Bei dem Namen Voltaire klingelt es wahrscheinlich bei so einigen Lesern. Aber ich meine gar nicht den französischen Philosophen und Schriftsteller, der als wichtiger Vertreter der Aufklärung die Geschichte stark beeinflusste. Trotzdem sind die Chancen, dass Ihr schon einmal was von oder mit ihm gesehen oder gehört habt, gar nicht mal so schlecht. Ich spreche von Aurelio Voltaire Hernandez, seines Zeichens Filmanimateur, Schauspieler, Videoblogger und nicht zuletzt Musiker.
Geboren 1967 in Havanna, emigrierte er nach dem Tod seines Vaters noch im Kindesalter zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester in einen kleinen Ort in New Jersey. Schnell merkte er, dass er anders war als die anderen Kinder und wurde entsprechend Außenseiter. Anstatt, wie es sich gehört, Sport zu treiben, erstellte Voltaire lieber Stop-Motion Animationen wie sein großes Vorbild Ray Harryhausen. Modische Klamotten und Popmusik interessierten ihn nicht. Er kleidete sich schwarz, hörte Gothmusik und guckte Science Fiction Filme. Sich selbst damit zum Geek gemacht, fand er weder Freunde noch Anschluss. Die Integrationsbemühungen seines Umfelds beschränkten sich auf den Vorschlag sich gefälligst umzubringen. Am Ende zog es Voltaire sogar tatsächlich in Erwägung diese Idee letztendlich auch umzusetzen. Doch es kam ganz anders.
Anstatt in den Selbstmord zu flüchten oder gar Amok zu laufen verließ er wie alle vernünftigen Menschen Künstler New Jersey
(das wird Lloyd Kaufman nicht gerne hören – Anm. Dia) (Lloyd Kaufman würde sich selbst niemals als vernünftig bezeichnen - Ergänzung Sören)
und ging nach New York. Mit Verlassen der Provinz ließ er auch die soziale Ausgrenzung hinter sich und traf dort zum ersten Mal auf Gleichgesinnte, knüpfte Freundschaften und begann eine Ausbildung zum Filmanimateur. Erlöst vom Spießertum der Kleinstadt entfalteten sich seine Talente und er begann eine Karriere als Filmemacher, Musiker, Spielzeugdesigner, Autor, Schauspieler oder kurz gefasst „Kreativling“.
Seine ersten Erfolge erzielte er für MTV mit bei Hieronymus Bosch entlehnten Jingles. Weitere Bekanntheit erlangte er durch seine Arbeiten für Cartoon Network, wo er zum Beispiel für die Serie "The Grim Adventures of Billy And Mandy", neben dem Titelsong "Land of the Dead" auch das Lied "Brains!" beisteuerte.
Basierend auf den MTV Jingles schuf Voltaire die Kurzfilmreihe „Chimerascope“. Diese Filme führen in eine (Alb-)Traumwelt, allerdings mit dem Gefühl gerade erwacht zu sein. Sie spielen in einer animierten bizarren Traumwelt voller Skelette, Dämonen und jede Menge anderer skurriler Figuren. Eine direkte Handlung ist nicht unbedingt vorhanden, es passieren unglaublich viele seltsame Dinge, die von einem prominenten Künstler kommentiert werden. Die Informationsdichte ist gigantisch und auf Anhieb sind die Details gar nicht erfassbar, genau wie es sich mit der schwindenden Erinnerung an einen Traum nach dem Aufwachen verhält.
Als kleine Auswahl erwähne ich einfach mal:
RAKTHAVIRA mit Deborah Harry von Blondie.
X-MESS DETRITUS mit Gerard Way von My Chemical Romance.
DEMIURGE EMESIS mit Danny Elfman von...wollt Ihr das wirklich wissen? Na gut: Oingo Boingo.
Das künstlerische Portfolio von Voltaire ist erstaunlich vielfältig und dank You Tube zum großen Teil frei verfügbar. Selbst für einen Werbespot für Laphroaig Whisky war er sich nicht zu schade!
Des weiteren ist Voltaire noch in einigen Nebenrollen zu sehen, zum Beispiel in dem Episodenfilm ABC's of Death 2.
Zur Zeit produziert Voltaire mit Gothic Homemaking eine Videoblog Reihe mit Einrichungstipps zur gruftartigen Gestaltung des eigenen vier Wände. Martha Stewart für Goths sozusagen, aber so manche vorgestellte Idee ist wirklich nicht schlecht.
Des weiteren ist er bei „American Murder Song“ involviert. In diesem Projekt von Terrance Zdunich (bekannt aus „Repo! The Genetic Opera“ und „The Devil's Carnival“) werden amerikanische Moritaten (deren deutsche Pendants zumeist als Küchenlieder bezeichnet werden) auf besonders mystische Weise neu interpretiert.
Seine größte Fangemeinde hat er aber als Musiker in der Gothic Szene gefunden. Nicht dass er nun eine besonders depressive Ader hätte, nein er ist ein ausgesprochen fröhlicher Mensch. Er hatte nur keine Lust auf diese dauerhafte Fröhlichkeit der Popmusik und wollte sich das Recht auf Traurigkeit nicht nehmen lassen.
Daher sind, im Gegensatz zu den meisten Musikern in diesem Genre, seine Lieder auch alles andere als düster und depressiv. Auch das typische Techno Stakkato wie bei „Goethes Erben“ oder „Das Ich“ sucht man bei ihm vergebens. Seine Musik bezeichnet er schlicht als Dark Cabaret. Und tatsächlich, jenseits der üblichen Schubladen findet sich sein Stil irgendwo zwischen Bombast Rock und mittelalterlichen Minnesang. Seine positiven Art begeistert und, neben echt schön arrangierten Songs mit netten Texten, kreierte er so manche Hymne auf das Geektum.
Hörbeispiele? Anhand des folgenden Titels lässt sich schon der Humor von Voltaire erkennen. Und wir können verdammt froh sein, dass die Zeit des Beschriften von Kassettenhüllen bereits lange vorbei ist. Trotzdem stößt man hier auch digital an seine Grenzen:
„Riding a Black Unicorn Down the Side of an Erupting Volcano While Drinking from a Chalice Filled with the Laughter of Small Children“
Sehr schön anzuhören sind auch Raised By Bats oder The Mechanical Girl.
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