chopperquer

(Australien 2000)

Regie: Andrew Dominik

Buch: Mark Brandon Read, Andrew Dominik

Darsteller: ,

 

 

Unruhig rutscht der Mann auf dem Sessel umher. Das lederne Möbel jauchzt und quietscht unter seinem mächtigen, zutätowierten Körper – die einzigen Geräusche, die den Raum durchdringen. 2000Chopper01Die beiden ihm gegenübersitzenden Dealer ahnen, wie unvorhersehbar die nächsten Minuten werden, schließlich haben sie es mit Mark Brandon „Chopper“ Read zu tun. Endlich hebt er die Hand, zeigt auf die Tür und bellt den Boss der Crackhöhle an: „I give you twenty seconds to produce some cash or else I´ll fucking shoot you!“ Aber der verliert sich in Ausflüchten, bekommt nach rasant gezählten zwanzig Sekunden eine Kugel in den Bauch und wird anschließend vom reumütigen Schützen ins Krankenhaus gefahren.

Ach, dieser Chopper…

Die angeführte Szene ist typisch für einen Film, der sich einem extrem ambivalenten Charakter widmet. Denn mit Chopper (2000) greift der Regisseur Andrew Dominik das Leben von Australiens berühmtestem Schwerverbrecher auf – einem vielfachen Mörder, Soziopathen und Bestseller-Autor. Reads Biografie, die zum Großteil aus Gefängnisaufenthalten und Kapitaldelikten besteht, würde genug Stoff für eine Trilogie hergeben und doch schafft es Dominik in 94 Minuten, eine packende Verdichtung der Geschehnisse um den legendären Chopper zu liefern. 2000Chopper07Der von Eric Bana grandios gespielte Read versetzt den Zuschauer in einen Zustand der Alarmbereitschaft. Hilflos versucht man, das Geschehen einzuschätzen und scheitert doch immer aufs Neue. Mal wird eine krasse Respektlosigkeit nachsichtig von Chopper aufgenommen, mal ist die Antwort auf eine Nettigkeit ein völlig unverhältnismäßiger Gewaltausbruch. Die vertrauten Regeln sozialer Interaktion gelten nicht mehr, und so sorgt alleine die Anwesenheit des Helden für Adrenalin. Wer aber die Handlungen Marks als rein schizophren abtut, greift zu kurz und entlarvt einen Radar, der solche Typen nicht erfassen kann und sie daher in pathologische Schemata zu pressen versucht. Denn vielmehr ist die Ambivalenz ein großer Teil einer komplexen Persönlichkeit, ohne von ihr abgespalten zu sein – genau das befremdet und fasziniert in solch einer extremen Form.

2000Chopper03Wer Chopper gesehen hat, wird sich auch tiefergehend für den echten Mark Read interessieren. Mit zahlreichen biografischen Büchern und Kriminalromanen gibt es genug Stoff, um sich in die Psyche eines Mannes einzuwühlen, der wirklich anders ist. Einen guten Einstieg bilden die Interviews, die man auf Youtube findet und gerade das finale, in dem der Todkranke vier ungelöste Morde gesteht, ohne einen Hauch Reue zu zeigen, sorgt für Gänsehaut – nebenbei eine Gelegenheit, sich dem genialen Spiel Banas bewusst zu werden.

Am 9. Oktober 2013 starb Chopper an Leberkrebs, nachdem er sich einer Transplantation mit der Begründung verweigerte, er wolle das rettende Organ keinem anderen wegnehmen. Neben Posträuber Biggs der zweite legendäre Outlaw, der in diesem Jahr das Zeitliche segnete – mit Dominiks Chopper wurde einem der beiden ein würdiges Gedenken geschaffen, das immer wieder schockiert, verwundert und unglaublich Spaß macht.


Christoph


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