Da hinten steht eine Straßenbahn und lockt mit ihrem warmen und hell erleuchteten Innenraum. Nützt mir jetzt wenig – muss ich doch gerade heute in die andere Richtung, der Rest des riesigen Platzes ist leer. Plötzlich nähern sich einige Leute über die anderen Bahnsteige.

Sechs männliche Jugendliche – schätzungsweise zwischen 16 und 20 Jahren – dunkle Haare, seltsam unpassend wirkende Kleidung. Die Hosen hängen in den Kniekehlen, die viel zu weiten schlabberigen Jacken wirken wie vom großen Bruder geliehen. Ich konnte noch nie was mit dieser Art der Mode anfangen, aber was lästere ich – in den siebzigern bin ich ja schließlich auch mit Schlaghosen, 10 Zentimeter hohen Stiefeletten und zerschlissenen Jeansjacken rumgelaufen. Allerdings hätte ich mich nie getraut in der Öffentlichkeit einen Joint zu rauchen. Denn auch wenn die Jungs die dicke in Spezialblättchen gerollte (wir mussten früher noch etwas aus drei Blättchen selbst basteln) Tüte schamhaft in der Hand verbergen, dringt der würzige süsse Geruch doch zu mir rüber und erinnert mich an längst vergessene Zeiten.

Die Jungs stehen nun wenige Meter von mir am anderen Ende des Wartehäusschen und unterhalten sich. Langsam kreist die Haschischzigarette von einem zum anderen – immer noch verschämt in der hohlen Hand. Unser früheres Zeichen der Auflehnung gegen das Establishment -gibt es das Wort noch im heutigen Wortschatz?- ist mittlerweile fast zur Volksdroge verkommen, da muss man es ja fast bewundernd bemerken, das die Jugend ihre Tüten einem nicht direkt vor die Nase halten.

Plötzlich nähert sich einer der Jungs und es hat den Anschein als wolle er mir etwas sagen. Ich deute auf meine Kopfhörer in denen jetzt gerade Robert Plant in die kreischenden Passagen von „Battle for Evermore“ einsteigt. Kiffermusik hätten wir das früher genannt – ich gehe mal davon aus, das die Jungs nix damit anfangen könnten. Ich drücke die Pausentaste, weil ich etwas Kommunikation nicht abgeneigt bin.

„Eye Alder haschu ein Problem?“ fragt mich der junge Mann mit überdeutlichem Akzent.

`Ein Problem?´ , denke ich grinsend bei mir. Nee eines nicht -eigentlich ne ganze Menge – es ist immer noch scheißkalt, der dämliche Bus ist nirgendwo zu sehen, der große Platz wirkt in seiner Kahlheit äusserst bedrückend und ich sitze in einem einsamen Wartehäusschen und werde gerade von sechs Jugendlichen umringt. Das ist ne ganze Menge an Problem, bin ich doch kein Held aus einem billigen Actionfilm – der würde jetzt aufspringen und den Jungs mittels gezielten Faustschlägen und diversen Tritten eine superschnelle Schönheitsoperation verpassen. Vielleicht war es keine so tolle Idee die Jungs beim Drogenkonsum so intensiv zu beobachten.

Der Anführer der Gang kommt noch näher, beugt sich zu mir herunter und ich kann die Duftmischung aus Haargel, halb verdautem Knoblauch und viel zu viel Rasierwasser riechen.

„Brauchsu Hilfe?“, fragt er mich nun und die anderen schliessen den Kreis enger.

Ich schlucke – soll das das Ende des immer noch nicht berühmten Dia sein? Zusammengetrimmt in einem kahlen Wartehäusschen – keine Art von Heldentod von der ich doch immer geträumt habe.

Die Finger des Teenies zeigen nun auf meine Hand zwischen deren Fingern immer noch die frisch gerollte Zigarette steckt. Wieder öffnet er den Mund.

So lange er redet schlägt er zumindest nicht, denke ich bei mir und sehe mich nach eventuellen Fluchtmöglichkeiten um, doch alle Wege sind durch muskulöse Beine in falsch sitzenden Hosen verstellt. Ich sitze da wie ein Rind vor dem erlösenden Schuss des Schlachters – falls es überhaupt noch möglich ist, wird mir noch kälter. Sekunden werden zu Stunden bis er mich letzendlich wieder anspricht.

„Brauchsu Feuer?“


dia