Teil 005 Es ist schwer einem Genre wie den Actionfilm einen echten Urvater zuzuordnen, denn seit das bewegte Bild erfunden wurde, war die Bewegung ein großer Teil davon und gerade in den Anfängen der Kinematographie wurde – durch das offensichtliche Fehlen der Dialogmöglichkeiten – die Handlung möglichst durch Handlungen vorangetrieben. Der älteste Film, den ich komplett als zum Action-Genre gehörig benennen würde wäre „The General“ (1927) von und mit Buster Keaton.
Sicherlich gab es auch zuvor schon ausgedehnte Verfolgungsjagden und einzelne Szenen die mit halsbrecherischen Aktionen vollgepackt waren (man denke nur an diverse „Laurel and Hardy“-Filme), aber Keaton reduzierte die darum stattfindende Handlung auf ein Minimum und machte den Film zu einer großartigen Abfolge immer aufwendigerer und atemberaubenderer Stunts, die auch heute noch überraschen können. Zusätzlich aber hatte der Film auch noch ein Herz und gab seinem Hauptcharakter Johnnie Leben, in dem er ihn sozusagen zwischen zwei großen Lieben entscheiden liess – einmal die hübsche Annabelle und zum anderen natürlich das alte Dampfross, das zu Beginn von bösen Wichten entführt wird.
Sicherlich gab es im Laufe der Jahrzehnte auch mal die ein oder andere Variation zum Thema, aber das grundsätzliche Konzept blieb – zumindest bis in die 70er Jahre mehr oder weniger gleich. So gesehen hat ein Film wie „Vanishing Point“ (Fluchtpunkt San Francisko – 1971), trotz seiner Hippie-Thematik und dem nackten Mädchen auf einem Motorrad, mehr mit dem „General“ gemein als mit „Hair“ (das Musical war zur gleichen Zeit in aller Munde) auch wenn die Einflüsse des letzteren Werkes durchaus spürbar sind.
In den 80er Jahren begannen im Actiongenre die Einflüsse des asiatischen Kinos erstmals sichtbar zu werden. Bedingt durch die Welle von Martial Arts Filmen, die seit den siebzigern in die amerikanischen und europäischen Kinos schwappten, wuchs die Brutalität mit der die Helden die unzähligen Schergen aus dem Weg räumten, die eigentlichen Actionszenen wurden immer länger. Zusätzlich wurden Männerfreundschaften (vgl. „First Blood“ 1982 oder „Lethal Weapon“ 1987) und das Thema Rache („Road Warrior“ – Mad Max 1981) immer wichtiger. Auch der ein oder andere Handkantenschlag und Roundhouse-Kick verirrte sich nun ins Genre, ebenso wie „Schauspieler“, deren Fähigkeiten tatsächlich nur aus solchen bestanden (Hallo Chuck Norris, hallo Michael Dudikoff).
Doch all diese Neuerungen, technischen Spielereien und die Versuche andere Genres mit hineinzunehmen (Science Fiction in„Aliens“, Horror in „The Hitcher“, Comedy in „Beverly Hills Cop“) änderten nichts am Grundgerüst eines brauchbaren Actionfilms – der Held (die Helden) und sein über sich hinauswachsen war das Zentrum des Filmes, die Actionsequenzen fanden statt, um diese Entwicklung zu bebildern. All den oben genannten Filmen (und vielen, die ich nicht erwähnt habe) ist aber noch etwas anderes gemein und das ist ihre Wiedererkennbarkeit. Nur die Erwähnung einer einzelnen Dialogzeile wie „Make my day“, „Now I have a machine gun“ oder „I´m to old for this shit!“ sind ebenso aussagekräftig wie die jeweiligen Filmtitel und eine Verfolgungsjagd unter der Hochbahn New Yorks oder ein mittels Handschellen an einen zur Explosion neigenden Tanklaster geketteter Bösewicht sind Kinomomente die einzigartig sind.
Auch hier ist es natürlich nicht ganz so einfach einen Anfang zu finden, aber wenn man alles zusammenzählt, was wir im späteren Verlauf noch erwähnen werden kann man die Schuld für den Untergang eines ganzen Genres wohl hauptsächlich an George Lucas fest machen. Ehe jetzt die Sprüche von wegen „enttäuschter Star Wars Altfan“ und „retrogeschädigter Opa“ kommen, lasst es mich ein wenig genauer erklären. Was sich bei Star Wars Episode 1 andeutete und bei Episode 2 deutlich wurde, war dass in den Augen von Herrn Lucas nur ein gefülltes Filmbild ein gutes Filmbild ist.
War es wirklich nötig beim Blick aus dem Jedi-Sitzungsraum immer mindestens 20 Raumschiffe über die - ohnehin schon überfrachteten Stadtansicht – fliegen zu lassen und mussten im Endkampf von Episode 2 unbedingt hunderte von Laserschwert schwingenden Jedis und ebensolche Mengen von unterschiedlichen Fahrzeugen gezeigt werden?
