Fantastische Musikwelten Des Teufels Komponist- Jerry Goldsmith im Portrait
Wirft man einen Blick auf die großen und spektakulären Filmtitel der 70er bis 90er Jahre des letzten Jahrhunderts und schaut auf die Musikcredits, so werden bis auf wenige Ausnahmen zwei Namen immer wieder positiv ins Auge und vor allem Ohr fallen: John Williams und Jerry Goldsmith. Hätte letzterer nicht viel zu früh das Zeitliche gesegnet, würden uns beide noch heute hin und wieder eine virtuose Atempause vom musikalischen Einheitsgetöse derzeitiger Blockbuster bieten. Jerry Goldsmith wurde am 10.2. 1929 in Los Angeles geboren. Schon als Kind bekam er Klavierunterricht und bei einer Kinovorstellung von Spellbound 1946 bemerkte er zum ersten Mal bewusst den, wie üblichen grandiosen, Score von Miklos Rozsa. Wenig später entschloss sich Goldsmith zu einer Musikerkarriere. Nach einem Musikstudium begann wie für so viele Filmschaffende in den 50er Jahren seine Laufbahn im amerikanischen Fernsehen. Schnell kam er dort auch in Kontakt mit dem übernatürlichen, denn er bekam die Gelegenheit für einige Episoden der von Rod Sterling geschaffenen Serie The Twilight Zone die Musik zu schreiben.
Schon bei diesen frühen Werken sind Goldsmiths´ Einflüsse zu hören: Er war ein Verehrer der klassischen Musik des frühen 20. Jahrhunderts und vor allem von Stravinsky, Copland, Bartok und Alban Berg. Ein besonderes Stilmittel war, dass er wie im obigen Musikbeispiel zwei scheinbar voneinander gelöste Melodiefolgen in einen Kontext setzte, der es dann schaffte, Emotionen und Handlung wirksam und differenziert zu tragen. Außerdem setzte er später gerne exotische Rhythmusinstrumente und auch, anders als sein etwas konservativerer Kollege Williams, den Synthesizer ein. Aber auch das Komponieren herrlicher Melodien und schwelgerischer Klangteppiche war seine Stärke. Oft hatte er auch den Schalk im Nacken und brach diese Seligkeit mit harrschen Rhythmen oder disharmonischen Brechungen. Dies und wohl auch sein etwas streitsüchtiger und wenig kompromissbereiter Charakter trugen dazu bei, dass es in Goldsmiths Karriere auch einige Rückschläge gab. Dazu gehören von den Produzenten abgelehnte Scores oder auch das wiederholte Wiederfinden von guter Goldsmith Musik in nicht sonderlich wertigen Filmen. Damit ist gemeint, dass es zwischen dem etwas konformeren Williams und Goldsmith auch Konkurrenz gab. Und es ist schon lustig anzuhören, wenn Goldsmith mal richtig die Keule schwingt und für den mühseligen Indiana Jones Abklatsch Quatermain-Auf der Suche nach dem Schatz der Könige einen so herrlich überdrehten Williams Score schrieb, dass keine Auge trocken bleibt.
Aber obwohl der Film auf ein oder andere Art sicherlich auch gruselig ist, wollen wir nun zurück zu unserem Thema, denn auch im übersinnlichen Genre hat Goldsmith Großes geleistet.
Nach seinen Anfängen im TV und der Vertonung einiger Dramen und mehrerer Western schrieb Goldsmith die Musik zu dem Sci Fi Klassiker Planet of the Apes. Hier kommen neben dem traditionellen Orchester exotische Blasinstrumente zum Einsatz und die zu den kurzen Motiven gespielten Rhythmen geben dem Score einen fremdartigen und irritierenden Eindruck, der sich mit den Erlebnissen der Protagonisten deckt. Von einer anderen, lyrischen Seite zeigt sich Goldsmith im darauffolgenden Jahr erschienenen The illustrated Man, einer Anthologie von Ray Bradbury Geschichten.
Neben einer sanften Frauenstimme sind im Haupthema Anklänge an klassische Solokonzerte zu hören. Wohl auch Scores wie dieser verschafften Goldsmith den Titel "Mozart der Filmkomponisten". In den 70ern ging es für Goldsmith weiter erfolgreich weiter. Er konnte viele große Filme mit seiner Musik versehen aber erst 1976 kam mit Logans Run wieder ein fantastischer Film unter seine musikalischen Fittiche. Dieser Score ist Goldsmith at its Best: Ein grosses orchestrales Hauptthema, dann die Verflechtung desselben mit einem Rhythmusteil und passend für die Sci Fi der 70er ein sehr spaciger Synthiepart.
