splatterquer(USA 1982)

Forbidden World

Teil 1 der Reihe „Phantastische Klassiker“ von ANOLIS

Regie: Allan Holzman

Drehbuch: Tim CurnenJim Wynorski

Make-Up-FX: John Carl Buechler

Darsteller: Jesse VintDawn DunlapLinden ChilesMichael Bowen


 

 

Von allen ALIEN-Ripoffs, die in den frühen 80er Jahren die Kinoleinwände überfluteten war „Mutant“ für mich immer schon das Beeindruckenste, was zum großen Teil sicher auch daran lag, dass er – zu einer Zeit, in der es, ob der zu erwartenden geschnittenen Fassungen, begann ein Risiko zu werden in einen Horror- oder Science Fiction-Film zu gehen – tatsächlich mit einer Freigabe ab 16 Jahren ungeschnitten lief. Fortan war das für unsere Clique aus Filmbekloppten immer der Film mit dem „Krebsende“, der dann auch später auf Video einer unserer Lieblinge bleiben sollte.

mutant02Der Film hatte aber – neben den erstaunlich saftigen und wunderschön anzusehenden Splattereffekten – dem Science Fiction und Horrorfreund auch noch etliches andere zu bieten und ist aus heutiger Sicht betrachtet ein wunderschönes Beispiel dafür, wie New Line Cinema unter der Führung von Roger Corman damals arbeitete.

Der Film gehört sozusagen zu einer Trilogie aus Weltraumfilmen der Corman Factory, die mit „Battle beyond the Stars“ (Sador-Herrscher im Weltall - 1980), einem popcornbunten Star Wars Rip-Off, dass sich an den Sieben Samurai orientierte und John Boy Walton in einer Hauptrolle aufbot und „Galaxy of Terror“ (Planet des Schreckens – 1981), einem eher splatterigen Epos, in dem unter anderem Freddy Krüger und eine notgeile Nacktschnecke auftauchten, begonnen hatte. Da aus letzterem Film noch einige Sets standen, dank der überaus pfiffigen Planung von Corman auch noch ein Drehtag übrig war und sich gerade ein junger Schauspieler mit einem eigenen Roboterkostüm bei New Line beworben hatte, verdonnerte der Schlockmeister den Cutter des letztgenannten Filmes, der Ambitionen gezeigt hatte als Regisseur zu arbeiten, dazu, eine generische Eröffnungssequenz zu einem weiteren Weltraumabenteuer zu inszenieren.

mutant07So wird nun also zu Beginn von „Mutant“, der tatsächlich unter diesem Titel produziert wurde, aber als „Forbidden World“ in die US-Kinos kommen sollte, unser Held Mike Colby (Jesse Vint), von seinem treuen Roboter SAM-104 (Don Olivera) aus seiner Schlafkapsel (hmmh, wo hatten wir das schon Mal?) geweckt, darf sich in einem von James Cameron designten Set als tollkühner Pilot beweisen und feindliche Raumschiffe abschiessen. Die dazu nötigen Weltraumszenen wurden kurzerhand aus „Battle beyond the Stars“ genommen. Damit das nicht so auffiel schnitt Regisseur Holzmann, dank seiner Erfahrung in dem Job, das Ganze auf eine Art und Weise, die an heutige Actionspektakel erinnert und versah die Sequenzen zusätzlich auch noch mit Lichteffekten, die heutzutage eine vorangestellte Epilepsie-Warnung zur Folge hätten.

Auch wenn niemals so wirklich klar wird, gegen wen Mike da in den Weltraumkrieg zieht und auch über die Gründe dafür nur spekuliert werden kann, war dieses Opening damals im Kino ein echtes Erlebnis, dessen Wirkung man heute – selbst bei der vorliegenden HD-Fassung- nur erahnen kann, die Zuschauer waren, im wahrsten Sinn des Wortes, geflasht.

mutant03Nachdem die Weltraumpiraten/Aliens/Bad Dudes und ihre Schiffe in Raumschrott verwandelt wurden kann sich Mike nun seinem eigentlichen Auftrag zuwenden und landet das Schiff auf einem Planeten mit einer wissenschaftlichen Station, die ein gewaltiges Problem hat. Hier wird nämlich unter der Leitung des wirrköpfigen und schlecht frisierten Dr. Hauser (Linden Chiles) mit irdischer und außerirdischer Tier-DNA experimentiert um den Hunger im Weltenraum zu bekämpfen. Unterstützt wird der Doc dabei unter anderem von Michael Bowen, der sich 25 Jahre später in Kill Bill als Buck, mit einer unanständigen Dialogszene in unser Gedächtnis brennen sollte, und zwei wunderhübschen Assistentinnen, die in gläsernen High Heels durch die Gänge flitzen und auf sexuellem Entzug sind.