Die Filmdiät im Actionbereich, mit der diese Leute aufgewachsen sind, bestand aus Filmen die nun widerum versuchten die „Matrix“ oder eben die Star Wars Prequels zu imitieren. Das Werke wie die unsäglichen Underworld-Filme (2003 – 2012) oder der fast schon komplett computeranimierte Ultraviolet (2006) heutzutage nahezu vergessen sind, hat schon seinen Grund. Dieses heranwachsende Publikum bescherte uns mit ihrem, mit ihnen wachsenden, Einkommen diese extremen Blockbustersommer, unter denen wir seit der Jahrtausendwende leiden. Kleinere und interessante Produktionen wurden noch mehr beschnitten, als in den Jahren zuvor – das kreative Kino fand sozusagen nicht, bzw. nur noch unter dem Radar statt. Größer + voller + lauter + mehr CGI = besser? In letzter Zeit scheint sich da aber glücklicherweise die schon vor Jahren von Tarantino und anderen prognositizierte Abnutzung breit zu machen. Das sorgt dafür, das nun auch mal wieder über den Tellerrand geguckt wird und der liegt bekanntlich von Amerika gesehen hinter dem pazifischen Ozean.
Mittlerweile hat man in den beiden Länder auch schon über zehn Jahre Erfahrung mit der neuen Art des Actionfilms und Filme wie die beiden „The Raid“-Teile (2011/2014) und „Headshot“ (2016), den wir auch bereits besprochen haben, zeigen, dass im Moment Indonesien das Maß aller Dinge ist. Zusätzlich hat sich das US-Actionkino, mittlerweile aber auch auf bekannte Werte zurückbesonnen. Spätestens seit 2012 Arnold Schwarzenegger wieder für große Rollen zur Verfügung stand, gab es auch hier wieder eine kleine Renaissance.
Rührt man nun diese drei Zutaten zusammen, dann muss dabei doch die Revolution des modernen Actionkinos herauskommen, oder? Oder? ODER?
Vorhang auf für „John Wick“ (2014) der eigentlich alles richtig macht. Die Geschichte ist simpel genug und bedient auch genug Klischees des klassischen Actionmovies. Unser Held übt Rache für seinen von Bösen getöteten Hund und sein geklautes Auto und bringt dabei, weil er zu einer geheimen Organisation professioneller Killer gehört, hunderte von Leuten mit gezielten Schlägen, Tritten und Schüssen (ganz zu schweigen vom Einsatz scharfer oder harter Gegenstände) um die Ecke.
Das zumindest sorgt dafür, dass man die Grundstory mit dem „Killer-Club“ noch einigermaßen im Gedächtnis hat, wenn man sich zu „John Wick Chapter 2“ (2017) herablässt. Denn ohne diese Vorkenntnisse erschließt sich diese Fortsetzung dem Zuschauer nicht mehr, da mittlerweile sämtlich Anklänge an eine nachvollziehbare Handlung der Videospielästhetik komplett zum Opfer gefallen sind. Zugegeben, der Film beginnt mit einer Autoverfolgungsjagd, die auf eine interessante Art und Weise inszeniert ist und durch einen geschickten visuellen Kniff eine komplett übersichtliche Choreographie hat, aber nach diesen 10 Minuten hat es sich auch mit dem kreativen Anteil des Filmes.
Hat man dann ein Gebiet von Leben befreit, trifft man in einer Zwischensequenz auf einen weiteren Non-playable Character und darf dann in dessen Heimstatt weitertöten, bis man letztendlich den Endgegner des Filmes erreicht. Hätte der Film noch ein Headshot Rating im Nachspann, welches ungefähr bei 90 % liegen dürfte, dann wäre „John Wick 2“ ein perfektes „Let's Play“, allerdings mit 122 Minuten ein fast schon zu langes, bei dem man darauf wartet, dass sich mal ein Speedrunner dessen annimmt.
Allerdings ist „John Wick 2“ das vielleicht deutlichste Zeichen dafür, wie tief das Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners mittlerweile gesunken ist. Wenn man die überschwänglichen Kommentaren in den diversen Foren und die Liebeserklärungen an diese Art des „Filmemachens“ liest, die dort verbreitet werden, dann ist der gewollte Zustand der potentiellen Zuschauer aus Produzentensicht mittlerweile ein IQ-Quotient deutlich unter dem dreistelligen Bereich. Sabbernde Idioten, die nicht mehr beherrschen müssen, als ihre Augen und Ohren für 122 Minuten offen zuhalten und auf etwaige Absonderlichkeiten, wie eine glaubhafte Handlung, schauspielerische Leistungen oder gar so etwas exklusives wie Spannung und eine erzählte Geschichte gut und gerne verzichten können, so lange es nur genug knallt und kracht und Blutfontainen spritzen.
Ich habe Angst davor, was aus der derzeitigen Pickelgeneration noch wird und davor, dass sie später einmal bestimmen was „Film“ bedeutet. Vielleicht bin ich ja wirklich nur ein zynischer alter Mann, aber das ist nicht mehr meine Art Kino. Dia COMING SOON
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- Dia