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Shin Godzilla / Godzilla Resurgence
(Japan 2016)


Regie: Hideaki Anno, Shinji Higuchi

Darsteller: Hiroki Hasegawa, Yutaka Takenouchi, Satomi Ishihara

 

„Überall laufen Menschen schutzsuchend auf die Straßen, rennen aus der U-Bahn, harren vor den Häusern aus. Und die Erde schwankt weiter, begleitet von einem dumpfen Grollen. Man kann sehen, wie die riesigen Bäume im Tokyoter Yoyogi Park hin- und herschwingen.

Dann der offizielle Hinweis über Lautsprecher: Wer sicher ist, soll bleiben, wo er ist. Dabei wollen alle nur nach Hause. Man versucht, Freunde über das Handy zu erreichen, aber die Verbindungen funktionieren nicht. Festnetzleitungen sind unterbrochen. Züge und U-Bahnen werden automatisch gestoppt – und fallen für Stunden aus. Flugzeuge werden umgeleitet, erst fliegen sie noch wie Perlen aneinandergereiht über den Stadtteil Shibuya; später wird am internationalen Knotenpunkt Narita der Tower evakuiert und der Flugverkehr kommt komplett zum Erliegen. „

Ines Karschöldgen, 11 März 2011, Zeit Onlineshin02

Denkt man an in einem modernen Kontext an die Godzilla Filme, dann denkt man gemeinhin an quietschbunte Monster, wilde Keilereien, langweilige menschliche Hauptdarsteller und reichlich überdrehte Sciencefiction Storys. Das popkulturelle Gesicht des Kaiju-Films wie er, via Kabel 1 an vergangenen Sonntag Vormittagen, konsumiert wurde. Dementsprechend war mein Verhältnis zur royalsten Serie aller Monsterfilme stets ein Wenig zwiegespalten. Während auch ich mich der überzuckerten Wirkung eines Godzilla Vs. Megalon nie entziehen konnte, verfolgte mich, auch bei all dem noch so wundervoll halsbrecherisch inszenierten Schwachsinn, stets eine bleibende Erinnerung.

54Eine Erinnerung die 1954 von Ishiro Honda erschaffen wurde.

Ein alleinstehender Film.

Schwarz und Weiß.

Düster und Beunruhigend.

Heutzutage wird der originale Godzilla Film gerne als eine Art verschwendetes Potenzial gesehen. Als der eine gute Film einer Serie, die sich daraufhin tragischer Weise vom Horrorfilm lossagte, um ein schnödes Unterhaltungsprodukt zu werden. Leider wird diese Bewertung gerne außerhalb einer bedeutenden historischen Faktenlage getätigt.

Godzilla wurde, und diese Information sollte eigentlich mittlerweile hinlänglich bekannt sein, als eine direkte Reaktion der Atombombenangriffe, auf die japanischen Städte, Hiroshima und Nagasaki gedreht. So sehr die Idee eines Latexmonsters im Zusammenhang mit atomarer Vernichtung befremdlich wirken mag, so scheint es auch gleichzeitig eine artistisch typisch japanische Reaktion auf die Grauen des Krieges zu sein. Und genau dieses, sehr real gefühlte und gelebte, Grauen ist der Grund warum die diversen Godzilla-Sequels nie das punktierte Unwohlsein im Zuschauer auslösen konnten. Japan ist, genauso wie der Rest der Welt, über den zweiten Weltkrieg hinweg bekommen. Man fand die Freude und das Bunte im Leben wieder. Niemand auf dem Planeten, und erst recht niemand in Japan, wünschte sich je wieder mit einer atomaren Katastrophe dieses Ausmaßes konfrontiert zu werden.

