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Gehirn

Ein Streifzug durch den Zombiefilm von 1932 – 2018

von Damian Martinez

Buch 1 der Reihe „Beyond Mainstream“

hopper

„Zombies, man. They creep me out."

Dennis Hopper in “Land of the Dead”

Bis zum Jahr 1986 konnte ich Herrn Hopper da tatsächlich noch zustimmen, aber seitdem sind die wandelnden Toten doch irgendwie zur Selbstparodie verkommen, der Zombiefilm als solches fast schon zu einem superheldenmäßigen Schablonengenre geworden.

Der fast 50-jährige „Jungautor“ Damian Martinez versucht sich im ersten Buch seiner  Reihe „Beyond Mainstream“ an einer kompletten Chronologie des Untergenres und bespricht dazu ungefähr 200 Titel, die mehr oder weniger dort hineinpassen. Seine Kurzkritiken sind zumeist pointiert und witzig geschrieben, wer aber tiefe Analysen und kulturhistorische Zusammenhänge erwartet ist hier eher falsch, denn in erster Linie geht es Martinez darum den Leser zu unterhalten. So sollte man beim Lesen also tunlichst vermeiden gleichzeitig Kaffee zu trinken, wenn man nicht das Risiko eingehen will die schönen Buchseiten mit braunen Flecken zu versauen, wobei das natürlich dem Thema entsprechend auch passend sein kann.

Martinez teilt sein Buch in 7 längere Kapitel auf, in denen er jeweils einen kleinen Abriss der zu besprechenden Zeit voranstellt, ehe er dann ausgewählte Filme des Zeitraumes bespricht.

zombies 02Das erweist sich zu Beginn als eher kontraproduktiv, da natürlich ein ironischer Ansatz bei den ersten Filmklassikern (er beginnt seine Reise mit „White Zombie“ 1932) nicht wirklich passt. Zusätzlich merkt man auch recht deutlich, dass er sich bei einigen wirklich obskuren Titeln wie „Bowery at midnight“ (1942) mehr auf externe Reviews denn auf eigene Seherfahrungen berufen muss, aber das ist auch verständlich, haben viele der früheren Werke den deutschen Markt doch niemals offiziell erreicht.

Wenn man diese erste Hürde des „Oh Gott, wieder so ein staubtrockenes Werk eines Filmfachmannes!“ aber überwunden hat, geht es schnell in die Vollen, Martinez Stil kommt zur Blüte und man merkt schnell, dass man hier im Gegensatz zu normalen Nachschlagewerken einfach von vorne nach hinten durch liest. Am stärksten ist das Buch dementsprechend natürlich bei Filmen, über die noch nicht ganze Bibliotheken vollgeschrieben wurden. Sicherlich ist es nett, mal wieder was über die Romero-Doppeltrilogie oder Fulcis Splatterorgien zu lesen, aber das Herz des Buches liegt in Reviews zu kleineren und unbekannteren Werken wie „Space Zombie Bingo!!!“ oder „Killing Spree“, die den Jäger und Sammler unter uns ansprechen und unsere Wunschlisten mal wieder ein wenig verlängern werden.

Interessant vor allem für filmhistorisch eher unerfahrene Leser, die nicht so wie ich die meiste Zeit ihrer prägenden Jahre im Kino oder vor dem Bildschirm verbracht haben, in wie fern sich der Zombie vom „wandelnden Toten“ zur „fleischfressenden Killermaschine“ gewandelt hat. Dieser Aspekt wird durch die chronologische Erzählweise des Buches schön betont.

Trotzdem ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Zuerst einmal handelt es sich bei „Gehirn“ tatsächlich – wie der Titel ja schon sagt – nur um einen Streifzug durch das Untergenre, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Trotzdem stößt es dem Leser schon sauer auf, wenn Filme die nur einen ganz weit hergeholten Bezug haben mit Reviews gewürdigt werden (Cronenbergs „Shivers“, in dem es tatsächlich keine lebenden Toten gibt) und dafür Klassiker wie „Das Cabinett des Dr. Caligary“ (1920), der grundsätzlich der wirklich erste Zombiefilm ist,  ignoriert werden. Sicher, der Autor kann nicht jeden Film kennen, aber das ist wirklich eine große Lücke im Buch.

Damit aber kann ich leben, was mich tatsächlich stört und den Lesefluß gewaltig ausbremst, ist die Entscheidung, sich im Fließtext vorwiegend auf deutsche Titel zu beziehen und den Kritiken keinerlei Stabangaben hinzuzufügen. Das macht es dann nötig immer ein Lesezeichen ins Kapitelende zu legen, da dort dann die technischen Daten der Filme (auch nur sehr kurz) aufgelistet werden. Da hilft auch der, am Ende hinzugefügte, Index nicht, der ebenfalls nur nach deutschen Titeln sortiert, denn wie wir alle aus Erfahrung wissen waren die deutschen Titelschmieden im letzten Jahrhundert (und speziell im Videozeitalter) teilweise furchtbar kreativ.

Profil DMAber wie gesagt, bis auf diese Stolpersteine ist das Buch ein prima Lesevergnügen auch wenn man bei einigen Reviews noch merkt das der Respekt vor dem Klassiker der Ironie unterliegt. Aber – Riesenspoiler – das hat Martinez im zweiten Buch der Reihe, dass ich demnächst hier besprechen werde, bereits im Griff.

Damian wird demnächst auch bei uns zu einem Audiointerview zu Gast sein und Geschichten aus der Videozeit erzählen. Bis dahin kann ich jedem Filmfreak nur ans Herz legen das Buch zu kaufen, das trotz seiner Schwächen immer noch viel besser ist als diverse Werke großer Verlage.

Dia



PS: Damian – halt mal Ausschau nach „The Video Dead“ (1987), das ist was für Dich. ;)