Westworld (2016, TV)Staffel 1 – Das Labyrinth 10 Episoden – ca. 600 Minuten
ab 23. November auf DVD/Blu Regie (u.a.): Produzenten (u.a.): Darsteller:
„Westworld“ (1973) war einer der ersten klassischen Science Fiction Filme, die selbst im deutsche Fernsehen der späten 70er zu sehen waren und bildete zusammen mit „Soylent Green“ und „Silent Running“ die heilige Dreifaltigkeit im Zuge der ständig wiederholten Science Fiction Reihe in der ARD, die dem Kind der 70er noch durch die Donna Summer Musik im Teaser in Erinnerung sein dürfte. Der Film war das Kinodebut des, bis dahin nur als Autor/Drehbuchautor (Andromeda Strain) in Erscheinung getretenen, Michael Crichton und erzählte die Geschichte eines Vergnügungsparks, der in verschiedenen Themenbereichen den Gast mittels menschenähnlicher Roboter in verschiedene Zeitperioden versetzte. Wie fast immer bei Crichton (Rampage/Jurassic Park/Timeline/Andromeda Strain) erweist sich die Technik als unzuverlässig/unbeherrschbar und führt zu Chaos. Da man sich bei der Verfilmung mehr oder weniger auf die Westernwelt beschränkte konnte man einige stehende Sets beliebter Westernserien mit benutzen und somit das Budget etwas drücken. Eingesetzt wurde das eingesparte Geld dann in – für damalige Verhältnisse – aufwendige Effekte, in denen die Roboter zu teilen aufgeklappt auf OP-Tischen liegen und „repariert“ werden. Diese Sequenzen – und die mit Yul Brynner als schießwütigem Kopfgeldjäger, der irgendwann keine Lust mehr hat sich mehrmals täglich abschiessen zu lassen – waren es dann auch, die sich ins Gedächtnis einfraßen. Rein inszenatorisch und dramaturgisch hingegen bot „Westworld“ eher TV-Kost (was damals noch eine Beleidigung war), für tiefere Einblicke war kein Platz und dank der potentiellen Dummheit des Publikums wurde die Geschichte haarklein in Dialogen erklärt. Die Fortsetzung namens „Futureworld“ (1976) ergänzte das Ganze dann noch mit einer Doppelgänger-Thematik und packte noch mehr Action in die Filmminuten. Eine kurzlebige TV-Variante namens „Beyond Westworld“ (1980) erwies sich dann als lahme Geldmacherei mit einem guten Namen und verschwand nach nur 5 Episoden wieder auf dem Friedhof der unerwünschten TV-Serien. So tangierte mich die Ankündigung einer weiteren TV-Version des „Klassikers“ der TV-mässigen „Trizonesien“-Zeit nur periphär und als die Show dann im letzten Jahr in den USA lief, bekam ich die überaus positiven Kritiken zwar mit, schob sie aber geistig auf den „Guckste wenn all deine Serien Sommerpause haben“-Stapel. Das ist natürlich schon fast ein Todesurteil für eine Serie, denn wie wir alle mittlerweile mitbekommen haben, ist die „Sommerpause“ eigentlich gar nicht mehr vorhanden, weil sich die Sender derart bemühen, ihre jeweiligen Staffelfinales an einem ansonsten „freien“ Tag zu plazieren. Bei der derzeitigen Flut an neuen und gleichzeitig noch laufenden älteren TV-Serien im phantastischen Bereich ist die Woche bereits gut ausgebucht. Aber am vorletzten Wochenende hatte ich mal so etwas ähnliches wie frei, da ich krank war. Also aufs Sofa gepackt mit Wolldecken und Katzen eingemummelt und das SKY-Monatsticket für nen €uro getestet (um direkt nach dem WE wieder zu kündigen). Da war „Westworld“ mit dabei und reingucken kann man ja mal.
