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Child´s Play  2 (1990)
Chucky 2 - Die Mörderpuppe ist zurück

Regie: John Lafia

Drehbuch: Don Mancini

Musik: Graeme Revell

Chucky Design: Kevin Yagher

Darsteller: Alex Vincent, Brad Dourif, Jenny Agutter, Grace Zabriskie

 

 

Das Horrorgenre bedient sich wie kein Zweites ausgiebig bei Sigmund Freuds Lehre von der zyklischen Wiederkehr des Verdrängten, das stets aufs Neue wiederholt und durchgearbeitet werden muss. So verwundert es nicht, dass zwei Jahre nach dem Erfolg von Tom Hollands „Child’s Play“ die Mörderpuppe Chucky erneut ans blutige Werk musste.

Allerdings lief die Sequel-Maschinerie in diesem Fall nicht ganz so geschmiert wie üblich, denn United Artists, die den ersten Film produziert hatten, standen zum Verkauf und der neue Investor Quintex wollte sich auf familienfreundliche Unterhaltung beschränken – weshalb das Projekt letztlich bei Universal landete.

child2 01Die Ironie daran: Quintex kaufte United Artists letztlich dann doch nicht und in seinem Kern ist „Child’s Play 2“ wie bereits der Vorgänger durchaus als Familienfilm zu bezeichnen. Als eine Geschichte über einen pubertierenden Jungen, die allerdings mit nicht ganz so kindgerechten Slasher-Elementen angereichert wurde. Unter den Händen von Regisseur John Lafia („Man’s Best Friend“) wird daraus jedoch leider nicht mehr als ein erneuter Aufguss des ersten Films, dem es nicht gelingt, der Thematik neue Seiten abzugewinnen.

Noch einmal muss der kleine Andy gegen Chucky und damit gewissermaßen gegen seine eigene dunkle Seite antreten, denn Chucky, diese ziemlich fies aussehende, vom Geist eines Serienkillers (und damit von destruktiver Sexualität) besessene „Good Guy“-Puppe, dieses Objekt, das wieder zum Mensch und damit zum Subjekt werden will, kann man vulgärfreudianisch natürlich leicht als den Phallus identifizieren, der sich Andys Kontrolle entzieht und allerlei Unheil anrichtet.

Die Hersteller der „Good Guy“-Puppen hatten nämlich nichts Idiotischeres zu tun, als den restlos zerstörten Chucky wieder mühselig zusammenzubasteln, so dass sich dieser einige tote Techniker und Angestellte später flugs im Hause von Andys Gastfamilie einnisten kann. Seine Mutter befindet sich inzwischen in der Klapsmühle (dort pflegen Leute eben im Allgemeinen zu landen, wenn sie etwas von mörderischen Puppen daherlabern), mit dem Sorgerecht ist Essig (ein ebenso böser wie nachlässiger Nachtrag zu Teil 1, der sich ausführlich mit dieser Thematik beschäftigte) und die Ersatzfamilie ist so edel, hilfreich und gut, dass nicht nur Chucky davon schlecht wird.

child2 04Obwohl Andy und Chucky auf der Erzählebene des Films von Anfang an als deutlich voneinander getrennte Antagonisten auftreten, ist es auffallend, dass Chucky als erstes gerade die Nippesfigur zerschlägt, über deren Wert die beiden Gasteltern dem kleinen Andy zuvor einen längeren Vortrag gehalten haben. Dadurch wird Chucky ganz konkret zum Vollstrecker von Andys zumindest latent vorhandener Destruktionslust, die sich im weiteren Verlauf gegen die Vertreter der Autorität (Lehrerin, Pflegeeltern, Heimleiterin) und damit gegen die konservative amerikanische Gesellschaft richten wird. Passend dazu stellt Andy das Drehbuch (ernut von Don Mancini) eine rebellische „große Schwester“ namens Kyle an die Seite, die sich nicht ans Rauchverbot im Haus hält, ansonsten aber ganz nett ist. Ihre wichtigste Lektion nachdem Andy von ihrer Zigarette gezogen hat: „Zum Erwachsensein gehört es, dass man auch Dinge tun darf, die schädlich sind.“ Das würden die Grünen heutzutage zwar wohl ein wenig anders sehen, aber die Philosophie des Films bringt der Satz schön auf den Punkt.

