retrocover

VIDEO Freaks

Ein Fanzine von Retro-Film

 

52 Seiten SW, Din A5
Preis: 3,99 €/KINDLE 0,99 €

 

 

 

 

Wow, ein richtiges Fanzine aus deutschen Landen, das sich noch dazu meist mit „seltsamen“ Filmen beschäftigt – man kann sich kaum vorstellen, wie lange ich darauf gewartet habe. Haben wir es nun also mit einem neuem EVIL ED oder eher mit einem neuen DOC CYCLOPS zu tun oder hat gar SPLATTING IMAGE einen Nachfolger gefunden? Fragen, die es zu beantworten gilt. Also dann, ohne weitere Vorrede, rein ins Vergnügen.

Nein – halt – nicht so schnell, erst gibt es noch einiges Grundsätzliches abzuklären, denn viele von Euch wissen wahrscheinlich überhaupt nicht mehr, was ein Fanzine eigentlich ist (und vor allem, wie man diesen Begriff ausspricht).

Wer meint, schon alles über Fanzines zu wissen, kann natürlich auch gerne direkt zur eigentlichen Kritik springen.

 

 

FANZINE?

FAN-magaZINe gab es im US-amerikanischen Raum bereits seit den frühen 40er Jahren. Zumeist im Science-Fiction und Horror-Genre angesiedelt, boten diese handgebastelten und zumeist mit Matritzendruckern – ja, die mit dem Eierlikörduft und dem blauen Druck - abgezogenen Heftchen einen etwas anderen Blick auf die in ihnen besprochenen Romane und Filme. Im Gegensatz zur etablierten Presse (Magazin of Fantasy and Science Fiction) waren hier nicht Macher und professionelle Schreiberlinge am Werk, sondern eben FANS und dementsprechend war der Inhalt auch – um es mal simpel auszudrücken – etwas persönlicher und lockerer gehalten.

FMUm sich einen Eindruck dieses Schreibstils zu verschaffen, sollte man mal versuchen an eine alte Ausgabe des Klassikers „Famous Monsters of Filmland“ von Forrest (Forry, Ackermonster) J. Ackerman zu kommen. Sicherlich war dieses Magazin bereits erheblich professioneller gestaltet/gedruckt und auch in extrem hoher Auflage publiziert, aber textmässig hat Forry Zeit seines Lebens (24.11.1916 – 4. Dezember 2008) nie etwas anderes gemacht, als von Fan zu Fan geschrieben.

Forry selbst hatte allerdings mit dem Publizieren bereits in den frühen 40ern begonnen und über diese ersten Veröffentlichungen auch seine lebenslangen Freunde Ray Bradbury und Ray Harryhausen kennengelernt. Ebenso wichtig wie der lockere Schreibstil war halt auch immer die Interaktion mit den Lesern – Leserbriefseiten/Artikel von und über Leser/Lesertreffen.

Hier in Deutschland begann die Zeit der Fanmagazine in den frühen 70er Jahren mit Leuten wie dem späteren „Pofessor Zamorra“-Autor W.K.Giesa, der in den frühen Ausgaben seines eigenen Magazines auch schon mit Mischungen aus Comics und selbstgeschriebenen Storys experimentierte. Leider sind diese frühen Experimente im Laufe der Jahre aus meiner Sammlung verschwunden, ich hätte Euch gerne ein paar Einblicke präsentiert.

Auch im Musik- und später Comicbereich erfreuten sich fannisch produzierte Magazine einer großen Beliebtheit, aber darüber müssen andere Chronisten berichten.

Ehe wir in der Geschichte fortschreiten, sollten wir uns mal um den durch den Raum trampelnden Elefanten kümmern – die Aussprache des Begriffes.

Bis in das Jahr 1978 war ich auch – wie wahrscheinlich die meisten Leser – der Meinung der Begriff würde FÄHNZEIN betont, musste mich aber von Freunden, die in der US-Science Fiction Szene aktiv waren, eines Besseren belehren lassen. Da das Wort, wie oben bereits angedeutet, eine Kurzform aus FAN und MAGAZIN darstellt, ist die korrekte Aussprache FÄHNZIHN.

