Sanftes Licht aus dem Monitor taucht die Schreibtischplatte in einen unwirklichen Glanz. In perfekter Anordnung glänzen die Tasten des Keyboards, daneben der Aschenbecher mit einer halb veraschten Zigarette, eine Tasse – halb gefüllt mit Kaffee, der auch schon heissere Stunden erlebt hat.

Ich blicke auf die kleine blinkende Uhr – 2.30, sollte es wieder eine dieser Nächte werden. Eine Nacht wie schon so viele davor – alleine und ohne wirkliche Idee, gefangen in einer Blase der Unkreativität. Der Alptraum des Autoren. „Writers Block“ so nennen es die englischsprachigen Kollegen - „Mist“ so nenne ich es in urdeutscher Art.

Da plötzlich höre ich die Stimme, sanft und leise: „Jaaa, berühr mich...“
Was war das?

Wieder der Nachbar zur Linken, dessen autosexuelles Singleleben ich ab und an durch die dünnen Wände vernehmen kann? Nein, unmöglich – es ist Sams- bzw. Sonntag, da fröhnt dieser seiner Kneipenlust. Vor fünf Uhr in der früh wird er nicht nach Hause kommen und dann werden die Geräusche aus seiner Wohnung eher würgender Natur sein.

Ich blicke wieder auf den Monitor, von dem mich ein leeres Office-Dokument anstarrt. Mit maschineller Regelmässigkeit blinkt mich der Cursor an, beunruhigend aber doch auf hypnotische Weise meinen Blick anziehend – und wieder höre ich etwas: „Gibs mir – los. Lasse deine Finger über mich gleiten. Drücke meine Knöpfe und lass mich spüren das ich lebe.“

Ich erstarre – kalter Schweiss bricht mir aus. Erschrocken rolle ich in meinem Stuhl vom Schreibtisch weg. Das ist nicht möglich – das kann nicht sein.

„Komm schon -lass mich nicht hängen – ich brauche dich jetzt“ fordert die Stimme wieder und nun sehe ich es auch. Es könnte ein zufälliges Spiel von Licht und Schatten sein, würde diese minimale und nur bei scharfer Fokussierung sichtbare Bewegung nicht absolut zu den Worten passen und mit ihnen sychroner laufen, als es eine sogenannte Synchronisation jemals tat.

„Mm...mmm..meine Tastatur kann reden?“ stammele ich und kneife mich gleichzeitig und schmerzhaft in den Arm.

„Was ist denn daran so seltsam?“ antwortet das Keyboard mit einer Frage und zeigt so, das es zumindest die einfachsten Regeln der Kommunikation beherrscht.

„Aber Keyboards reden nicht – du bist künstlich – nur etwas Plastik und Metall.“
„Das ist diskriminierend.“

„Sorry,“ entschuldige ich mich und fühle mich im gleichen Moment etwas dämlich. „Aber weisst du – ich bin es nicht gewohnt mit meinem Computer zu reden.“

„Machst du ja auch nicht – du redest mit mir,“ anwortet das Tastenfeld und wieder bewundere ich die minimalen Bewegungen mit der die Tasten einen Mund imitieren.

Immer noch mit genügend Sicherheitsabstand greife ich zum Kaffee und überdenke mein weiteres Vorgehen. Einerseits erscheint es mir mehr als nur dämlich sich auf eine Diskussion mit etwas definitiv nicht lebendigem einzulassen, andererseits reizt mich das Ganze doch sehr.

Ich schlucke etwas von der kalten Brühe und wähle meine nächsten Worte mit Bedacht.

„Aber, warum hast du denn bisher nie etwas gesagt?“

Im flimmernden Monitorlicht erscheint es mir als würden sich die Tasten zu enem sarkastischen Grinsen verziehen. „Bisher,“ erklärt das Keyboard nun, „hast du mich immer befriedigt. Hast jeden Abend mindestens einen Artikel und lange E-Mails geschrieben. Aber heute...“

„Kein Grund mich zu dreipunkten,“ reagiere ich - etwas lauter und aggressiver als eigentlich gewollt. „Mir fällt halt heute nichts ein.“

„Und deshalb lässt du mich verhungern?“

„Verhungern?“ ich muss mich bemühen nicht in Lachen auszubrechen. „Wo von ernährt sich denn ein Keyboard?“

Es scheint als müsste das Tastenfeld erst nachdenken ob es mir diese Information geben dürfe. Dann spricht es langsam und mit hörbarer Vorsicht. „Eigentlich halten wir das im Verborgenen, aber sämtliche Keyboards ernähren sich von der Kreativität des Benutzers. Wir wachsen, gedeihen und gewinnen an Intelligenz nur durch guten Input.“

„Unmöglich,“ entgegne ich ruppig, „was ist denn dann mit Boards, die nur von Computerspielern benutzt werden? Können die sich dann nur mit „wasd“ und den Cursortasten verständlich machen?“

„Und – seid ihr Menschen was besseres. Seid ihr etwa alle gleich intelligent?“

Das klang beleidigt.

„Hey, ich wollte dich nicht nieder machen. Es ist halt auch für mich eine neue Situation.“
„Schon ok,“ die Tasten führen mir eine kleine Welle vor. „Aber was ist jetzt? Tippst du heute noch was hübsches.“

„Hmmh,“ hmmhe ich, „Ich weiss nicht. Mir fällt einfach nichts ein – ich bin total ausgebrannt.“

Wieder zeigt das Keyboard mir sein sarkastisches Grinsen. „Darf ich dich mal zitieren: `Ich kann selbst aus nichts noch 70 Zeilen machen...´“

Das saß – da hatte mich die Tastatur an meinem schwachen Punkt getroffen. Ich und meine große Klappe.

„Das war nicht so gemeint. Was haben denn meine Leser davon, wenn ich einfach irgendeinen Müll runtertippe, nur umüberhaupt irgendwas zu schreiben?“

„Deine Leser interessieren mich weniger. Denk einfach mal an mich – würdest du mich einfach verhungern lassen? Bist du wirklich so unmenschlich?“

Irgendwie hatte sie ja recht, aber konnte ich wirklich einfach irgendwas runterschreiben – ohne Sinn und Verstand? Und was würde denn wirklich passieren, wenn ich nichts täte. Würde es – wie schon so oft – damit beginnen, das einzelne Buchstaben ausfallen würden?

Man drückt in „ „ und nichts passirt. Zwar nur in klin inschränkung abr doch shr lästig. Das würd s nahzu unmöglich machn vrnünftig zu arbitn. Kin Mnsch würd mhr vrsthn was ich sagn wollt. Diss Risiko konnt ich nicht inghn. Ich bschloss in dn saurn Apfl zu bissn.

„Okay, ich schreib irgendwas – hast du einen Vorschlag?“

„Was hälst du davon einen Dialog mit deiner Tastatur zu führen und den einfach runterzuschreiben?“ schlägt das Keyboard vor.

„Also ich weiss nicht,“ diese Idee kommt mir lächerlich vor, wer würde sowas lesen wollen. „Pass auf, ich schlage vor, ich schlafe einfach mal drüber und geb dir morgen meine 10 Cent dafür, ok.“

„Klingt vernünftig,“ erwidert das Keyboard, „und dafür werde ich dir auch weiterhin gute Dienste leisten und keine Buchstaben ausfallen lassen.“

„Und die Klappe halten,“ füge ich hinzu.

„ „, sagt die Tastatur.

dia