Überraschender Weise ist bei Hausers Experimenten etwas schief gegangen und nun schleicht der titelgebende Mutant durch die Station und verwandelt sich, der Vorlage gerecht, immer wieder auf absonderliche Weise bis er am Ende – der Krebs halt – von Mike in die ewigen Jagdgründe geschickt wird. Dabei entwickelt der Film aber, bei allen Anlehnungen an Alien, tatsächlich ein paar neue Ideen, die ich hier aber natürlich nicht verraten werde.

mutant10Das Ganze ist dann wie schon erwähnt mit einigen deftigen Splattereinlagen gewürzt, die von FX-Guru John Carl Buechler mit sehr kreativem Latex-Einsatz kreiert wurden und auch heute noch überraschend gut aussehen. Speziell ein halb weggefressener Kopf und eine Szene in der ein Arm komplett in einer Bauchhöhle verschwindet bleiben im Gedächtnis hängen, wobei sich das Alien als etwas steif und unbeweglich erweist, was aber durch geschickten Schnitt meist recht gut kaschiert wird. Zusätzlich gibt es – es handelt sich ja um eine Corman-Produktion – auch noch beide weiblichen Hauptdarstellerinnen in voller Schönheit zu bewundern, was unter anderem dazu führt, dass sie einen langen und wichtigen Dialog führen, während sie sich gegenseitig unter der Dusche einseifen – man muss solche Filme einfach lieb haben.

Für mich persönlich am Erstaunlichsten ist allerdings, dass ich bei der Sichtung der HD-Version tatsächlich das Gefühl hatte, den Film zum erstem Mal seit dem Kino wieder wirklich gesehen zu haben. Sicherlich hatte ich – wie eigentlich jeder in meinem Bekanntenkreis – damals eine VHS-Kopie und diese schrubbelte auch recht oft über die Köpfe meiner Recorder, aber erst im Jahr 2017 konnte ich wieder all die Details erkennen, die ich schon damals – in einer meiner frühen Filmkritiken, die im übrigen NICHT veröffentlicht wurde, da die Macher des Science Fiction Fanzines für die sie geschrieben wurde, mit dieser Art „doofer SciFi“ nichts anfangen konnten – bewundert hatte.

mutant01So sieht man erst mit der passenden Bildschärfe wieder, dass die Gänge der Station tatsächlich mit Eierkarton und Schnitzelverpackungen vom Lieferservice dekoriert sind und dass die großformatigen Bildschirme auf simple Weise durch Projektion von Super8-Material erzeugt wurden. Auch in einer Sequenz, in der man ein Labor voller zerfetzer Labortiere sieht – und die laut Regisseur mit echten Tierkadavern gedreht wurde – kann man die Plastikaugen der Stofftiere vielleicht ein wenig zu deutlich erkennen. Sicherlich waren im Hintergrund einige echte Leichen zu sehen, aber der Vordergrund straft die Erinnerung der Macher Lügen, übrigens ebenso wie die Bemerkung, dass es sich beim verblüffend effektiven Score des Filmes, der von Holzmanns damaliger Freundin Susan Justin komponiert wurde, um den ersten rein elektronischen Filmsoundtrack handelt. Diese Ehre muss man aber dem Klassiker „Forbidden Planet“ (Alarm im Weltall – 1956) und dessen Komponistinnen Bebe and Louis Barron zusprechen. Somit handelt es sich wohl um eine leichte Verwechslung durch die „zufällig“ ähnlichen Titel der Filme.

mutant04In Bezug auf die Make-Up-Effekte hingegen ist es nun aber auch erstmals wirklich möglich deren grandiose Qualität hinreichend zu würdigen, denn was Buechler und sein Team mit geringstem Budget aber hoher Kreativität geschaffen haben überzeugt auch heute noch durch perfekte Sauberkeit und schicken Realismus, da kann moderner CGI-Splatter in keinster Weise mithalten.

Somit ist „Mutant“ also in dieser Form ein Film, den man als alter Fan des Streifens tatsächlich auch in HD immer noch geniessen kann und der erstaunlich gut gealtert ist. Junge Menschen, die ihn nicht kennen werden wahrscheinlich höchst beeindruckt von diesem herrlichen B-Movie sein.

