The X-Files the Videogame (1998) PS1
Regie: Greg Roach
Buch: Chris Carter, Richard Dowdy
Darsteller: David Duchovny, Jordan Lee Williams, Gillian Anderson, Mitch Pileggi
Frankfurt a.M, Deutschland, 13.10.2017, 10:13 pm
Auf einen Tipp von unserem Whistleblower Deep Dia hin, dessen wahre Identität zweifelhaft und unbekannt ist, erhielt ich in meinem toten Briefkasten ein Paket, welches vier Datenträger für ein spezielles Abspielsystem der Firma Sony enthielt. Da für ein längeres Briefing in der Zentrale keine Zeit war und wir sofort mit der Sichtung jener digitalen Dokumente beginnen sollten, kramte ich das PlayStation-System hervor und begann mit den vom Federal Bureau of Investigation durch Assistant Director Skinner aufgetragenen Ermittlungen zum spurlosen Verschwinden der beiden Agenten Fox William Mulder und Dana Katherine Scully...
Zumindest sollte sich X-Files - The Videogame aus dem Hause Fox Interactive und Hyperbole Studios im Jahre 1998 genau so anfühlen, blieb dann letzten Endes jedoch so spannend wie eine Mischung aus Memory-Spiel, Daumenkino (mit Eselsohren), einem Kaffeefleck auf einer Tischdecke und einer Episode der belieben Mystery-Serie auf einem ausgeleiherten Betamax-Band (welches alle 15 Sekunden stockt, um wieder in Spur zu kommen).
Man kann nicht behaupten, dass die Macher sich keine Mühe gegeben hätten. Allerdings in eine völlig falsche Richtung. Akte X - Das Spiel ist nicht mehr als ein Point-N-Click-Adventure, eine interaktive Episode, eine von Videoclips unterbrochene Diashow mit Tonuntermalung.
Über die Handlung verrate ich nicht allzuviel, außer ein paar Basics: Man spielt einen unbekannten FBI-Agenten namens Willmore, der in Seattle ansässig den Auftrag bekommt, das Verschwinden unserer Lieblingsagents aufzuklären. Dabei kommen wir natürlich immer tiefer in einen Sog aus paranormalen Ereignissen, Verrat und Verschwörungen. Zeitlich siedelt sich das Game irgendwo in der dritten Staffel an, was aber keine Rolle spielt. Zum Kanon gehört es nämlich definitiv nicht.
Das Setting ist jener Teil, bei dem sich dann zu viel Mühe gegeben wurde. Die Programmierer verzichteten auf mühsame 3D-Programmierung. Stattdessen fotografierten sie einen Raum aus verschiedenen Perspektien und klickt sich mittels Cursor von A nach B nach C nach A nach D und so weiter. Manchmal auch nach E (die Decke) und F (den Boden), aber nur an bestimmten Stellen an Punkt C. Wenn ein Raum vier Wände hat und man davon ausgeht, dass Agent Willmore in der Mitte dieses Raumes stünde, ist es mit vier Ecken nicht getan. Das Ganze steuert sich so unübersichtlich und orientierungslos wie diese Erklärung und Ausformulierung sich liest. Kann man eine Tür öffnen, verändert sich der Cursor und man kann den Raum wechseln/verlassen. Auch Fernsehgeräte, Faxgeräte, Telefone, usw lassen sich so bedienen - jedoch recht willkürlich. Manchmal ist es für das Spiel relevant, manchmal nur Spielerei (man darf also auch den Überblick darüber verlieren).
Wie für ein Point-N-Click-Adventure üblich, kann man auf ein Inventar zugreifen. Dieses besteht, wie für Akte X üblich, aus einem Dienstausweis, einer Dienstwaffe, einem Mobiltelefon, einem PDA, einem Nachtsichtgerät und alles weitere, was man im Detektivset des Micky Maus-Magazins dabei hat.
Mittels PDA kann man eine Karte aufrufen, an verschiedene Orte fahren und „ermitteln“. „Ermitteln“ in Anführungszeichen, da man eigentlich nur von Bild zu Bild klickt, Videosequenzen abwartet und sich freut, dass man in diesem Wirrwar irgendwann in der Story weiterkommt.
Ich kann nicht leugnen, dass die Videosequenzen eine angenehme Atmosphäre aufbauen. Die Musik von Mark Snow, die Kameraführung, der Schnitt und das Setdesign lässt ein authentisches Flair aufkommen. Zudem natürlich auch die Gastauftritte von Gillian Anderson, David Duchovny, Mitch Pileggi und William Bruce Davis. Aber dieser Effekt lässt schnell nach.
