Kingsman: The golden Circle (2017)
„Hat er wirklich gerade „Fuck“ gesagt?“
Von allen Dingen, die an der Popularität des ersten „Kingsman“ Films unerwartet waren, von der überzogenen Persiflage der steinzeitlichen James Bond Allmachtsfantasie hin zum schier lächerlichen Gewaltgrad des Streifens, hat mich am meisten der allerseits stattfindende Lobgesang auf den Humor des Films überrascht. Der Umstand der Überraschung heißt übrigens nicht, dass ich mich damals im Kino nicht amüsiert hätte, ehrlich gesagt war das genaue Gegenteil der Fall, sondern mir mehr die Frage stelle, über welche Art Humor ich denn so eine Freude empfunden habe. Schließlich generiert „Kingsman“ seine Fallhöhe meist auf dem Rücken einer Sorte Fäkal- und Tittenhumor, wie Sie einen selbst im American Pie Franchise, in seinen schwächsten Augenblicken, peinlich berührt hätten. Und trotzdem, in „Kingsman“ lachte der gesamte Saal als Eksi, in einem Moment von wirklich schwindelerregender Höhe an Sexismus, Analsex für die Rettung der Welt versprochen wurde. (Ähnliches gilt übrigens auch für die berühmte „Free Bird“ Sequenz, welche selbst von einer guten Freundin, die normaler weise eher durch Ihr notorisches Augen zu halten in Kinos auffällt, mit allgemeinen Jubel bedacht wurde.) Was „Kingsman“ anders macht ist die sehr gezielte Kreation einer Kontrastsituation. Früher waren Schimpfworte und Tittenwitze als furchtbar lustig angesehen, weil man solche Dinge, zumindest in der Öffentlichkeit, nicht auszusprechen wagte. Aber die Zeiten haben sich bekanntlich geändert. Heutzutage kennen manche Zwölfjährigen bessere Beleidigungen, als ich mich in dem Alter je zu sagen gewagt hätte. („Wenn man genau guckt, kann man den Kratzer vom Kleiderbügel noch sehen!“) Folgerichtig ist das grobschlächtige „Uiii er hat „Ficken“ gesagt“, welches Ingo Appelt vor 20 Jahren noch die Altersvorsorge gesichert hat, heute bestenfalls noch eine traurige Krücke, eines alternden Zweiges der Komik. „Kingsman“ hat den Reiz des Verruchten wiederbelebt, indem er seine Handlung in eine Umgebung setzte, in der die Idee eines einfach ausgesprochenen Fluches, wieder all seinen Überraschungsmoment zurück erlangen konnte. Dadurch das alle Charaktere im Film konstant eine Fassade der Kontenance erhalten, ist der Verlust selbiger stets eine Erinnerung an Emotionen, die alle Menschen eint. Wir lachen aus dem selben Grund, aus dem wir auch über Donald Duck lachen. Wir erkennen uns in der Fehlbarkeit, und halt manchmal auch in der Wut unserer Gegenüber wieder. Es beruhigt uns, dass selbst ein Michael Cain ab und an nichts anderes mehr dazu einfällt, als ein simples „What the Fuck?!“. „Kingsman 2“ steigert, wie es ohnehin zu erwarten war, alle Qualitäten des Vorgängers, allerdings auch ohne dabei besondere Risiken einzugehen. Die Story ist weiterhin bestenfalls schmückendes Beiwerk, die Charaktere werden (wie es eine Bond Parodie halt irgendwie auch verlangt) mit eher groben Pinselstrichen gezeichnet und so wirklich spannend wird die Nummer auch eher selten. Aber seien wir mal ehrlich, deshalb sind wir ja auch gar nicht hier. Und die Vorzüge, die den Erstling bereits in die höchsten Gefilde des simplen Popcorn-Kinos katapultierten, namentlich die bereits erwähnten Unmengen an Gewalt und skatologischen Humor, sind in meist doppelt bis dreifachen Dosen vorhanden. Neben einem wirklich fantastisch abartigen Setpiece, welches sich unter anderem einer Flasche Ketchup bedient, sind auch die restlichen Schauwerte wieder in einem Ausmaß vorhanden, das der Bundesprüfstelle in den Achtzigern einen mittelschweren Herzinfarkt beschert hätte. Zwar kann man den reinen Exzess der Kirchenszene freilich nicht übertrumpfen, aber über die Gesamtlaufzeit bewegt sich der Film zumindest in ähnlichen Gefilden. Und was ist mit dem Humor? Wie kann man den Hochmut der „Kingsman“, wie Sie im ersten Film gezeigt wurden, überhaupt noch steigern? Und würde das überhaupt nochmal so witzig werden können, wie es vor knapp drei Jahren war? Die Lösung, und leider hat zumindest ein Poster diesen Kniff gespoilert, (was mich allerdings nicht dazu verleiten wird selbiges in diesem Text zu wiederholen), war die Verpflichtung einer faktisch adeligen Gastrolle. Ja, „Kingsman: The golden Circle“ hat allen Ernstes den englischen Adel bemüht, damit wir noch ein allerletztes mal über erhobene Mittelfinger lachen können. Das nenne ich mal Einsatz! Und das beste ist, dass die ganze Nummer dann auch noch funktioniert. Dadurch das man diesen Stunt bis zu seinem absoluten logischen Endpunkt durchzieht, kommt man, ähnlich wie der seinerzeit ähnlich aussichtslose „22 Jumpstreet“, mit genau diesem Wagnis durch. „Kingsman: The golden Circle“ ist die Sorte Film, die in den 50er Jahren gerne als „Caper“ definiert wurden. Unter Garantie keine hochwertige Nahrung für den Cineasten, aber halt auch nicht Mäcces. Dafür ist zu viel Sorgfalt in die Konstruktion all dieser wunderbaren Belanglosigkeit gesteckt worden. Wenn man sich erinnern kann, wie lustig man damals Bad Taste gefunden hat, dann weiß man, welches Gefühl man hier finden kann.
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