Ähnlich verhält es sich übrigens mit dem moderneren Begriff PODCAST – einer Zusammenziehung von i-POD und broadCAST, die nur Sprachverweigerer (Hallo Zocki!) wirklich als PODCÄHST aussprechen, aber das ist ein anderes Thema. ;)

cc01 kleinMeine erste kreative Begegnung mit einem Fanzine war die Mitarbeit beim „Corellian Chronicle“, Deutschlands erstem Star Wars-Fanzine (1978-1983), das zusätzlich auch noch so ziemlich das erste reine Film-Fanzine auf dem deutschen Markt war, da es sich inhaltlich nicht nur auf die (damals noch so genannten) KRIEG DER STERNE-Filme bezog, sondern auch Kritiken und Artikel über andere Filme brachte, an denen die Darsteller und Macher der Serie beteiligt waren.

Wo wir gerade beim Thema sind: EVIL ED (1986-1990) kann zumindest von sich sagen, das erste Horror-Zine im deutschem Raum gewesen zu sein, aber ich glaube das dürfte jedem Leser dieser Zeilen bereits bekannt sein.

Die Wellen, die wir damals losgetreten haben, breiten sich bis heute immer noch aus und haben mittlerweile großartige Publikationen wie (das von einer Gruppe von ED-Lesern gegründete und mittlerweile leider in der Druckversion eingestellte) SPLATTING IMAGE oder das von Markus Haage herausgegebene „DER ZOMBIE“ hervorgebracht.

Die meisten dieser Magazine bewegen sich aber mittlerweile – sowohl inhaltlich als auch optisch – eher im semi-professionellen Bereich und lassen, bei allen textmässigen Qualitäten, das „fannische“ etwas vermissen.

Nun aber endlich zu VIDEO Freaks...

 

KRITIK

VIDEO Freaks kommt im klassischen A5-Format (Hallo Nagi ;) ) mit einem Umfang von 52 schwarz-weißen Seiten, mit Taschenbuchbindung und einem dreifarbigen Cover im Hochglanzdruck daher. Das fühlt sich schonmal gut an und macht sich mit der Zeit (wenn eine größere Anzahl Magazine erschienen ist) sicher auch recht gut im Regal. Leider halte ich persönlich die Covergestaltung für – sagen wir es mal nett – eher fragwürdig. Die Kombination des fetten blau-lila Streifens am linken Rand mit der roten Titelzeile wirkt wie gewollt und nicht gekonnt. Auf der Rückseite wird es dann noch unansehnlicher, hat man dort doch die Entscheidung getroffen, schwarzen Text auf blauem Hintergrund zu präsentieren. Das ist nicht nur unschön, sondern vor allem auch unleserlich. Da kann man nur hoffen, dass sich das zur nächsten Ausgabe ändert.

Aber gut – unsere ersten Ausgaben waren optisch auch ziemlich gruselig und man kauft sich ein Fanzine ja auch nicht wegen des Aussehens, also schlagen wir das Heftchen mal auf.

retro01Au weiah – bereits im Vorwort wird man mit einer massierten Ansammlung von Rechtschreibfehlern konfrontiert. Sicher – auch EVIL ED war damals für eine eher kreative Auslegung von Rechtschreibregeln bekannt/berüchtigt, aber im Jahr 2017 sollte man zumindest in der Lage sein, mittels elektronischer Prüfung Probleme wie „desweiteren“ (Tipp: Des Weiteren), welches gleich zwei Mal beim Lesen des Intro-Textes zum Stolpern führt, zu vermeiden. Auch die Auswahl einer halbfetten (und schlecht gesperrten) Antiqua-Schrift für das Vorwort führt bei mir als altem Schriftsetzer zu Brechreiz.

Das ist nix gutt...

Aber gut, Vorworte sind eh dazu da, überblättert zu werden. Was bieten uns die Retroisten denn nun als Inhalt an?