Die Story, welche ohne das diffuse Gameplay durchaus interessante Aspekte haben könnte, stammt aus der Feder von Akte X-Erfinder Chris Carter und Frank Spotnitz. Doch wirkliche Spannung kommt nie auf. So quälte ich mich Stunde um Stunde durch Diaslideshows, Videosequenzen und Ladephasen und konsulitierte recht schnell eine Komplettlösung. Diese hat sich genauso trocken lesen lassen, wie das Game sich spielen lässt: Vorwärts, links, vorwärts, rechts, runter, Kiste öffnen. Videosequenz anschauen, hoch, PDA öffnen, Ziel anwählen, vorwärts, rechts, ... (man stelle sich dies vor für einen Sidescroller wie Mega Man: 3,75 Sekunden rechts, springen, in der Luft nach 2,5 Sekunden schießen, auf die Plattform, rechts, runtersprngen, im Sprung nach 1,25 Sekunden schießen, vor dem Landen nach links tippen, schnell rechts drücken, nach 2 Sekunden schießen, hochspringen und dem Projektil ausweichen, ... das wären die ersten 20 Sekunden eines Mega Man-Levels).
Dass Agent Willlmore natürlich blass, uninteressant und langweilig ist, muss ich nicht extra ausführen. Schließlich ist er passend zum Rest des Spiels einfach nur irgendwie da und man entwickelt keine Beziehung zu ihm. Er interessiert sich halt für den amerikanischen Bürgerkrieg und ist Fan der Ramones, geht man vom Interieur seiner Wohnung aus. Ende der relevanten Details. Wenn man im Game mal das Zeitliche segnet, ärgert man sich mehr über die Ladezeit und das erneute Durchklicken als über das Ableben einer Videospielfigur (ob er das de-fakto ist?) Es ist ein unbekannter Schauspieler namens Jordan Lee Williams, der laut IMDB nichts bewegendes mehr vorzuweisen hat und auf seiner privaten Facebooksite allen ernstes Screenshots des Games postet... sofern er das wirklich ist. Ich kann mir aber auch kaum vorstellen, dass jemand ein solch inhaltsleeres Leben hat, um einen Akte X-Nicht-Kanon-Videospiel-Akteur von vor 20 Jahren als Fake-Account zu erstellen... obwohl... doch... ich kann es mir vorstellen! Von einer wirklichen Videospielfigur ist das aber weit weg. Wer sich mal die Mühe machen will und den Darsteller es Agent Willmore googelt und dann bei Facebook nach ihm sucht hat so ungefähr das getan, was als Gameplay verkauft wird).
Fazit:
Als das Spiel 1998 infolge des damals anstehenden ersten Akte X-Kinofilms, der Big-Budget-Lückenfüller zwischen den Seasons 5 und 6, in den Läden stand, war ich erstaunt ob der technischen Möglichkeiten von Filmmaterial auf gerade einmal vier Discs aufgeteilt. Da lief eine X-Files-Episode nach meinem Willen ab, es waren mehrere Discs (für die PC-Version waren es sogar sieben Silberlinge) und ich war damals so dermaßen im Akte X-Fieber, dass ich jeden Frame genoss. Allerdings habe ich auch die Romane mit Begeisterung gelesen, die für mich heutzutage einen Stellenwert zwischen einem schlechten John-Sinclair-Groschenroman und der Gebrauchsanleitung für eine Sodamaschine innehaben. Fast zwanzig Jahre später gespielt (und extra im Netz nachbestellt) wird mir bewusst, dass ich ein leicht zu begeisterndes Kind gewesen sein muss.
Ein interessantes Spiel? I wanted to believe. Eigentlich hätte man 1998 ermessen können, dass solche interaktiven Filme schon zuvor auf dem CD-i-Systemen von Philips nicht wirklich rockten. Doch was man etwa ein halbes Jahr zuvor falsch gemacht hatte, kann man ja noch immer noch falscher machen.
Wie die Serie selbst ist auch dieses Game ein Relikt der 90er, welches es meiner Meinung nach hätte bleiben sollen - gemessen an dem zweiten Kinofilm und der letzten Miniserie, wobei ich mich dennoch auf die anstehende neue Season freue angesicht des Cliffhangers in Staffel X.
Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.
In dem Videospiel jedoch findet man sie nicht. Bleistifte an die Decke werfen und dabei pornosschauend Sonneblumenkerne naschen ist spannender. Mir geht es da schon wie unserem Agentenstatisten: Ich will more - aber nicht sowas. Aber was soll man schon von einem Spiel erwarten, das in den Optionen „Speil-Einstellungen“ statt „Spiel-Einstellungen“ bietet?
Mario
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