combat2Combat Shock (1986)

Dieser Buddy Giovinazzo ist schon ein seltsamer Mensch. Er begann seine Karriere in den USA mit dem hier zu besprechenden Film, versuchte sich dann an einigen Exploitationfilmen, drehte den phantastischen und unbekannten „No Way Home“ und kehrte dann seiner Heimat den Rücken um fortan in Deutschland zu wohnen. Mittlerweile „einberlinert“ dreht er heute in loser Folge Krimis fürs Fernsehn oder schreibt geniale Bücher wie das, 2004 von niemand geringerem als Harald Schmidt promotete, „Potsdamer Platz“.

 

Als mir „Combat Shock“ 1986 erstmals als Videocassette in die Finger fiel war das eher ein Zufall. Wie damals üblich lieh man sich in der Videothek seines Vertrauens 3-5 Filme paketweise aus und bei unseren wilden Videoabenden gehörte halt auch ein Billigstreifen aus dem „halbnackte Männer mit Patronengurt, Stirnband und dicker Wumme“-Regal dazu. Es ist doch immer wieder ein Vergnügen über Chuck Norris, Michael Dudikoff und Konsorten zu lästern.

Doch „Combat Shock“ war – gelinde gesagt – etwas anders.

Frankie ist Vietnamveteran, arbeitslos und lebt unter menschenunwürdigen Verhältnissen mit seiner Frau und dem durch Agent Orange mutierten einjährigen Sohn in irgendeinem sozialen Brennpunkt. Schulden beim örtlichen Kredithai, eine weitere Schwangerschaft seiner Frau, der beste Freund ein drogenverseuchtes Wrack und seit Tagen nichts zu essen. Kann es schlimmer kommen?

Frankies Alpträume von Massakern, seiner Gefangenschaft und Folterung sowie eines dreijährigen Krankenhausaufenthaltes wirken dagegen nahezu wie eine Erholung.

In nahezu dokumentarischem Stil bringt uns Giovinazzo den Dreck und das Leid der Straße, die Langeweile, die latente Gewaltbereitschaft und nicht zuletzt den damals bereits zerbröckelten amerikanischen Traum näher, als wir es eigentlich wollten. Die wackelnde Handkamera fängt jedes Detail von Frankies dreckiger Bruchbude, die Schmutzflecken seiner Kleidung, die verschorften Arme der Junkies oder die fettigen Haare der Darsteller mit einer ungewöhnlichen Präzision ein. Das Drehbuch beschränkt sich nicht auf die übliche „Veteran flippt aus“ Story – natürlich dreht Frankie am Ende durch, aber das ist dem Zuschauer erstens voll und ganz verständlich und zweitens dermassen drastisch und ungewöhnlich dargestellt, daß sich hier nun absolut nicht das actionfilmmässige „Gibs ihm Rambo“ einstellt.

„Combat Shock“ zählt mit Sicherheit zu den unangenehmsten Filmen, die ich jemals gesehen habe. Das liegt auch zum großen Teil an der absolut kompromisslosen Gewaltdarstellung und einem Hang zur Ekelszene. So ist der Film in unseren Kreisen auch als „der Film mit der schlechten Milch“ bekannt – jeder der ihn gesehen hat wird diese Szene für alle Ewigkeit mit sich herumschleppen und das ist sicherlich keine einfache Last, denn sie ist nur das Ende einer Sequenz deren Schockfaktor jenseits allem messbarem liegt.

Doch auch ohne diese – sicherlich dem Splatterfilm nahestehenden – Szenen, bleibt der Film eines der deprimierensten und düstersten Kunstwerke, die jemals das Licht der Projektoren sehen durften. Und ich habe den Kunstbegriff im letzten Satz bewusst gewählt, denn „Combat Shock“ steht dem Arthousefilm erheblich näher als allen anderen Filmgenres.

Giovinazzo zeigt uns hier die Wunden Amerikas und reisst sie nicht nur auf, sondern wühlt darin herum. Und was uns beim Erscheinen des Filmes noch absurd und übertrieben kann man nun – gerade mal 20 Jahre später – auch auf unseren Straßen sehen. Man muss sich nur trauen die Augen zu öffnen, aber das tut halt weh – ebenso wie „Combat Shock“.

Der Film ist mittlerweile in den USA in einer wirklich schönen DVD-Edition mit Audiokommentaren und Massen an Extras erschienen und kann als Import zum Preis von um die 25 € bezogen werden. Billiger geht’s über amazom.us, wo der Film im Moment für 6.95 $ zu haben ist. Ab und an findet man auch noch das deutsche Videotape im Videothekenausverkauf – da ist zuschlagen angesagt, handelt es sich doch bei der deutschen Fassung um einen frühen Directors-Cut der noch düsterer wirkt.

Jeder Filmfreak, der auch mal die Randgebiete ausloten will, sollte alles daran setzen „Combat Shock“ mal zu Gesicht zu bekommen, aber sagt nachher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.