BIIIIIIINNNGGEEEEEEE Der Hype ist wahr: „Westworld“ ist eine der besten Science Fiction Serien der letzten 8 Jahre und aus ganz anderen Gründen, als von mir erwartet. Denn ausgehend vom Trailer, in dem Schlüsselmomente der Filmvorlage zitiert wurden, erwartete ich eigentlich nicht mehr als eine weitere „Rebellion der Maschinen“-Geschichte, die einerseits in einer Westernstadt, in wunderschöner Landschaft und zu einem anderen Teil in den sterilen, nur durch Glaswände getrennten Büro- und Laborräume der parkbetreibenden DELOS spielt. Auch die Figuren waren mir alle aus der Vorlage bekannt, allen voran natürlich Ed Harris als komplett in schwarz gekleideter Gunslinger und die beiden Burschen, die im Park Urlaub machen. Aber bereits von der ersten Folge an wird dem Zuschauer recht schnell klar, dass es sich hier um eine echte Fortsetzung mit den Mitteln und auf den Grundlagen des heutigen Sehverhaltens handelt. Im Gegensatz zum weiter oben erwähnten gefloppten Serienversuch, haben wir es hier mit einer durchgehenden Geschichte zu tun, die sich wohltuend vom „45 Minuten und Reset“-Format unterscheidet und bei der die „Roboter/Androiden laufen Amok“-Geschichte im Hintergrund zwar schwelt, aber nur weil sie in der „Film-Vergangenheit“ bereits vorgekommen ist. Allerdings hat sich in dem – in der Serie bereits seit 35 Jahren bestehenden –Vergnügungspark mittlerweile auch einiges getan, um einen weiteren Ausbruch zu verhindern. Die offensichtlichste Veränderung ist erst einmal, dass es sich bei den ehemals mechanischen Schauspielern/Lustobjekten/Gewaltopfern, die dem Besucher zur Verfügung stehen, nun nicht mehr um eine Ansammlung aus Zahnrädern und Metall mit einer Latexhaut, sondern um tatsächliche „künstliche“ – mit einer Art 3D-Drucker erzeugte – Menschen, also Androiden handelt, die aus artifiziellem Fleisch bestehen und selbst auf den zweiten Blick nicht von den Besuchern unterscheidbar sind. Aus dieser Situation bezieht die Serie dann auch zu Beginn ihren ganz besonderen Reiz und lässt den Zuschauer erst einmal einige Zeit im Ungewissen bei wem der Leute, die wir im Park kennenlernen, es sich um Menschen handelt und wer aus der milchigen Kunstfleisch-Suppe stammt. Schnell allerdings wird einem dann bewusst, dass die Kunstmenschen dieses Mal – im Gegensatz zu allen älteren Versionen – nicht nur einen simplen Charakter ausfüllen, sondern – analog zu modernen Open World Spielen – als Missionsstartpunkte dienen, die dann nach einer Kontaktaufnahme den Touristen mit auf ein gescriptetets Abenteuer nehmen. Die Missionen der Androiden sind dabei nicht immer die selben, denn es ist leicht möglich sie – während der nächtlichen Ruhe- und Überprüfungsphasen im Delos Labor – schnell zu einem anderen Charakter mit einer anderen Geschichte und anderen (natürlich künstlichen) Erinnerungen werden zu lassen. Dieses System sorgt zu Beginn der Serie bereits seit fast einem viertel Jahrhundert für einen störungsfreien Ablauf des Parks, allerdings hätten wir es mit einer ziemlich langweiligen Serie zu tun, wenn nicht auch Probleme auftauchen würden. Diese beginnen in dem Moment, in dem der Gründer von DELOS, der seltsamen Dr. Ford (Anthony Hopkins) eine kleine Software-Änderung programmiert, die ungeahnte Folgen hat. Zwar handelt es sich nur um eine zusätzliche Geste, die das Auftreten der Androiden natürlicher machen soll, sie führt nun bei einigen Androiden im Park zur langsamen Entwicklung von echtem Bewusstsein und verbreitet sich langsam in der ganzen „Spielewelt“. Dort wird aber währenddessen eine – ebenfalls von Ford beeinflusste - neue Spielgeschichte inszeniert, was zu weiteren Komplikationen führt. Das ist sagen wir mal eine ganz vereinfachte Darlegung der Geschichte. Seitenlininen beschäftigen sich mit der Figur des von Ed Harris gespielten „Man in Black“, der eine gänzlich andere Funktion hat, als