Und im selben Jahr ging es nun wirklich ins Horrorgenre : Der heute etwas angestaubt wirkende The Omen war damals eine kleine Sensation, denn er war der erste Horrorfilm eines großen Studios mit erstklassigem Stab und Darstellern. Goldsmith schöpft hier musikalisch aus dem vollem: Ein Riesenorchester und Chor lassen jedes Gotteshaus erzittern und wiegen den Hörer nicht sicher oder gemütlich in "Gottes" Schoss, sondern lassen ihn eher die Anwesenheit Satans spüren. Goldsmith war sicher in allen musikalischen Welten und auch hier zeigt sich wieder seine Vielfalt.
Goldsmith besserte selbst mit etwas schwächeren Werken oftmals Filme auf: The Swarm von 1978 ist ein vergessenswerter Bienenhorror aber die Musik ist einfallsreich und typisch Goldsmith.
Die 70er beendete Goldsmith mit 2 Klassikern: Alien und Star Trek: The Motion Picture, im gleichen Jahr erschienen und beide geprägt von Goldsmiths Genialität. Der Score zu Alien besteht im wesentlichen aus einem Teppich aus kurzen Streichermotiven, liegenden Klängen und rhythmischen Effekten. Das klingt karg und spartanisch und das ist es auch. Aber das genügt um die Atmosphäre sehr unangenehm und nervös zu halten. Wie so oft bringt das Experiment, den Film mal ohne Musik zu sehen erstaunliche Ergebnisse. Ganz anders kommt der Star Trek Score daher: teils opernhaft mit dem mitreissendem Hauptthema, dann intim mit einem lyrischen Seitenthema und auch aufregend, ausgelöst durch den Einsatz eines elektronischem Instruments namens Blaster Beam. Nicht minder erfolgreich ging es für Goldsmith in den 80ern weiter. Poltergeist ist dafür das beste Beispiel, denn hier bot sich wieder die Gelegenheit für Goldsmith ungehörte Klänge und gruselige Töne mit lyrischen Themen zu verarbeiten. Einer meiner Favoriten ist The Secret of NIMH, nicht nur als Musik als auch eine frühe gloriose Kinoerfahrung. Der Soundtrack klingt wirklich stark nach Stravinsky und passt sich doch perfekt ans Geschehen um die furchtlose Maus Mrs. Brisby an. Es folgten Filme wie First Blood, Psycho II und Supergirl (auch dafür schrieb er wieder viel zu gute Musik für eine filmische Gurke). Dann folgten u.a. Gremlins, Rambo II, Explorers und schliesslich Legend. Bei Testvorführungen missfiel wohl, insbesonders jungen Zuschauern, Goldsmiths abgelieferter Score und so wurde Tangerine Dream engagiert um die Musik zu ersetzen. Nur in europäischen Kinos war Goldsmiths Musik zu hören (erst der später erschienene Directors Cut rehabilitierte Goldsmiths Version). Ähnliches sollte Goldsmith bereits wenige Jahre später bei Alien Nation passieren. Sein Score wurde als zu seltsam abgelehnt und durch Musik von Curt Sobel ersetzt. Über die Richtigkeit dieser Entscheidung lässt sich wohl streiten aber ohne Zweifel ist der Score als Hörerlebnis allein schon ein grosser Mehrwert. Goldsmiths Schaffenskraft zog sich weiter hinein in die 90er mit Scores für Gremlins II, the Russia House, Basic Instinct oder Total Recall. Der Score ist ein gutes Beispiel für Goldsmiths Stil seit etwa Mitte der 80er. Die Themen werden kürzer und die Rhythmen eindringlicher. Goldsmith benutzt nun meist Synthesizer und Orchester in einem Score und wirkt in seiner Aussage oft schroffer und fast unerbittlich.
Aber immer wieder braucht es nicht viel um seine kompositorischen Säfte fliessen zu lassen. Zu hören an dem überquellendem Score zu The Shadow, der auch jeder Batman verfilmung gut zu Gesicht gestanden hätte. Mit der Neuverfilmung von The Mummy beendete Goldsmith die 90er und zeigte noch immer keine Ermüdungserscheinungen. Themen und variantenreich, voll mit farbenreicher Exotik und Spass zeigt uns Jerry nochmal seine Klasse. In den 2000ern folgten dann noch Scores zu The Hollow Man, Star Trek. Nemesis und zuletzt Loones Tunes: Back in Action.
Bezeichnenderweise wurde sein vorletzter komponierter Score wiederum abgelehnt und ersetzt. Timeline hiess der Film und Brian Tyler komponierte letztendlich den Score. 2004 starb Goldsmith und hinterliess ein reiches Erbe grossartiger Musik. Obwohl er 18 mal für den Oscar nominiert war, erhielt er ihn nur einmal für seine Musik zu Das Omen. Trotzdem verbleibt er in der Filmgeschichte als einer der unvergesslichen Komponisten, der durch seine Genialität und Vielfältigkeit Filme bereicherte, Kinogänger berührte und nachfolgende Komponisten beeinflusste. Frank Rinsche
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- Frank Rinsche
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