shin01Als die furchtbare Ereignisse um den Tsunami und Fukushima am 11 März 2011 Ihren Lauf nahmen, war die Godzilla-Serie seit sechs Jahren tot. Zu Grabe getragen durch den brachialen Godzilla Final Wars. Die Lizenz am König der Monster wurde, mutiger weise zum zweiten mal, in die USA verkauft. Gareth Edwards 2014er Reboot ist dann auch ein ordentlicher Blockbuster, mit ordentlich Explosionen und Effekten, und somit der erhoffte finanzielle Erfolg geworden. Kurze Zeit später kündigte Toho an, ebenfalls gerne wieder Geld mit dem großen grünen Jungen verdienen zu wollen. Zwar war ich von der Meldung damals nur wenig überrascht (Schließlich ist Godzilla, dank Tohos chronisch knapper Geldbörse, öfter aus dem Ruhestand zurück gekommen als Rocky Balboa) aber dennoch von einer gewissen Vorfreude erfüllt. Nach der Ernsthaftigkeit des US-Reboots konnte ich ein bisschen alberne Monsterkloppe durchaus gebrauchen. Warum nicht mal wieder was hübsch buntes?

Weil der Regisseur Hideaki Anno, wie sich spätestens nach dem damaligen Release der Setphotos abzeichnete, ganz andere Pläne mit diesem Film hatte.

Das sich Shin Godzilla ausgiebig mit der Tsunamikatastrophe, und der daraus folgenden Kernschmelze im Atomkraftwerk in Fukushima, beschäftigt sollte in aller Ehrlichkeit niemanden mehr überraschen. Zu Beginn der 119 Minuten Laufzeit walzt sich Godzilla Schutt, Autos und Unmengen an Wasser vor sich her schiebend, geradezu durch die Straßen, nur um sich im weiteren Verlauf des Film zu einer unaufhaltsam tickenden nuklearen Zeitbombe zu wandeln. Die Symbolik ist bewusst unmissverständlich. Allerdings ist Horror an dieser Stelle gar nicht Annos Ziel. Shin Godzilla ist, von wenigen ausgewählten Sequenzen abgesehen, kein besonders düsterer Film. Zumindest nicht im klassischen Sinne eines Horrorfilms. Und trotzdem ist der Streifen auf die selbe tiefgreifende Weise beunruhigend wie Ishiro Hondas originaler Klassiker.

shin04Das Unsichere und Beunruhigende in Shin Godzilla findet im kalten Rasterleuchtenlicht moderner Bürogebäude statt. In Boardrooms und in Meetings. In großen Gruppen sitzen dort die Mächtigen Japans zusammen und weigern sich Ihre Hilflosigkeit einzusehen. Anno hält die Kamera unbeteiligt still während die Anzüge streiten, lamentieren, analysieren, illustrieren und manchmal einfach nur schweigen. Aber egal was Sie nun gerade tun. Sie können Nichts an Ihrer Lage ändern. Egal wie hoch man Mauern und Dämme baut, wie schön die Fassade eines Hochhauses ist, wie schnell der Sportwagen fährt und auch wie sicher die Atomkraftwerke anscheinend sind. Wir sind alle Spielball einer Natur, deren finales Urteil uns unter Umständen ohne jede Vorwarnung erreichen wird. Shin Godzilla hat keine guten oder schlechten Charaktere, sondern lediglich Menschen in einer Situation außerhalb Ihrer Kontrolle. Diese Angst vor der verlorenen Kontrolle ist es, die uns Fukushima so unheimlich gemacht hat. Chaos ist der Vorbote des Todes.

shin03Mit Sicherheit ein lobenswert subversiver Ansatz an den Horrorfilm. Allerdings unter Umständen nicht was der Zuschauer erwartet hat.

Man sollte definitiv erwähnen, dass Shin Godzilla kein typischer Monsterstreifen ist. Wer bereits meinte bei dem Gareth Edwards Film nicht genug Godzilla für sein Geld bekommen zu haben, der wird auch an diesem Film leider keine Freude haben. Zwar ist es für wahr beeindruckend wenn der Große seine ganze Zerstörungskraft, in den übrigens sehr guten Effektsequenzen, auspackt, allerdings sind diese Szenen wirklich nicht der Fokus des Films. Wenn man sich allerdings auf einen dialoglastigen Film einlässt, und es unter Umständen schafft mal ein paar Minuten ohne Explosionen auszukommen, bekommt man einen der kreativsten Genrefilme des letzten Jahres.

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