der von Yul Brynner im Original gespielte „Gunslinger“ und mit dem in der Spielewelt gestorbenen anderen Gründer von DELOS, dessen Schatten irgendwie noch über allem schwebt. Das alles ist auch klasse miteinander verwoben und die beiden Welten (Softwarenentwickler/Spielewelt) interagieren miteinander, was schon alleine dadurch erreicht wird, das wir ständig der Produktion von Androiden zusehen dürfen und ein Grossteil der wirklichen Handlung sich in den Interviews abspielt, die in den Labors von DELOS mit den nackten Androiden (Schamgefühl ist abgeschaltet) , in gläsernen Labors geführt werden. TIPP: Leute mit einer Penisphobie sollten besser gar nicht erst versuchen, die Serie zu gucken. Aber ernsthaft. Gerade in den Gesprächen zwischen den Droiden und dem DELOS Personal, die selbige währenddessen mit Sprachbefehlen steuern, geben der Serie eine viel tiefere und spannendere zweite Hauptlinie in der, analog klassischer Science Fiction, die wirklich wichtigen Fragen der Handlung angesprochen und teilweise geklärt werden. Denn dadurch, dass sich die Androiden langsam ihrer selbst bewusst werden, wird ihnen, dem Zuschauer und auch den Charakteren in den Labors klar, in wie fern man diese eventuell neue Stufe der Evolution noch nutzen/ausnutzen darf. Auch eher philosophische Ansätze lassen sich hier finden, so schwebt die Frage, ob ein durch künstliche Erinnerungen und gezielte Trigger erzeugtes Bewusstsein wirklich echt ist ebenfalls durch den Raum. Speziell Evan Rachel Wood, die als Figur in der „gutes Mädchen vom Lande“-Rolle steckt und Thandie Newton, die als Prostituierte in der Welt arbeitet, bieten hier großartige Leistungen. Damit meine ich NICHT ihre oft nackt zu sehenden Körper, denn die beiden müssen ja „auf Knopfdruck“ reagieren und zwischen unterschiedlichen Emotionen wechseln und schaffen das teilweise in einer Einstellung. Zusätzlich finden sich noch versteckte Hinweise auf Daniel F. Galouyes „Simulacron-3 (verfilmt unter anderem von und mit Fassbinder als „Welt am Draht“ und mit Armin Müller Stahl als “The Thirteenth Floor“), die eine weitere Ebene bilden. Visuell ist das Ganze höchst beeindruckend inszeniert. Beginnend mit den wunderschönen (nicht künstlich wirkenden) Landschaften mit riesigen Canyons, aber auch saftigen Weiden und staubigen Städten. Faszinierend auch die Entscheidung die Labors von DELOS komplett mit Glaswänden auszustatten und so die allgemeine Nacktheit der Androiden während ihrer „Verhöre“/“Neuprogrammierungen“/“Reparaturen“ zu etwas natürlichem werden zu lassen. Diese Szenen werden aber im Verlauf der und durch die Handlung später wieder sehr unangenehm. Wo wird gerade beim Thema unangenehm sind – natürlich kommt eine moderne HBO-Serie nicht ohne einen Hauch von Sex und Gewalt aus. So gibt es neben den Massen an nacktem (und nicht immer schönen) Fleisch natürlich auch die ein oder andere gewalttätige Szene. Ach Quatsch wem will ich hier was vormachen, die Serie bietet – zu großen Teilen handgemachten – Splatter vom Allerfeinsten. Ich rede hier nicht nur von platzenden Blutbeuteln, es gab auch andere Waffen im Wilden Westen. Speziell als in einer Folge beschlossen wird, während einer größeren „Renovierung“ der Androiden mal etwas blutiger zu „inszenieren“, färbt sich der Bildschirm rot. Getragen wird das Ganze von der sicheren Hand des Produzententeams J.J. Abrams und Bryan Burk, die hier die Mystery-Elemente aber bedeutend geschickter als in früheren Serien verpacken, aber natürlich - und das ist jetzt kein Spoiler – wieder mit einer finalen Episode enden, die etliche Fragen beantwortet, noch mehr davon aufwirft und mit einem Cliffhanger endet, der große Lust auf mehr macht. Glücklicherweise ist die zweite Staffel schon in Produktion, also kann ich ganz beruhigt eine Guckempfehlung aussprechen.
Dia
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