 

Zum Mediabook von ANOLIS

 

mutant05Mit dieser Veröffentlichung startet ANOLIS eine neue Serie namens „Phantastische Klassiker“, die mit einem schicken roten „die 80er“ auf dem Spine daherkommt und speziell für einen alten Mann wir mich eine wahre Freude ist. Im Gegensatz zur „Hammer-Sammlung“ aus dem gleichen Haus, bekommen wir bei dieser Sammlung, zum Thema passend, Hüllen in knackiger Hochganzoptik, die aber in Sachen Verabeitung und gefühlter Qualität genau so hochwertig sind.

Den Film selbst gibt es in gleich drei verschiedenen Fassungen zu bewundern. Da wäre zuerst einmal die US-Version, die natürlich auch mit dem Kinotitel „Forbidden World“ daherkommt, sowie die deutsche Kinofassung, die ein ganz besonderes Unikat darstellt. Im Gegensatz zur sonst üblichen Verfahrensweise wurde hier nämlich nicht nur der Titel „eingedeutscht“ (bzw. in diesem Fall zum Produktionstitel „Mutant“ zurückgeändert), nein, der Film wurde sogar um ganze 5 Minuten verlängert, in dem man die Raumschlacht vom Anfang nochmals ans Ende schnitt und nur ein wenig anders synchronisierte. Somit handelt es sich bei dieser Version um ein echtes Sammlerstückchen, dass es weltweit in dieser Fassung sonst nirgendwo zu bewundern gibt. Darauf gehen auch Ingo Strecker und Pelle Feltsch in ihrem großartigen und zum Brüllen komischen Audiokommentar ein, der in etwa so klingt, als habe man Eddies vors Mikrophon gelassen.

Bitte mehr davon ANOLIS.

Trotzdem handelt es sich bei der deutschen Version aber nicht um die längste Fassung des Filmes, denn diese wird uns im Mediabook auf einer Extra-DVD präsentiert. Exklusiv für diese Veröffentlichung gibt es nämlich den Original Directors Cut von „Mutant“, der aus dem Privatbesitz von Regisseur Allan Holzman stammt. Bevor der Film nämlich als „Forbidden World“ in die US-Kinos kam hatte Corman selbst ihn um fast 8 Minuten kürzen lassen, da er mit den von Holzman bewusst eingebrachten komischen Elementen nichts anzufangen wusste und der Meinung war der Humor würde den Film genremässig verwässern.

mutant06Nun also hat man endlich die Chance diese kleine B-Movie-Perle auch in der Version zu sehen, die den Zuschauer eigentlich erreichen hätte sollen und – verblüffender Weise – macht das ihn noch eine kleine Spur besser, da nun die doch eher seltsamen Elemente – wie z.B. die lange Duschszene – durch einen eher selbstironischen Blickwinkel doch eine viel logischere Wirkung bekommen. Auch wenn diese Version, in der Seltenheit des Materials begründet, nur in SD-Qualität vorliegt (und somit VHS-mässig auch die von mir weiter oben besprochenen Details wieder abschwächt) so ist sie doch zwei Blicke wert. Einen ersten um den Film endlich mal wirklich komplett zu sehen und einen zweiten um den Audiokommentar von Regisseur Holzmann zu hören, der nicht nur wirklich informativ, sondern auch sehr mutig ist, da er zum Stottern neigt.

Damit ist aber auf dieser Veröffentlichung noch lange nicht das Ende erreicht, denn zusätzlich finden sich hier auch noch ein interessantes Making Of mit diversen Interviews, eine kleines Interview mit Roger Corman zum Film und ein Report über die Spezialeffekte von John Carl Buechler, bei der man doch einige interessante Details zu den Produktionsbedingungen im Hause Corman erfährt.

Der US und der deutsche Kinotrailer, diverse Werberatschläge, ein witzig von Ingo Strecker geschriebenes und hinreissend bebildertes Booklet und eine Bildergalerie runden das Paket ab.

Somit ist dieses Mediabook, das mit 2 verschiedenen Covermotiven daherkommt, ein Pflichtkauf für jeden Eddie, für jeden 80er-Jahre-B-Movie-Fan und für jeden Genrefan, der heutige Hochglanzproduktionen satt hat – also eigentlich für jeden, der bis hierher mitgelesen hat.


dia


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