Nun ja, bis auf vier Kurzportraits von Schauspielern und einer Doppelseite mit „Retro-Facts“ haben wir es hier mit einer Sammlung von Kritiken zu tun, was grundsätzlich also genau das ist, was ich erwartet und erhofft habe.

Natürlich gibt es auch hier Licht und Schatten.

Während auf der einen Seite sehr nett zu Lesendes (Barbarella, Wenn du krepierst lebe ich) dabei ist, finden sich auch Kritiken voller Fehler und ohne „Lese-Flow“, bei denen es schwer fällt, bis zum Ende durchzuhalten.  

Generell stört mich bei den meisten Texten, dass sie das Gefühl vermitteln wollen „professionelle Kritiken“ zu sein, dabei aber an der mangelnden Qualität der Autorenschaft grandios scheitern. Hier fehlt einfach das „Fannische“ und Persönliche, der Spaß beim Lesen bleibt zumeist aus.

retro02Allerdings weiß der Innenteil zumindest von der Gestaltung und der Schrifttype her zu gefallen, wenn man auch bei der nächsten Ausgabe die Beschnittränder etwas großzügiger einplanen sollte.

Im Gesamten haben wir somit auf den ersten Blick eine Startausgabe vorliegen, die visuell zumindest den Eindruck eines Fanzines macht und die genug Potential bietet, um etwas Eigenständiges und Gutes zu werden.

ABER ... und das ist nun ein ganz großes aber ... sämtliche der veröffentlichten Artikel sind (teilweise mit den gleichen Bildern illustriert) bereits kostenlos und in ganz genau der selben Form (inklusive aller Rechtschreibfehler) auf der Website der Retroisten (http://retro-film.info/) zu finden. Die Macher haben sich leider nicht einmal die Mühe gemacht, noch einmal über ihr Geschriebenes mit dem Feinkamm rüberzugehen. So finden sich hier Stilblüten wie „Rückenasicht“, „Sperrspitze“ oder „ohrenbeteubend“ und in einigen Artikel wird sich auf Dinge bezogen, die offensichtlich bereits veraltet sind.

Das hinterlässt leider einen fiesen Nachgeschmack von „lass uns einfach ein paar alte Artikel von der Website zusammenkloppen, um damit etwas Kohle zu verdienen“ und hat mit dem Begriff Fanzine eigentlich nichts zu tun.

VIDEO Freaks soll nun also monatlich erscheinen, was mir als altem Zine-Herausgeber schon bei der Vorankündigung etwas gewagt erschien, nach der Sichtung des vorliegenden Exemplars kann ich mir vorstellen, dass das natürlich möglich ist. Ob man mit dieser Art der Publikation allerdings Stammleser ziehen kann, wage ich zu bezweifeln.

Meiner Meinung nach wäre ein vierteljährlicher Erscheinungsrhythmus mit einer vernünftigen Redaktion/Korrektur und – vor allem – eigens für das Magazin geschriebenen Artikeln die bessere Entscheidung.

retro03Also Stefan und Co. setzt Euch nochmal zusammen und überdenkt, was ihr mit dem Magazin erreichen wollt. Sollte es Euch wirklich nur um die „schnelle Mark“ gehen, dann macht weiter so, aber dann gebe ich Euch keine drei Ausgaben, ehe das Kartenhaus über Euch zusammenstürzt.

Sollte Eure Idee aber sein, den Retro-Film-Fans ein vernünftiges Magazin zu bieten, dann ändert – am besten bis zur nächsten Ausgabe – das Konzept.

Sorry, dass ich Euch kein besseres Review geben kann, aber ich glaube genug Erfahrung zu haben, um zu wissen, was ein gutes und was ein schlechtes Fanzine ist. In der momentanen Form haben wir es mit nicht mehr als einer gedruckten Website zu tun und es fehlen die Persönlichkeit, die Originalität und – vor allem – der Humor.

Schade, ich hätte gerne eine Kaufempfehlung gegeben, aber in der jetzigen Form kann ich nur die katholische Filmkritik zitieren:

„Wir raten ab!“

dia

 

  Unsere Podcasts:      
  logo023

logo022