child2 06Zunächst steht Andy als Noch-Nicht-Erwachsener nämlich reichlich hilflos da. Als Heimkind, das kurzerhand in ein neues Zuhause verfrachtet wird ist er im übertragenen Sinne ebenso gefesselt wie etwas später bei seiner ersten Begegnung mit Chucky. Mit dem Zug an der Zigarette hingegen beginnt eine schrittweise Selbstermächtigung: er stellt sich mit einem übergroßen elektrischen Küchenmesser im Keller zum Kampf, was allerdings im Tod des „Vaters“ gipfelt und Chucky die Gelegenheit gibt, sich kurz darauf auch noch um die „Mutter“ zu kümmern. Ein geradezu ödipaler Fehlschlag, nach dem Andy vorerst wieder ins Kinderheim abgeschoben wird. Denn der eigentliche Trick, durch den das Böse integriert und damit überwunden werden kann liegt bei „Child’s Play 2“ im Teamwork. Weshalb es Andy, Kyle und Chucky schließlich zum Showdown in die „Good Guy“-Fabrik, also zum Ursprung des zu bewältigenden Traumas verschlägt, an einen Ort, der sinnfällig als Labyrinth gestaltet wurde.

Nur leider funktioniert dieser Plot im fertigen Film nicht so richtig. Zunächst ist der Altersunterschied zwischen Andy und Kyle einfach zu groß, um die beiden ernsthaft als Liebespaar zu begreifen, das am Ende gemeinsam den Dämon besiegen kann. Hinzu kommt eine allgemeine Unschlüssigkeit darüber, was genau eigentlich nun den im Film verarbeiteten Generationenkonflikt ausmacht: außer der Lehrerinnenkarikatur, die verdientermaßen das Lineal zu spüren bekommt, sind die Autoritäten nicht gerade über die Maßen streng, ebenso wie die Rebellion der Jugend sich bestenfalls auf eine rebellische Pose beschränkt. (Bei genauem Hinsehen: nicht einmal das!).

Da der Verlust der Pflegeeltern allerdings auch nicht als große Erschütterung inszeniert wurde sondern ebenso als Genrekonvention abgewickelt wird wie die restlichen Morde, wirkt „Child’s Play 2“ in seiner Summe ebenso synthetisch wie Chucky selbst – es bewegt sich, manchmal blutet es sogar, aber der Funke, durch den das Gezeigte lebendig wirken würde, bleibt aus (passend dazu wurde der Film übrigens überaus hölzern synchronisiert).

child2 07Dem hervorragend getricksten Chucky (im Original gesprochen von Brad Dourif) kann man dies allerdings nicht zum Vorwurf machen. Im Grunde genommen ist er stärker noch als im ersten Teil der eigentliche Star, der in einem eher dröge dahinplätschernden Film für die bitter nötigen Akzente der splatterigen Art sorgt und dem über weite Strecken die Sympathie des Publikums gilt. Wobei der im Slasherfilm übliche Sympathie-Umschwung in „Child’s Play 2“ aufgrund der Figurenkonstellation auch nicht so richtig klappt: zwar ist Kyle ein klassisches Final-Girl (ihr Name deutet sogar eine sexuelle Indifferenz an), und Chucky darf sie als Geisel nehmen, mit dem Messer vor ihr herumfuchteln, das er schließlich sogar in den Stumpf seiner abgerissenen Hand stecken wird, usw. aber im Gegensatz zu beispielsweise den Filmen der „Friday the 13th“-Reihe geht es ja explizit nicht um die Selbstermächtigung der Frau angesichts der phallischen Bedrohung, sondern darum, dass Andy lernt, seinen Trieb zu kontrollieren, weshalb der ganze Spuk letztlich überaus unbefriedigend dadurch aufgelöst wird, dass sowohl Andy als auch Kyle als platonisches Geschwisterpaar in eine ungewisse Zukunft entlassen werden, ohne den Schritt zum Erwachsensein vollzogen zu haben. Im Grunde genommen eine Verlängerung der sexuellen Latenzphase als reaktionäre Nichtlösung, die eine weitere Auferstehung Chuckys geradez zwangsläufig zur Folge haben musste - die dann auch schließlich in „Child’s Play 3“ stattfinden sollte.

child2 02Technisch gesehen wirkt „Child’s Play 2“ ebenso konventionell wie das Script, erwähnenswert ist lediglich der pompöse Score, der dem Ganzen einen Hauch von Klasse verleiht. Obwohl die Gewalt nicht ausufert und stellenweise eher schwarzhumorige Töne anschlägt (beispielsweise wenn einem Mechaniker zwei Plastikaugen verpasst werden), reagierte man in Deutschland allerdings wie allzu oft überaus empfindlich auf die Mischung aus inhaltlicher Unausgegorenheit mit harten Trickeffekten und indizierte den Film. Seit 2013 hat er aber uncut die wesentlich angemessenere 16er Freigabe.


Alexander Jäger

  

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