Eine kleine Geschichte des plastischen Film Teil 2 – Eine neue Welt (die 50er Jahre)
Wenn der Filmhistoriker an 3D-Filme denkt, dann kommt ihm zuerst einmal die große Welle in den 50er Jahren in den Sinn. Mit Sicherheit war das die Zeit, in der der plastische Film am erfolgreichsten war, aber bei näherer Betrachtung erweist es sich, dass es sich in Wirklichkeit nur um eine geringe Zeitspanne von gerade einmal 2 ½ Jahren gehandelt hat, in der es um die 50 US-amerikanische und einige wenige internationale Filme gab, die in kürzester Folge auf den Zuschauer einprasselten. Wie bereits am Ende von Teil 1 dieser Serie erwähnt war der ausschlaggebende Punkt der Film „Bwana devil“, der im Jahr 1952 die amerikanischen Leinwände erreichte und den Zuschauer die sogenannte „Natural Vision“ präsentierte. Gedreht worden war der Film mit zwei über Spiegel gekoppelte Kameras, bei der Projektion waren – wie damals üblich - zwei absolut synchron laufende Projektoren von Nöten. Auf alle Fälle konnte Regisseur/Produzent Arch Oboler seine Produktion an United Artists verkaufen, die auch gleichzeitig versprachen den Kinobetreibern bei der nötigen technischen Umrüstung (silberbeschichtete Leinwände und modernste Projektionstechnik) zur Hand zu gehen. Von den Kritikern verrissen[1] wurde der Film trotzdem ein großer Publikumsrenner und so war es klar, dass die Major Studios direkt Blut leckten. Schließlich galt es zu der Zeit dem großen Konkurrenten Fernsehn etwas gegenzusetzen. Denn so wie das Kino das Medium Radio inein Nischendasein verbannt hatte, drohte es jetzt dem Lichtspiel zu gehen. Warum sollte man das wohlige Eigenheim verlassen, wenn man die gleiche Unterhaltung auch zu Hause auf der, damals noch nahezu halbkugeligen, Bildröhre kostenfrei haben konnte. Einige Majors lizensierten also „Natural Vision“, andere besannen sich auf die eigenen Systeme der 30er Jahre und so prasselten in den Jahren 1952 – 1955 nahezu wöchentlich neue 3D-Produktionen in die Kinos, während gleichzeitig im Hintergrund an der Technik gebastelt wurde. Da gab es nämlich noch einiges zu tun, denn aufgrund der Projektion mit zwei Maschinen gab es erhebliche Probleme. Jeder, der schon einmal eine alte 35mm Rollen-Projektion von „innen“ gesehen hat, weiss, wie diese funktionierte. Der Film liegt in zwei Teilen vor und wird vor Projektionebeginn auf zwei Projektoren eingelegt, die dann mitten in der Vorstellung – und meist unmerklich für den Zuschauer gewechselt werden. In alten Kinos konnte man dann beobachten, wie das Licht vom linken zum rechten Projektionsfenster wechselte. Zur Projektion eines 3D-Filmes mussten aber beide Maschinen gleichzeitig laufen, was bedeutete, dass es in der Filmmitte zu einer Pause kam, in der der arme Filmvorführer BEIDE Rollen wechseln musste. Das nächste Problem war natürlich, neben der nötigen millimetergenauen Einrichtung der Projektion , dass beide Projektoren durchgehend synchron laufen mussten, da es sonst zu den berüchtigten Doppelbildern kam, über die sich niemand (außer vielleicht Bayer) freute. Wenn nun aber mal ein Film riss (und wir Alten kennen das noch), dann war nahezu „Schicht im Schacht“. Nur die wenigsten Projektionisten waren danach noch in der Lage beide Kopien zu synchronisieren. Wenn dann eine solch „falsch“ geflickte Kopie weiter im Umlauf blieb, kann man sich vorstellen, wie toll das Kinoerlebnis wurde. Während nun im Hintergrund akribisch an neuen Wegen geforscht wurde, das Erlebnis besser und für Zuschauer und