon“, die Bildmässig komplett überarbeitet wurden und keinerlei Kopfschmerzen mehr verursachen. Sicherlich gab es noch einige andere 3D-Langfilme in den 80ern (man denke nur an „Amityville 3D“ (1983) oder den Zeichentrickfilm „Starchaser: The Legend of Orin“ (1985)) die meisten dieser Werke erreichten aber hierzulande noch nicht einmal mehr die Kinoleinwände und wurden später nur in flachen Versionen vermarktet. Die große 3D-Welle der 80er Jahre gab es also eigentlich in Wirklichkeit gar nicht, auch wenn die Studios da gewaltig gepusht haben und sogar das Fernsehen versuchte auf den Zug aufzuspringen (dazu gibt es allerdings erst im Anhang dieser Serie mehr Informationen). Im nächsten Teil dieser Reihe werden wir uns dann mit dem modernen 3D-Kino – und seinen Stärken und Schwächen – beschäftigen. Bis dahin – haltet Eure Brillen griffbereit. dia
Teil 2 – Eine neue Welt (die 50er Jahre) Teil 3 - Blut und Titten (die 60er/70er Jahre)
Coming Soon: Teil 5 - Der Guckkasten ist zurück (nach Avatar) Anhang - die technische Seite
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