Axolotl Overkill (2017)
Regie, Drehbuch, Buchvorlage: Darsteller: Jasna Fritzi Bauer,
JETZT im Kino
Als Helene Hegemann im Jahr 2009 Ihren Debütroman "Axolotl Roadkill" vorlegte, wurde Sie innerhalb weniger Tage zum geliebtesten Kind der deutschen Kulturpresse, nur um kurz darauf, aufgrund eines Plagiatsvorwurf, der Buch und Autorin bis heute anhaftet, zur Persona non grata des Feuilletons degradiert zu werden. Ich könnte mich an dieser Stelle zwar an der ewigen Diskussion über Intertextualität beteiligen, bevorzuge es allerdings das Thema, mit einem Verweis auf die Begrenzungen der menschlichen Lebenszeit, zu ignorieren. Es ist ohnehin fraglich ob die Lobpreisungen, welche ursprünglich über das Buch geschrieben wurden, je im Sinne der Autorin waren. All zu gerne fokussierten sich die Rezessionen doch auf die vermeintliche Anstößigkeit der Geschichte um die 16 Jährige Mifti und ihre Erlebnisse in der Berliner Nachtwelt. Leider übersah der geneigte Kritiker, vor lauter Freude am eigenen erhobenen Zeigefinger, die tragische Schönheit einer unglücklichen Liebesgeschichte, die das eigentliche Herz des Buches ausmachte. Aber das kann ja schon mal passieren. Nun hat Frau Hegemann dieses Buch also eigenhändig verfilmt. Sie hat das Skript selbst adaptiert und persönlich Regie geführt. Und was für eine Adaption das geworden ist. Mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit verarbeitet Hegemann die Zeitsprünge, wirren Dialogstrecken, Gedichte und Briefwechsel, welche das Quellmaterial ausmachten, in einen kohärenten und visuell getragenen Film. Dabei verzichtet Sie, vermutlich unter den damaligen Eindrücken der Buchbesprechungen, vollständig auf Sexszenen und dramatisierten Drogenkonsum. Die konsumierten Betäubungsmittel spiegeln sich im Film hauptsächlich durch die Kameraarbeit und das Setdesign wider. Insbesondere die Kamera ist über die gesamte Laufzeit ein direkter Spiegel für das Gemütsleben der Protagonistin. Hegemann zoomt, schwenkt und spielt mit dem Tiefenfokus was das Zeug hält, und hat dafür rechtmäßiger Weise den Preis für die beste Kamera auf dem Sundance Film Festival bekommen. Eine Auszeichnung deren Gewinn in Deutschland ein überraschend geringes Medienecho hervorbrachte. Wahrscheinlich weil die Fachpresse hierzulande zu sehr damit beschäftigt war Toni Erdmann und seine, fast schon symptomatisch für die Probleme des deutschen Kinos stehende, visuelle Langeweile abzufeiern. Obwohl alle Schauspieler zeitweise unter dem Umstand leiden, dass manche Dialogzeile, wenn sie in einem Buch gelesen wurde, doch bedeutend besser wirkte, als wenn man Sie aussprechen musste, leisten allesamt gute bis sehr gute Arbeit. Jasna Fritzi Bauer und die fast hypnotische Arly Jover werden unterstützt von Mavie Hörbinger, Laura Tonke, Julius Feldmeier und dem stets wunderbaren Oliver Polak in einer Gastrolle. Natürlich soll sich an dieser Stelle nicht der Eindruck verbreiten, dass wir hier einen fehlerfreien Film vorliegen haben. Die zeitweise arg dekonstruierte Erzählstruktur und manche visuelle Symbolik werden sich eventuell nicht jeden Zuschauer sofort erschließen. Und so schön und frisch das erzähltechnisch auch funktioniert, kann der ganze Exzess mit der Kamera auf 96 Minuten Länge schon anstrengend werden. Aber Mäßigung ist bekanntlich nicht Aufgabe der Jugend. Außerdem wäre eine Vermeidung der Eskalation überhaupt nicht angemessen, nur um ein paar langweilige Menschen, die Ihr Kino lieber als Theater dargereicht bekämen, nicht unnötig zu beunruhigen. Axolotl Overkill ist ein Versuch Emotion in Bildern darzustellen und ein direkter Gegenimpuls zur weitverbreiteten Abbildung der Realität. Seine Existenz als Alternative, sowie die Vermutung das die Regisseurin noch Einiges mit dem Medium vor hat, machen den Film sehenswert.
Flo
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