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No One Lives (2012)
Keiner überlebt!

Regie: Ryūhei Kitamura

Drehbuch: David Cohen

Darsteller: Luke Evans, Adeleide Clemens,
Laura Ramsey, Derek Magyar

 

-Love kills slowly-

 

Bevor es weitergeht durch die romantischen Landschaften und die verschlafenen Nester der Südstaaten, unterbrechen Betty (Laura Ramsey) und ihr Freund (Luke Evans) ihren Roadtrip, um sich ein saftiges Steak zu gönnen. Leider beweisen die beiden bei der Wahl des Restaurants ein weniger gutes Händchen als in der Liebe. Und so ziehen die Turteltauben bald den Ärger des Bandenmitglieds Flynn (Derek Magyar) auf sich, den so offen zur Schau gestellte Harmonie wohl aggressiv macht. Die Atmosphäre ist schon zum Zerreißen gespannt, als sich eine Eskalation durch das beherzte Einschreiten des Anführers der Gang gerade noch abwenden lässt. Doch Flynn ist fest entschlossen die Reisenden zum Ventil seiner Wut zu machen und so nimmt er wie ein Bluthund die Fährte auf, drängt den Wagen des Paares ab und schleppt die beiden in das Hauptquartier der Bande. An Stühle gefesselt und schwer verletzt, scheint die Lage dort aussichtslos. Doch wie kann der Gefangene Luke Evans in einer solchen Situation mit wilden Drohungen um sich werfen und was hat es mit den Luftlöchern im Kofferraum seines Wagens auf sich?

nol02Seit Anthony Hopkins als Hannibal Lecter seine Opfer umschmeichelte, bevor sie wiederum seinem Gaumen schmeichelten, ist das Bild des charmanten Psychopathen bis weit in den Mainstream hinein verbreitet. Nur in das Redneck-Bandenwesen ist es allem Anschein nach nicht vorgedrungen, denn die Rüpel unterschätzen ihren Gefangenen ob seines kultivierten Auftretens sträflich. Ein schwerer Fehler, der spätestens eingestanden werden muss, als Bandenchef Hoag (Lee Tergesen) püriert in einem Leinensack an der Veranda baumelt. Während sich seine Schützlinge fragen, wie man ihren Chef so zurichten konnte, bleibt dem Zuschauer die Vorgeschichte nicht erspart. Denn die Wege, auf denen der Killer seine Opfer leiden lässt, sind so kreativ und ausladend inszeniert, dass No One Lives um eine Kürzung in Deutschland nicht herumkam – in der heutigen Zeit, in der es scheint, als seien die bemitleidenswerten Mitglieder der Zensurbehörden selbst Opfer der Abstumpfungserscheinungen geworden, vor denen sie immer so eindringlich warnten, eine beachtliche Leistung.

nol03Doch tut man Ryūhei Kitamuras Werk Unrecht, wenn man es rein auf seinen Gewaltgehalt reduziert, ist es doch ein frischer und streckenweise sehr spannender Beitrag zum Slasher-Genre, in dem über lange Zeit alles gesagt zu sein schien. Der Charakter der Emma Ward, der erst später im Film auftritt, gehört zu den interessanteren des Horrorgenres und die Darstellerin Adeleide Clemens verfügt über genügend Talent, um die Zerrissenheit und die Wandlung dieser Persönlichkeit glaubhaft zu vermitteln. Luke Evans ist die Idealbesetzung für den Handsome Devil, hat an seiner diabolischen Darbietung sichtlich Spaß und wird von einem für Slasher-Verhältnisse guten Drehbuch und einem ansprechenden visuellen Stil unterstützt.

nol04Die Art wie die Morde und Evans´ Gesicht ausgeleuchtet werden, erinnert an die Ästhetik aus Drive, wird aber in Kombination mit der überbordenden Gewalt zu einer wahren Ästhetik des Schreckens, deren Faszination man sich nur schwer entziehen kann. Möchte man sich den blutigen Spaß durch Interpretationen verwässern, so könnte man damit beginnen, dass das Böse den Zuschauer, genau wie die Figuren im Film, versucht auf seine Seite zu ziehen und zu verderben. Wie die Bande gegen das Böse kämpft, das eigentlich ihr Tagesgeschäft ist, so stellt sich der Zuschauer seiner Lust am Bösen, das hier so verführerisch auftritt. Ich kann nur empfehlen, sich dieser Lust voll und ganz hinzugeben.

 

 

Christoph Laible 

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hallo

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