Filmvorführer angenehmer zu machen, begann oben bereits erwähnte Welle von Filmen die Kinosäle zu überschwemmen. Beginnend mit der Großproduktion „House of Wax“ (1953 – dt. Das Kabinett des Professor Bondi), die neben dem Star Vincent Price auch noch mit einigen der besten 3D-Shots aller Zeiten aufwarten konnte, wurde eigentlich alles plastisch verwurstet, was nicht budgetmässig bei 3 auf den Bäumen war. Auch wenn Professor Bondis Treiben bei der deutschen Filmkritik nicht so ankam[2], so sorgte der Film auch hierzulande für den Start der 3D-Welle. Die meisten der in den beiden Folgejahren produzierten plastischen Werke waren dementsprechend auch hier zu sehen. Von den großartigen und durchdachten Filmen wie „It came from outer space“ (1953 – dt. Gefahr aus dem Weltall[3]) oder „Creature from the black Lagoon“ (1954 – dt. Der Schrecken vom Amazonas[4]) bis hin zu den doch eher fragwürdigen Werken wie dem nun schon oft erwähnten „Bwana“ – das 3D-Fieber schwappte über den großen Teich und brachte hier, da es die Konkurrenz durch das TV noch gar nicht gab, sogar noch mehr ein. Im übrigen gab es hier in Deutschland auch große Diskussionen betreffs der Gesundheitsgefährdung durch schlecht desinfizierte Brillen, aber das war zu erwarten. Was der 3D-Welle allerdings den endgültigen Todesstoß versetzte waren die diversen Breitbandformate, die gerade in dieser Zeit von den Studios ausgetestet wurden und fälschlicher Weise in der Werbung als „3D ohne Brille“ angekündigt wurden. Sowohl Cinemascope, bei dem das Bild in der Breite komprimiert aufgenommen und mittels einer Vorsatzlinse bei dr Projektion wieder auf das extreme Breitbild gebracht wurde, als auch das Prestigeformat CINERAMA, bei dem gleich drei Filmstreifen nebeneinander projeziert wurden, boten zwar eine starke Immersion des Zuschauers ins Geschehen, was aber zum großen Teil nur daher rührte, dass die Projektion auf eine stark gewölbte Leinwand erfolgte, die somit fast den kompletten Blickwinkel des Zuschauers einnahm, nicht aber auf einer echten Tiefenwirkung der Bilder. Zusätzlich hatten auch in den 2 Jahren der Blüte des dreidimensionalen Kinos die Macher immer noch nicht das verlorene vierte D – nämlich das Drehbuch – gefunden. So glichen die meisten Filme doch eher einer Varieteshow bei der es darum ging möglichst viele Dinge ins Publikum zu werfen bzw. zu halten. Unterschiedlich gute verschiedene Systeme, die teilweise halt nur in speziell umgerüsteten Kinos gezeigt werden konnten taten ein übriges, dass die Lust auf dreidimensionales Kino genau so schnell wieder verschwand, wie sie erschienen war. Denn auch wenn der Kinoumbau für die konkurrierenden Breitwand-Formate erheblich teurer war als der für echte 3D-Kinoerlebnisse, konnte man dort dann auch jeden Breitwand- aber auch jeden normalen Film zeigen. Echte 3D-Filme, speziell in Systemen, die mit zwei Projektoren arbeiteten waren auf gebogenen Leinwänden eher kein schöner Anblick. Das plastische Kino kehrte wieder zurück zu seinen Jahrmarktswurzeln und wäre nur eine historische Fussnote in der Filmgeschichte geworden, hätte die Sexfilmwelle der 70er Jahre nicht für eine weitere Renaissance des Themas gesorgt.
Teil 3 – Blut und Titten (die 60er/70er Jahre) Teil 4 - Alles fliegt dir um die Ohren (die 80er Jahre)
Coming soon:
Fussnoten [1] Aus dem Handbuch der katholischen Filmkritik: [2] Aus dem Handbuch der katholischen Filmkritik: [3] Siehe oben: [4] S.o.: dia
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